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Mein Jahrhundert

Auteurs

Günter Grass

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Redet hier das Jahrhundert selbst? Je mehr man blättert, desto stärker wird die Sogwirkung. Ein schweres Buch, aber auch sehr leicht, das am liebsten an einem Stehpult gelesen werden möchte. Günter Grass führt uns behutsam durch das zu Ende gehende Jahrhundert, Jahr für Jahr, und zeichnet ein Aquarell der Geschichte. Es sind nicht die Großereignisse, die ihm am Herzen liegen, sondern die Nebenschauplätze, oft scheinbar Unwesentliches, das bei näherer Betrachtung erhellend wirkt. Die Sabotagegedanken eines verzweifelten Bordmechanikers während des demütigenden Fluges zur Übergabe des Luftschiffs LZ126 1924 sind ebenso präsent wie das beklemmende Essay über das linke Lehrerehepaar, dessen Anzeige 1972 zur Verhaftung Ulrike Meinhofs führte. In einem Züricher Café schwadronieren die Autoren Remarque und Jünger über die Weltkriegsjahre, während eine junge Schweizerin das Gespräch für eine Forschungsarbeit führt. Grass lässt die Episode eine schaurige Wendung nehmen. Die Geschichten wollen nicht enden, von einem jüdischen Glaser, der über seine getötete Familie reflektiert, bis hin zu Grass, der in Birgit Breuels Kleider schlüpft und die Treuhanddame über Vergleiche mit Fontane lamentieren lässt. Grass’ aquarellierte Hand lässt Menschlein wie geknickte Streichhölzer rieseln. Vielleicht bleibt das Buch diesmal nicht auf dem Wühltisch liegen. Mein Jahrhundert ist reich an Bildern und Geschichten, die jeden sensiblen Leser fesseln.