Internationale Migration führt dazu, dass Wohnbevölkerung und Staatsvolk zunehmend weniger übereinstimmen. Immer mehr Staatsbürger/innen leben außerhalb der Grenzen des Landes und ein wachsender Teil der Wohnbevölkerung besteht aus Nicht-Staatsbürger/innen. Wie groß diese Diskrepanzen sind, hängt nicht nur von Wanderungsbewegungen ab, sondern auch von den Regeln für den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. Dieses Buch untersucht den Zusammenhang zwischen Migration, Staatsbürgerschaft und Wahlrecht aus rechtlicher, historischer, sozialwissenschaftlicher und demokratietheoretischer Perspektive. Die einzelnen Kapitel behandeln den Erwerb der Staatsbürgerschaft bei Geburt und durch Einbürgerung, den Verlust durch Verzicht oder staatliche Aberkennung, den staatlichen Umgang mit mehrfacher Staatsbürgerschaft und die Ausweitung von Wahlrechten für Nicht-Staatsbürger/innen. Im Vordergrund steht die österreichische Situation im internationalen Vergleich. Dabei zeigt sich, dass Österreich hinter anderen Einwanderungsstaaten bei der Öffnung der Staatsbürgerschaft für Immigranten und Immigrantinnen, der Akzeptanz von Doppelstaatsbürgerschaft und der Ausweitung von Wahlrechten weit zurückbleibt. Die Autoren argumentieren, dass der Zugang zur Staatsbürgerschaft und die Akzeptanz von Doppelstaatsbürgerschaften nicht nur für die Integration von Immigranten und Immigrantinnen von entscheidender Bedeutung ist, sondern auch für die Legitimität demokratischer Institutionen im Einwanderungsland Österreich
Gerd Valchars Livres


Defizitäre Demokratie
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Artikel 1 des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes stellt das demokratische Prinzip an die Spitze der Rechtsordnung: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem zweiten Satz und der Frage nach der politisch-rechtlichen Zugehörigkeit zu diesem „Volk“. Moderne Demokratien basieren auf zwei Grundprinzipien: dem Betroffenheitsprinzip und dem Prinzip der Selbstunterwerfung. Demokratie bedeutet „Volksherrschaft“, was die theoretische Identität von Herrschern und Beherrschten impliziert. In der Praxis wird die Frage der Betroffenheit meist durch die Staatsangehörigkeit beantwortet. Allerdings führt die zunehmende transnationale Mobilität zu einer Veränderung der nationalen Gesellschaftsstruktur: Der Anteil der Menschen ohne Staatsbürgerschaft des Landes, in dem sie leben, wächst. Dies führt dazu, dass die Gruppen der WohnbürgerInnen und StaatsbürgerInnen nicht mehr übereinstimmen und auseinanderdriften. Infolgedessen können die demokratischen Prinzipien der Betroffenheit und Selbstunterwerfung nicht mehr vollständig erfüllt werden, was die Demokratie zu einer defizitären Demokratie macht.