Plutarch verknüpft als Schriftsteller, platonischer Philosoph und delphischer Priester in eigentümlicher Weise Theologie, Philosophie und verschiedene Traditionen gelebter Religion (Mysterien, ägyptische Religion, Zoroastrismus) miteinander. Diezwölf Beiträge führender Plutarchforscher aus den Bereichen Philosophie, Klassische Philologie, Religionswissenschaft und Theologie beleuchten das Verhältnis des einen Göttlichen im Denken Plutarchs zu den vielen Göttern des griechischen Pantheons – aber auch anderer religiöser Traditionen.
Die zweisprachige Reihe SAPERE (Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam Religionemque pertinentia, Schriften der späteren Antike zu ehtischen und religiösen Fragen) erschließt durch kommentierende Essays aus der Sicht verschiedner Disziplinen griechische und lateinische Texte des späteren Altertums (1.-4. Jh. n. Chr.). Ein geheimnisvolles Bild, aufgehängt am Heiligtum vor der Cella des Kronos-Heiligtums, zeigt drei ineinander verschachtelte Ringmauern, in denen sich Menschen bewegen. Ein Greis deutet den Besuchern das Bild als Allegorie des Weges zum gelingenden Leben. Dabei geht es um die Wege und Irrwege, welche Welterfahrung, Bildung und Ethik dem Menschen auf seinem Weg zum Glück anbieten. Diese Schrift, die alle kulturwissenschaftlich relevanten Themen behandelt, hatte eine außerordentlich große Wirkungsgeschichte in der frühen Neuzeit im Abendland (ca. 1450 – 1800).
In der frühen Kaiserzeit werden Traditionen der gelebten Religion verstärkt als Quelle philosophischen Denkens interpretiert und plausibilisiert. Heilige Erzählungen, Riten und Kultgegenstände erscheinen als Reflex göttlicher Wahrheit: sie eröffnen Erkenntnis, die wahres Leben verspricht. Umgekehrt beruft sich philosophische Weltdeutung auf die religiöse Tradition als letzten Erkenntnisgrund. Dieser Verschmelzung religiöser und philosophischer Diskurse, die insbesondere den Platonismus jüdischer, christlicher und pagan-religiöser Provenienz kennzeichnet, entspringen kreative Neudeutungen in beiden Feldern. Im vorliegenden Tagungsband zeichnen ausgewiesene Fachleute aus den Bereichen Klassische Philologie, Theologie, Religionswissenschaft, Judaistik und Philosophiegeschichte ein Panorama der religiös-philosophischen Literatur der frühen Kaiserzeit, über religiös-kulturelle Herkunftsbereiche, Sprachgrenzen und Literaturgattungen hinweg. Die Beiträge reichen von der paganen griechischen und lateinischen Literatur über hellenistisch-jüdische und neutestamentliche Texte bis hin zu Qumran sowie dem gnostischen und hermetischen Schrifttum. Dieser Querschnitt durch die religiös-philosophische Literatur der Kaiserzeit wird ergänzt und vertieft durch exemplarische Studien zu einzelnen Autoren und Texten (Philon von Alexandria, Plutarch, Johannesevangelium, Klemens von Alexandria). Die Beiträge wurden bei der „Impulstagung“ des Projekts Ratio Religionis im Februar 2007 an der Georg-August-Universität Göttingen gehalten. Wichtige Quellentexte werden am Schluss zweisprachig dargeboten.
Studien zur literarischen, philosophischen und religiösen Funktion des Bildhaften
Denken in Bildern? Die Fülle an Bildern und Vergleichen in antiken Texten trug bis ins 18. Jahrhundert zur Beliebtheit von Plutarchs Schriften bei, wurde jedoch seit der Aufklärung oft als Zeichen mangelnder Seriosität angesehen. Rainer Hirsch-Luipold zeigt, dass Plutarch Bilder und Bildfelder als Teil einer besonderen philosophischen Darstellungsform betrachtet. Die umfassende Struktur des Bildhaften wird durch den griechischen Begriff eikon deutlich, der darstellende Kunst (Statue, Gemälde, Siegelabdruck) und sprachliche Phänomene (Gleichnis, Allegorie, Metapher, Rätselwort) mit einer philosophischen Weltsicht verbindet, die die Welt als Abbild einer höheren göttlichen Realität sieht. Neben der Untersuchung der Rezeption darstellender Kunst und der Terminologie bildhafter Sprache bietet die Arbeit umfangreiche literarische und philosophische Interpretationen der Bildersprache in ausgewählten Schriften. Hirsch-Luipold interpretiert die Bilder als Teil der philosophischen Gedankenführung und beleuchtet die philosophische und religionsgeschichtliche Bedeutung Plutarchs. Zudem wird die religiös gefärbte Bildersprache Plutarchs als pagane Parallele zur entstehenden Gleichnissprache des Neuen Testaments betrachtet.