Wie kann unser heutiges säkulares Denken jüdische Traditionen aufgreifen und fruchtbar machen? So könnte die Leitfrage formuliert werden, die das Lebenswerk von Stéphane Mosès, dem Begründer und ersten Leiter des Franz-Rosenzweig Forschungszentrums für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte, antreibt und strukturiert. Im Spannungsfeld zwischen westeuropäischer Kultur, jüdischer Tradition und jüdischer Zukunft wird die kritische Lektüre religiöser und mystischer Texte ebenso bedeutsam wie die Auseinandersetzung mit modernen literarischen Texten, die dem Aufspüren und Entziffern dieser Tradition Ausdruck verliehen.
Jens Mattern Livres





Der Sammelband 'Einbruch der Wirklichkeit' nimmt die Realität der Moderne im Rahmen der Dialektik von Säkularisierung und Entsäkularisierung in den Blick und stellt zwei grundsätzliche Fragen: zum einen, ob von einer Konsistenz und einem eigenen Wesen der Moderne zu sprechen ist, also welche Realität der Moderne selber zuzuschreiben ist; und zum anderen, welches neue Verständnis von Realität die Moderne selbst hervorgebracht hat. Diesen und anderen Fragen wird in einer Reihe von Untersuchungen nachgegangen, die das Phänomen der Säkularisierung und Entsäkularisierung in Philosophie, Literatur und Kulturgeschichte allgemein reflektieren, vor allem aber an konkreten Situationen und Texten hervortreten lassen.
Das Denken des französischen Hermeneutikers Paul Ricœur (1913-2005) trägt Spuren der Auseinandersetzung mit allen wesentlichen Denkbewegungen des 20. Jahrhunderts und ist doch ganz eigenständig. In dieser Einführung arbeitet Jens Mattern den systematischen Kerngedanken Ricœurs heraus, der diese Eigenständigkeit begründet: das dialektische Verhältnis von Zugehörigkeit und Distanz, das unsere Stellung in der Welt charakterisiert. Neben der kreativen, die Welt und uns selbst unaufhörlich neu erschaffenden Dimension der Sprache tritt dabei die Hermeneutik des Selbst als grundlegendes Thema Ricoeurs zutage.
Zwischen kultureller Symbolik und allgemeiner Wahrheit
Paul Ricoeur interkulturell gelesen
- 153pages
- 6 heures de lecture
Das Buch Zwischen kultureller Symbolik und allgemeiner Wahrheit. Paul Ricœur interkulturell gelesen stellt eine Deutung des französischen Philosophen vor, für die das Zwischen in seinem Titel bestimmende Bedeutung hat: Mattern liest Ricœur als einen Denker des Zwischen, der die Grundlagen für eine interkulturelle Transformation der Philosophie entwickelt, die trotz der Anerkennung einer Verankerung des philosophischen Diskurses in einer nicht-philosophischen kulturellen Symbolik dessen klassischen Anspruch auf eine allgemeine Wahrheit bewahrt. Gewinnt Ricœurs Denken seine besondere Dynamik aus der Spannung zwischen kontingenter kultureller Situiertheit und geforderter, aber nie ganz einzulösender Universalität, dann bietet dieses genuin philosophische Zwischen zugleich das Zwischen - oder den „ortlosen Ort“ - einer interkulturellen Auseinandersetzung in philosophischer Perspektive. Zum Autoren: Dr. Jens Mattern, geboren 1964, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Franz-Rosenzweig-Research-Centers der Hebräischen Universität zu Jerusalem und des SFB „Erinnerungskulturen“ der Universität Gießen. Als seine zentralen Forschungsgebiete sind neben der Tradition des jüdischen Denkens v. a. die französische Gegenwartsphilosophie und die Hermeneutik hervorzuheben. Thematisch richtet sich seine Forschung insbesondere auf das Verhältnis von Politik und Religion unter Bedingungen der Moderne.
Abgrund der Erinnerung
- 187pages
- 7 heures de lecture
Der Band untersucht, ob im einheitsstiftenden 'kulturellen Gedächtnis' auch 'Gegengedächtnisse' existieren, die auf das Andere der Kultur verweisen. In den letzten Jahren sind 'Gedächtnis' und 'Erinnerung' zentrale Begriffe der Kulturwissenschaften geworden, wobei das 'Kulturelle Gedächtnis' (Jan Assmann) besondere Bedeutung erlangte. Der Begriff impliziert eine Tendenz zu Einheit und Konsens, während die Idee pluraler 'Erinnerungskulturen' die interkulturellen Erinnerungsprozesse innerhalb des kulturellen Gedächtnisses anerkennt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Gedächtnis und Erinnerung vollständig in der Kultur aufgehen. Kulturelle Identität bewegt sich zwischen stabilisierenden kulturellen Erinnerungen und oft verdrängten Gegen-Erinnerungen, die diese sprengen. Wie kann ein Gedächtnis gedacht werden, das subversiv gegenüber dem Kulturellen ist? Der von Foucault aufgenommene Begriff des 'Gegen-Gedächtnisses' zeigt diese Subversion auf und kehrt die identitätstragende Bedeutung von Gedächtnis und Erinnerung in einen Abgrund ohne Halt. Das 'Gegen-Gedächtnis' könnte die 'Erinnerungskulturen' in Richtung des Anderen der Kultur durchbrechen. Beiträge von Moshe Zimmermann, Gabriel Motzkin, Claude Stuczynski, Bernhard Greiner, Jeffrey Barash u. a. ergänzen diese Diskussion.