Anke Bethmann Livres



In der Zeit des Vormärz hatte das deutsche Bürgertum große Erwartungen an die Erfüllung seiner Forderung nach Pressefreiheit geknüpft. Der freie, vernunftgeleitete Diskurs der Meinungen und Weltanschauungen im öffentlichen Raum sollte ein anderes, besseres Deutschland gewährleisten. Mit der Aufhebung der Zensur im März 1848 ging folgerichtig eine Blütezeit der Presse einher, wie sie Deutschland noch nicht erlebt hatte. Schon bald erwies sich die Sphäre der politischen Öffentlichkeit jedoch als Arena, in der die Auseinandersetzungen zwischen grundsätzlich verschiedenen Weltanschauungen gegeneinander geführt wurden - im Widerspruch zum aufklärerischen Ideal vom gemeinsamen Streben nach derreinen Wahrheit und Vernunft. Anhand der Debatte um die konkrete Ausgestaltung der deutschen Einheit und der staatsbürgerlichen Freiheit in der Publizistik des Königreichs Hannover untersucht die vorliegende Studie das Aufbrechen der unterschiedlichen politischen Lager als Folge der Märzrevolution.
Vordergründig ist die deutsche Revolution von 1848/49 gescheitert. Überall setzte innerhalb weniger Monate die Reaktion ein, die freiheitlichen Verfassungen – soweit sie überhaupt ins Leben getreten waren – wurden beseitigt, die vormärzlichen Herrschaftsstrukturen lebten nahezu unverändert fort. Die Gesellschaft war aber in Bewegung geraten, das politische Bewußtsein der Menschen ließ sich nicht mehr auf den vorrevolutionären Stand zurücksetzen. Das Königreich Hannover repräsentiert im Gegensatz zu besser erforschten Staaten wie Preußen oder Baden weit eher den eigentlichen Charakter dieser Revolution. Der raisonnierende Bürger und die für materielle Besserstellung streitende Landbevölkerung waren wesentlich typischer als der Barrikadenkämpfer.