Die Einführung richtet sich an Studierende der Skandinavistik, die sich schwerpunktmäßig für die neuskandinavistische Literaturwissenschaft interessieren. Sie verbindet einen gründlichen theoriegeleiteten und problemorientierten Überblick über die wichtigsten aktuellen Methoden der Literatur-, Medien- und Kulturwissenschaft mit einer Vielzahl von Beispielen aus den skandinavischen Literaturen. Durch dieses exemplarische Vorgehen werden zum einen die Theorien und Methoden anschaulich gemacht, zum anderen werden wichtige Themen und Darstellungsformen der skandinavischen Literatur der Neuzeit präsentiert. Dabei wird auch deutlich, dass reflektiertes Lesen literarischer Texte einen privilegierten Zugang zur Kultur, Geschichte und Gesellschaft Skandinaviens eröffnet.
Joachim Schiedermair Livres




Auch wenn Thomasine Gyllembourg einen festen Platz in der dänischen Literaturgeschichtsschreibung einnimmt, kreist die Forschung noch immer um zwei recht vorhersehbare Themenkomplexe. Zum einen sind ihre Texte als paradigmatische Beispiele für die Poetologie eines frühen ›poetischen‹ Realismus interpretiert worden. Zum anderen sind Fragen des weiblichen Schreibens oder gendertheoretische Überlegungen an ihre Texte herangetragen worden. Auch wenn beide Aspekte wichtig sind, präsentiert dieser Band Lektüren, die über diesen Horizont hinausgehen. Die Beiträge zeigen, wie früh sich Gyllembourg in ihren Novellen auf zeit-, ding-, wissens- und medientheoretische Fragestellungen eingelassen hat, die noch heute in den Kulturwissenschaften diskutiert werden. Die Aufsätze belegen somit exemplarisch, über welche Aktualität die Literatur des Biedermeiers verfügt, wenn man sie mit frischen Fragestellungen konfrontiert. Um Gyllembourgs Aktualität zu unterstreichen, enthält dieser Band außerdem eine frühe Übersetzung von Familien Polonius, die Erich Glawe 1909 publiziert hat; so wird eine der wenigen auf Deutsch verfügbaren Texte der dänischen Autorin wieder für ein breiteres Lesepublikum zugänglich.
(V)erklärte Gesichter
- 364pages
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Gottfried Boehm hat 1994 mit dem Begriff »ikonische Differenz« eine phänomenologische Bestimmung des Bilds vorgelegt. Sie besteht darin, dass ein Bild > etwas als etwas anderesjemandetwasetwasjemand<. Das Porträt besitzt damit die Potenz, von der Inkommensurabilität einerseits und der Verdinglichung des Menschen andererseits zu handeln. Es liegt deshalb nahe, dass bildende Künstler, Philosophen und literarische Autoren das Porträt zum Anlass nehmen, den Unterschied von etwas und jemand und die Rolle, die das Erkennen in diesem Unterschied spielt, zu thematisieren. Die vorliegende literaturwissenschaftliche Arbeit untersucht den idealistischen Abschnitt des Porträtdiskurses in seiner dänisch-norwegischen Ausprägung. Neben kanonisierten nordischen Autoren wie Søren Kierkegaard, Thomasine Gyllembourg, Henrik Wergeland oder Camilla Collett werden auch weniger bekannte Texte herangezogen. Dabei liegt der Fokus besonders auf der Frage nach der Porträtpraxis: Wozu dienen die Porträts in den analysierten Texten, was machen sie sagbar und wie strukturieren sie den Weltzugang?
Die Rache des toten Autors
- 320pages
- 12 heures de lecture
1968 veröffentlichte Roland Barthes den einflußreichen Essay »La mort de l‘auteur«. Der Erfolg dieses kurzen Textes bestand vor allem darin, daß sein Titel ein Schlagwort lieferte, mit dem die unterschiedlichen Ansätze des Poststrukturalismus ihre gemeinsame theoretische Basis publikumswirksam benennen konnten: daß nämlich die Sprache dem Sprecher vorausgeht, womit sich die Sinnproduktion aus der Verantwortung des sprechenden Subjekts auf außerpersonale Mechanismen verlagert. In der Literaturwissenschaft wird diese These erst dann voll ausgeschöpft, wenn man nicht nur mit Hilfe der poststrukturalen Theorie nach Aporien in literarischen Texten sucht, sondern wenn das Schlagwort vom toten Autor auf die Produzenten der theoretischen Texte ausgeweitet wird. Damit treffen sich theoretischer und literarischer Text auf einer Stufe. So wie traditionell die Theorie bestimmte, wie man Literatur zu lesen halte, so müßte jetzt konsequenterweise der Literatur die Möglichkeit eingeräumt werden, die Theorie zu deuten. Dieser Problemstellung und der Konsequenz für den Poststrukturalismus wird in drei gegenseitigen Lektüren nachgegangen.