Der Band 9 der von der Alfred Klahr Gesellschaft herausgegebenen Reihe „Quellen & Studien“ erinnert mit Otto Bauer (1881–1938) und Max Adler (1873–1937) an zwei vor 70 Jahren verstorbene Exponenten des „Austromarxismus“, an deren Rolle im reformistischen Hauptstrom der österreichischen Sozialdemokratie, an deren „dritte Wege“ („integraler Sozialismus“ bzw. „Linkssozialismus“) und an deren widersprüchliche Funktion in marxistischen Theoriedebatten nach der Befreiung vom Faschismus.
Da eine republikanische Grundrechtsfassung im Jahr 1920 an unüberwindbaren Widersprüchen gescheitert ist, beruht der österreichische Grundrechtskatalog bis heute vor allem auf dem «Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger» vom Jahr 1867. In der Periode der Konsolidierung der Zweiten Republik nach 1955 galt der österreichische Grundrechtsbestand wegen seines Alters, seiner einseitigen Ausrichtung an den bürgerlich-liberalen Idealen, wegen des Fehlens sozialer Grundrechte, wegen der Zersplitterung der Rechtsquellen als reformbedürftig. Der Reformdruck wurde durch die internationale Rechtsentwicklung erhöht. Die 1964 eingesetzte Grundrechtsreformkommission prüfte die Möglichkeit einer neuen, geschlossenen Grundrechtskodifikation. Obwohl das Reformvorhaben gescheitert ist und sogar vom Ende der nationalen Grundrechtskataloge im Zeitalter der «Europäischen Integration» gesprochen wird, markiert die Grundrechtsreformkommission ein bedeutendes Kapitel österreichischer Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Historismus und Geschichtswissenschaft im Staatsrecht (1919-1933)
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Der «Altösterreicher» Hermann Heller (1891-1933) gilt neben Hans Kelsen oder Carl Schmitt als klassischer Staatsrechtler des 20. Jahrhunderts. Hellers Kampf gegen den Nazismus, sein Einsatz für den sozialen Rechtsstaat, sein Wirken im Arbeiterbildungswesen, sein akademisches Wirken an den Universitäten Berlin und Frankfurt und seine Stellung in den juristischen Methodenkonflikten der Weimarer Republik sind bekannt. Hier wird Hellers Auseinandersetzung mit der idealistisch bürgerlichen Geschichtsphilosophie Hegels, mit dem bürgerlichen Historismus von Ranke, Droysen, Treitschke, Meinecke bis zu Troeltsch und K. Mannheim, sowie Hellers Stellung zum Historischen Materialismus von Marx und Engels, ferner zu den Histomat-Deutungen von Kautsky, Korsch, Lukács und den «Austromarxisten» beschrieben. Die Stellung der Juristen zum Historismus seit den 1880er Jahren wird vergleichend am Beispiel von Gierke, Bergbohm, Preuß, Radbruch, E. Kaufmann, Schmitt, Holstein, Smend u. v. a. m. dargestellt. Im Anhang findet sich ein Beitrag zur Analyse der NS-Jurisprudenz seitens der Frankfurter Schule.
Die große Tradition der österreichischen Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, also das Martini-Zeillersche Naturrecht im Umfeld der ABGB-Kodifikation (1811) oder die Reine Rechtslehre von Hans Kelsen (Wiener Rechtstheoretische Schule) sind weithin bekannt. Gleiches gilt für die österreichische rechtssoziologische Tradition (u. a. Eugen Ehrlich). Vor diesem Hintergrund werden in einem historischen Überblick die diversen, oft vergessenen Verzweigungen österreichischer universitärer Rechtsphilosophie geschlossen dargestellt, so die Vormärzhegelianer, die herbartianische Rechtsphilosophie August Geyers, die «allgemeine Rechtslehre» Adolf Merkels, die rechtsphänomenologischen Bemühungen von Felix Kaufmann und Fritz Schreier, das Rechtsdenken von Eric Voegelin oder die «gegenstandstheoretische Rechtsphilosophie» von Johann Mokre.
Streik- und Arbeiterkoalitionsrecht in Österreich 1867–1914. Aus Texten von Leo Verkauf und Isidor Ingwer
1870 hat die österreichische Arbeiterklasse das Koalitionsrecht errungen. Sozialdemokratische Arbeitsrechtler wie Isidor Ingwer oder der SP-Reichsratsabgeordnete Leo Verkauf haben in den Jahren vor 1914 vor dem Hintergrund radikaler, oft mit militärischer Gewalt unterdrückter Arbeitskämpfe (z. B. die toten böhmisch-mährischen Bergarbeiter 1894, Wiener Ziegelarbeiterstreik 1895, Bergarbeiterstreik 1900, die Toten des Generalstreiks von Triest 1902 oder die Toten des Lemberger Maurer- und Zimmererausstandes 1902) beschrieben, wie das Streikrecht vom habsburgischen Behördenapparat bis zur offenen Repression eingeschränkt wurde. Viele Arbeiter und Arbeiterinnen wurden wegen kleiner Verstöße gegen das Koalitionsgesetz belangt. Die Erpressungsnormen des Strafrechts wurden gegen Ausständische mobilisiert. Nach dem Vereins- und Versammlungsrecht wurden Arbeitervereine verboten, Streikversammlungen aufgelöst. Mit dem „Prügelpatent“ von 1854 wurde gegen Streikposten vorgegangen. Unzählige Arbeiter wurden nach der „Kontraktbruchregelung“ der Gewerbeordnung sanktioniert. Mit Hilfe der „Vagabundengesetzgebung“ wurden Streikende abgeschoben und „abgeschafft“. Es soll an Isidor Ingwer erinnert werden, der – wie Forschungen der Wiener Rechtshistorikerin Ilse Reiter-Zatloukal ergeben haben – schon 1893 wegen des Ausrufs „Es lebe die rothe revolutionäre Socialdemokratie!“ – abgeurteilt und als „äußerst gefährlicher Agitator“ aus Mähren „abgeschafft“ wurde, und der am 19. August 1942 knapp nach seiner Deportation im KZ Theresienstadt verstorben ist.
"... fürchteten, man könnte sie da in den Tiroler Bergen vergessen"
An der 1869 neu gegründeten Medizinischen Fakultät Innsbruck lehrten in den folgenden Jahrzehnten trotz schwieriger Forschungsbedingungen international renommierte Gelehrte. Neben den drei Nobelpreisträgern für Chemie Fritz Pregl, Adolf Windaus und Hans Fischer, die in Innsbruck zwischen 1910 und 1918 die Lehrkanzel der Medizinischen Chemie innehatten, wirkten hier der ?Wiener Medizinischen Schule? angehörende Professoren wie Ludwig Mauthner (Augenheilkunde), Eduard Albert (Chirurgie) oder Viktor Ebner (Histologie). Aus Breslau wurde 1889 der ?Entwicklungsanatom? Wilhelm Roux berufen, aus Leipzig 1916 der Physiologe Ernst Theodor Brücke. An der Seite des 1938 ?aus rassischen Gründen? aus der Professur vertriebenen Brücke wirkte der 1913 habilitierte Hormonforscher Ludwig Haberlandt. In einem Anhang werden die Lage der MedizinƯfakultät nach der Befreiung von 1945, der Weg der ?Entnazifizierung? und die Neuordnung des Personalstandes beschrieben.
Mit Blick auf eine intellektuelle Geschichte der Universität Innsbruck werden am Beispiel der Innsbrucker Rechtsfakultät (1792-1965) in Disziplinen und Fakultäten vergleichender Perspektive studentische Fragen aus sozialhistorischer Sicht, Probleme der Studienreform (z.B. vom Naturrecht zur historisch systematischen Ausbildung nach 1848) und die berufungs- und habilitationspolitische Rekrutierung des Lehrkörpers (nach nationalen, ?kulturkämpferischen? Kriterien, sowie unter dem Einfluss des akademischen Antisemitismus) beschrieben. Fragen juristischer ?Methodenkonflikte? (z.B. Rechtssoziologie, Rechtsgeschichte oder ?Reine Rechtslehre??) werden mit behandelt. Im Mittelpunkt stehen die wissenschaftlich politischen Biographien von exponierten Innsbrucker Rechtslehrern wie Heinrich Lammasch, Franz Gschnitzer, Hans R. Klecatsky, Nikolaus Grass oder von Friedrich Nowakowski.