Der Band dokumentiert die Beiträge der wissenschaftlichen Tagung ‚Konversion in Räumen jüdischer Geschichte‘. Die Beiträge befassen sich mit den vielfältigen Orts-, Blick- und Rollen-Wechseln und untersuchen, was konkrete oder symbolische Formen des Kulturkontakts für einzelne oder ganze Gruppen an Veränderungen mit sich brachten und wie sich diese Verschmelzungen ‚alter‘ und ‚neuer‘ (Stand-)Orte der Konvertiten in ihren jeweiligen Wissens- und Repräsentationsmodi niedergeschlagen haben.
‚Orts-Wechsel‘ sind entscheidend für die Konstitution, Stabilisierung und Veränderung von Wissenswelten. Die Beiträge des Bandes beleuchten diese Aspekte von der europäischen Mittelalter bis zum 21. Jahrhundert und decken ein breites (inter)disziplinäres Spektrum ab, einschließlich Geschichtswissenschaft, Philologien sowie Kunst- und Filmwissenschaften. Anhand der Begriffe ‚Ort‘, ‚Ordnung‘ und ‚Oszillation‘ werden diese Zusammenhänge analysiert. ‚Ort‘ wird sowohl als räumliche Realität als auch als imaginäre Größe betrachtet, während ‚Ordnung‘ als idealtypische Systematisierung von Räumen und Wissensbeständen dient. ‚Oszillation‘ beschreibt die dynamischen Aspekte der Wissensübertragung und -veränderung. Zentrale Fragen betreffen das Verhältnis von Raum und Wissen, Fragmentierung und Isolierung sowie die Wechselwirkungen zwischen Kunst-Orten und künstlichen Orten. Die konkreten Verknüpfungen, die die Beiträge untersuchen, reichen von realen Orten wie dem römischen Nürnberg und dem Trierer Dom bis hin zu fiktiven Räumen im Artus-Roman und anachronistischen Marienerscheinungen auf der Bühne des Weimarer Klassizismus. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Zugriffs- und Deutungsmöglichkeiten auf Wissensbestände stark von der Stabilität und den Veränderungen ortsgebundener Ordnungen abhängen.
Durch die Fokussierung auf die Rolle der deutschen Volkssprache und ihre literarischen Zeugnisse erbringt die Untersuchung neben den fachspezifisch-altgermanistischen Ergebnissen zugleich eine Basis für eine grundsätzliche (Neu-)Bewertung des interkulturellen Verhältnisses von Juden und Christen zwischen 1150 und 1500. Fragmente des Transfers jüdischer Motive und Stoffe in die christliche Literatur des deutschen Mittelalters werden aufgezeigt, die sich als wesentlich zahlreicher und vielfältiger herausstellen, als bisher angenommen, und sich keinesfalls auf eine subliterarische Ebene und die Epoche der frühmittelhochdeutschen Literatur beschränken, sondern sowohl in geistlichen und weltlichen Zusammenhängen, in höfischer und (patrizisch-)städtischer Literatur zu finden sind. Unser Bild der mittelalterlichen deutschsprachigen Literatur wird somit um einen bedeutsamen Aspekt vervollständigt. Zudem wird ein weiterer Beitrag dazu geleistet, das Verhältnis von Juden und Christen, von Judentum und Christentum für das deutsche Mittelalter flächendeckend verstehen zu können.
Der Fokus dieses Bandes liegt auf französischen und deutschen Artusromanen des 13. bis 15. Jahrhunderts und basiert größtenteils auf einer interdisziplinären Tagung am Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrum Trier im September 2011. Die Diskussion über den Gehalt und Charakter von Fiktionalitätsentwürfen im arthurischen Roman ist nicht neu und wurde durch das Postulat geprägt, dass fiktionale literarische Weltentwürfe in der vormodernen volkssprachlichen Dichtung stets an eine wahrnehmbare und göttlich legitimierte Realität gebunden sind. Fiktionalität wird dabei als vermittelte Größe und Wissensraum zweiter Ordnung betrachtet. Die in diesem Band versammelten Aufsätze hingegen erkunden die Möglichkeiten fiktionaler Weltentwürfe jenseits von faktitiver Stringenz und Kohärenz, insbesondere im jüngeren Artusroman. Fiktionale Narration wird als Mittel verstanden, Handlungsräume zu eröffnen, die nicht an außerliterarisches Weltwissen gebunden sind. Damit bereichert der Band die bereits seit längerem geführte Debatte in den mediävistischen Philologien über bislang marginal behandelte Phänomene der Narration innerhalb einer zentralen Gattung der vernakulären Literaturen des europäischen Mittelalters.
An der Schwelle zur Neuzeit spielt der Handwerkerdichter Hans Folz im kulturellen Zentrum Nürnberg eine bedeutende Rolle als Autor und Drucker. Teil seines vielseitigen Oeuvres sind unter anderem mindestens 18 Fastnachtspiele, die zur Zeit an der Universität Trier ediert und kommentiert werden. Die im Band enthaltenen Studien sind im Rahmen dieser Neuausgabe der Nürnberger Fastnachtspiele entstanden. Sie nehmen schwerpunktmäßig vier Werke des Hans Folz in den Blick und beleuchten sie unter strukturellen sowie stoff- und motivgeschichtlichen Aspekten. Besonders nachhaltig wird dabei auch ein Bild von der spezifischen Arbeitsweise des Autors gezeichnet. Daneben enthält der Band eine Edition des Spruchgedichts „Von den zwelff fauln pfaffenknecht“ (Hs 5339a, Germanische Nationalbibliothek Nürnberg) und eine Konkordanz der Neuedition zur noch maßgeblichen Fastnachtspielausgabe Adelbert von Kellers sowie zu weiteren Teileditionen.
Verwandtschaft als Deutungsmuster im »Willehalm« Wolframs von Eschenbach
Der „Willehalm“ (ca. 1210-1220), das zweite große Epos Wolframs von Eschenbach, behandelt den unerbittlichen Krieg zwischen Christen und Muslimen. Der Titelheld, Markgraf Willehalm, kämpft gegen das Heer des Terramêr, der seine Tochter Gîburc zurückgewinnen und das christliche Reich erobern will. Nach einer Niederlage sucht Willehalm am Königshof Unterstützung, um ein neues Heer aufzustellen, das in einer entscheidenden Schlacht die Gegner besiegt, die daraufhin fliehen. Diese Studie beleuchtet das zentrale Motiv der Verwandtschaft, das in der bisherigen Forschung als wichtig, jedoch nicht als entscheidend erkannt wurde. Wolfram nutzt dieses Motiv, um die fiktionale Welt zu gestalten und zu transzendieren. Durch die Ehe Willehalms und Gîburcs sind die verfeindeten Seiten miteinander verwandt. Das Töten des Glaubensgegners wird für einige Figuren, einschließlich des Erzählers, problematisch. Die Dichotomie von religiösem Heil und Verdammnis droht an der Tragik der Erzählung zu zerbrechen. Die Verwandtschaftskrise beeinflusst auch die Beziehungen der Figuren zur Sphäre des Göttlichen und verwischt die transzendente Sonderstellung der Christen. Das Problemfeld der Verwandtschaft wird aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, wobei die Vorstellungen des frühen und hohen Mittelalters mit der Analyse der Verwandtschaftsverhältnisse im Text kontrastiert werden, insbesondere an den fünf wichtigsten Verwandtenfiguren.