Monika Melchert Livres






Vierzehn Jahre hatte die Schriftstellerin Anna Seghers im Exil verbracht. Im Frühjahr 1947 kehrte sie nach Berlin zurück, eine Unbekannte, von deren Welterfolg Das siebte Kreuz hier niemand wusste. Sie kam nicht nur in ein zerstörtes Land, sie kam, wie sie fand, auch in ein fremdes Land. Und sie war ganz allein, der Mann noch in Mexico City, die beiden Kinder in Paris. Sie fühle sich, schrieb sie an Freunde in aller Welt, wie in die Eiszeit geraten, so kalt undversteinert komme ihr alles vor. Wärme spendeten nur die Gefährten: Helene Weigel und Bertolt Brecht, die Schauspielerin Steffie Spira, die Schriftstellerfreunde Jeanne und Kurt Stern und Berta Waterstradt. Und Halt gab auch die Arbeit, der mühsame und manchmal verzweifelte Kampf gegen die Verheerungen in den Köpfen apathischer Menschen. Die Autorin, profunde Kennerin von Leben und Werk der Seghers, erzählt von den ersten Jahren, die Anna Seghers wieder auf deutschem Boden verbrachte, ihren Plänen, Wünschen, Sehnsüchten, dem Misstrauen, das sie umgab, den Irritationen,Ängsten und den Hoffnungen, an denen sie trotz allem festhielt.
Die Flucht aus dem von Hitlers Truppen besetzten Frankreich gelang in letzter Minute. Ende Juni 1941 erreichte Anna Seghers mit ihrer Familie nach langer, hindernisreicher Schiffsreise Mexiko. Hier, in ihrem zweiten Exilland, hat sie ihren größten literarischen Erfolg errungen, die Veröffentlichung des Romans Das siebte Kreuz, hier erlitt sie aber auch den tiefsten Schmerz, als sie erfuhr, dass ihre Mutter deportiert und ermordet worden war. Dazu kam ein beinah tödlicher Unfall, der ihr viel Kraft raubte und sie für Monate aufs Krankenlager warf. Die Ankunft in der Neuen Welt sicherte Anna Seghers und vielen ihrer engen Freunde das Überleben und brachte ihnen die Begegnung mit einer für sie gänzlich neuen Kultur, einer farbenfrohen und temperamentvollen tropischen Welt. Mexiko, dessen Wappensymbole Adler, Schlange und Kaktus sind, hatte zahllosen Emigranten großzügig seine Tore geöffnet und ihnen uneingeschränkte Möglichkeiten gegeben, ihre berufliche, ihre künstlerische Arbeit fortzusetzen. In Mexiko beendete Anna Seghers ihren weltberühmten Roman Transit und schrieb die wunderbare Erzählung Der Ausflug der toten Mädchen. Auch später, als sie längst wieder in Berlin lebte, kehrte sie in ihren Erzählungen gedanklich immer wieder nach Mexiko zurück.
Mit tänzerischer Anmut zeichnet Monika Melchert ein überraschendes Porträt der großen Schriftstellerin, die 1933 mit Mann und Kindern vor den Nazis nach Frankreich fliehen musste. Sie erzählt, wie Anna Seghers unter wachsender Bedrohung ein Schreiben entfaltet, in dem sie Politik und Poesie auf einzigartige Weise verbindet. Wie sie für die Familie sorgt, sich gegen den wachsenden Faschismus zur Wehr setzt und schließlich in Marseille ihren berühmten Roman „Transit“ beginnt. Mit Zeichnungen der jungen Künstlerin Luna Al-Mousli, die selbst Erfahrungen mit dem Exil hat.
Abschied im Adlon
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Eine turbulente und aufwühlende Ehegeschichte: Im Berliner Hotel „Adlon“ trennen sich im November 1927 Thea und Carl Sternheim, die füreinander die Welt bedeuten. Carl Sternheim (1878–1942), ein bedeutender Theaterautor des frühen 20. Jahrhunderts, ist ein großer Künstler und egozentrischer Ehemann, der einen großbürgerlichen Lebensstil pflegt. Seine Werke, darunter der Komödienzyklus Aus dem bürgerlichen Heldenleben, haben Theatergeschichte geschrieben. Thea Sternheim (1883–1971), zwanzig Jahre mit ihm verheiratet, tritt spät mit ihrem einzigen Roman Sackgassen als Autorin hervor und führt über sechs Jahrzehnte Tagebuch. Ihr fast 34.000 Seiten umfassendes Kompendium behandelt Kunst, die Katastrophen des Zeitalters und ihre Ehe. Besonders interessant sind ihre Freundschaften mit bedeutenden Künstlern und Schriftstellern wie Walther Rathenau und André Gide. Thea, empfindsam und hellwach, verlässt Deutschland, noch ehe die Nazis an die Macht kommen, und lebt lange in Paris und zuletzt in Basel. Carl hingegen erlebt nach der Scheidung einen Abstieg, heiratet von 1930 bis 1934 Pamela Wedekind und lebt bis zu seinem Tod 1942 in Belgien, während seine Werke im nationalsozialistischen Deutschland verboten werden. Die Schicksale ihrer Kinder, besonders die Tragödie der Tochter, die als Résistance-Kurierin verhaftet wird, und des Sohnes, der 1946 in Mexiko stirbt, verstärken die Tragik dieser Familie.
Das Werk Max Frischs, der am 15. Mai 2011 seinen 100. Geburtstag feierte, ist ein faszinierendes Universum voller Geschichten – atemberaubend, verblüffend, bizarr und äußerst unterhaltsam. Frisch betont, dass Geschichten nicht das Leben sind und man sein Leben nicht erzählen kann. Dennoch ist der Gewinn, den man aus seinen epischen und dramatischen Erzählungen zieht, enorm. Er reflektiert immer wieder darüber, wie der Einzelne in der modernen Gesellschaft leben kann, ohne das eigene Ich und die Übereinstimmung mit sich selbst zu verlieren. Obwohl er meint, es sei nicht die Zeit für Ich-Geschichten, vollzieht sich das menschliche Leben am einzelnen Ich. In seinen Werken finden wir großartige Menschheitsgeschichten, die grundlegende Muster menschlichen Verhaltens darstellen und uns berühren. Figuren wie Walter Faber, Stiller oder der Mann, der seiner eigenen Beerdigung in Zürich beiwohnt, bieten Orientierung in einer zunehmend komplexen Welt. Frischs Schaffen umfasst Dramen, Romane, Erzählungen, Filmscripts und Essays. Er gesteht, dass ihm das Schreiben leichter fällt als das Leben selbst, und sieht darin einen Rettungsanker, um in dieser Zeit nicht unterzugehen. Seine Literatur bleibt stets eine Mischung aus autobiografischer Erfahrung und biographischer Fiktion.
Die Berliner Autorin Monika Melchert präsentiert in diesem Buch eine Sammlung der schönsten Szenen aus dem Werk von Christa Wolf anlässlich ihres 80. Geburtstags. Die Erzählungen beginnen mit Kassandra, die als Kriegsbeute des Königs Agamemnon vor dem Löwentor von Mykene sitzt und auf ihren Tod wartet. Ihre Gedanken und Gefühle in dieser letzten Nacht spiegeln die Konflikte wider, die auch die heutigen Frauen betreffen. Weitere Figuren sind das Mädchen Rita, das unter einem „Geteilten Himmel“ ihren Geliebten verliert, die lebensfrohe Christa T., die sterben muss, und die Erzählerin aus „Kindheitsmuster“, die einst Nelly Jordan war. Auch die Schriftstellerin Ellen aus „Sommerstück“ und die Dichterin Karoline von Günderrode, die mit Kleist am Rhein wandert, finden ihren Platz. Zudem wird die junge Wissenschaftlerin thematisiert, die sich in einem Selbstversuch in einen Mann verwandelt, sowie Medea, die in Korinth der Zauberei beschuldigt wird. Diese Szenen laden zu einer inspirierenden Entdeckungsreise durch Wolfs Werk ein und bringen vergessene Kostbarkeiten aus ihren Erzählungen, Romanen und Essays ans Licht. Melchert, Germanistin und Autorin, hat über Christa Wolf und Max Frisch promoviert und ist Herausgeberin der Buchreihe „Spurensuche. Vergessene Autorinnen wiederentdeckt“.
