Stefan Willer Livres





Wenn man vom Erbe spricht, kann die Erbschaft gemeint sein, der tradierte Kanon von Kulturgütern oder die biologische Vererbung. In allen Fällen geht es um Übertragungen von Generation zu Generation, bei denen Kontinuität und Veränderung in einem spannungsvollen Verhältnis stehen. Die Kapitel des Buches untersuchen wichtige Stationen der Kultur-, Rechts-, Religions- und Wissensgeschichte des Erbes vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Im Zentrum steht die Zäsur zwischen Vormoderne und Moderne. Damit erhält das aktuelle Interesse am Erbe eine historische Tiefenschärfe: Welche Verwandtschaftsmodelle liegen dem modernen Erbrecht zugrunde? Warum meint man, dass zukünftige Generationen an dem interessiert sein werden, was jeweils als kulturelles Erbe definiert wird? Und wie ist angesichts neuer Entwicklungen der Epigenetik der kulturelle Anteil an der biologischen Vererbung zu bestimmen?
Erbfälle
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Das Erbe ist ein unabdingbares und zugleich unabgegoltenes Problem der Moderne. Stefan Willer untersucht die Wissensgeschichte moderner Erbekonzepte zwischen Recht, Biologie und Kultur und rekonstruiert einzelne literarhistorische Erbfälle zwischen 1889 und 1949. Erbe und Moderne - diese Verknüpfung ist so naheliegend wie widersprüchlich. Naheliegend ist sie mit Blick auf die neuere Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, handelt es sich doch beim Erbe um einen Schlüsselbegriff zur Bestimmung von Eigentum, Eigenschaften und Eigenheiten im Spannungsfeld von Recht, Biologie und Politik. Widersprüchlich erscheint die Konjunktion zwischen Erbe und Moderne hingegen angesichts der Tendenzen zur Bewahrung, Stabilisierung und Kontinuitätsstiftung, die immer dort ins Spiel kommen, wo etwas bereits Bestehendes aus der Vergangenheit in die Zukunft transferiert werden soll.
Poetik der Etymologie
Texturen sprachlichen Wissens in der Romantik
Der Wunsch, einem Wort auf den Grund zu gehen, steht vor dem Paradox, dass der Grund immer nur in weiteren Wörtern besteht. Die romantische Etymologie als Sprachdenken der Wörtlichkeit und Ähnlichkeit sucht nicht, dieses Paradox aufzulösen, sondern erforscht seine spekulativen und poetologischen Möglichkeiten. Stefan Willers Studie betrachtet nicht die Vorgeschichte einer sprachwissenschaftlichen Subdisziplin, sondern eine historische Poetik sprachlichen Wissens. Etymologie wird seit den Anfängen abendländischen Sprachdenkens als Praxis im Umgang mit Wörtern verstanden, die Theorien über Ursprung und Geschichte der Sprache performiert. Dies führt zu einem grundlegenden Widerspruch zwischen dem reduktionistischen Begriff der Etymologie als Rückkehr zu einem Wahren und ihren kombinatorischen Verfahren. Selbst moderne Linguistik und Sprachphilosophie stoßen auf diesen Widerspruch. Willer untersucht die romantische Etymologie und differenziert die These vom Epochenbruch um 1800, als der historisch-strukturelle Vergleich in die Sprachbetrachtung eintrat. Der Zuwachs an empirischem Wissen über Sprachen begünstigt das spekulative Potenzial des Sprachdenkens und führt zu einem programmatischen Konstruktivismus. Dies gilt für mehrsprachige Etymologien von J. A. Kanne sowie für Rückerts Erkundungen des Deutschen. Auch zeitgenössische Gedichte und Erzählungen zeigen, dass Etymologie entscheidend an der Poetik des literarischen Textes der