Überraschend und geheimnisvoll ist alles in diesem Roman über die Malerin Ottilie Reylaender, die 1882 in Wesselburen geboren wird, als Sechzehnjährige in Worpswede, zusammen mit Paula Becker und Clara Westhoff, das Malen lernt und Rainer Maria Rilke trifft. Sehr eigenständig sind ihre frühen Bilder, voller Mut und Ausgelassenheit, wenn auch geprägt von dem melancholischen Grundton der Landschaft des Teufelsmoors. Doch schon bald macht sich Tila auf den Weg, geht nach Paris, München und Rom und wandert schließlich, einer Liebe wegen, 1910 nach Mexiko aus. Mit dem polnischen Glasmaler Bogdan von Suchocki durchstreift sie das Land, die Hochebenen und Städte und entdeckt das andere Licht, ihre Farben. Eine wunderbare Reise durch ein Labyrinth voller Lust und Aufmerksamkeit. Heiner Egge nähert sich dem abenteuerlichen Lebensweg dieser Frau auf seine Art und Weise: als Spurensucher und Fährtenleser, als Entdecker einer Malerin, die auch heute noch jung und gegenwärtig ist.
Texte und Materialien zu Arno Schmidts "Die Schule der Atheisten"
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Der Titel dieses Text- und Materialbandes zur "Novellen=Comödie" Die Schule der Atheisten deutet mit der Nennung des Ortsnamens bereits an, wohin die Reise geht: nach "Tellingstedt", dem fiktiven Ort der Rahmenhandlung von Arno Schmidts Roman aus dem Jahr 1972. Warum Schmidt die Geestgemeinde im nördlichen Dithmarschen als zentralen Handlungsort wählte, kann letztlich wohl nicht geklärt werden, auch wir sind auf Mutmaßungen angewiesen. Schon den zeitgenössischen Lesern, etwa Schmidts damaligem Bekannten und Förderer Wilhelm Michels, war dies rätselhaft geblieben. "Am Fuße des 7. Oktober" - so setzt das Romangeschehen ein, das im Jahr 2014 spielt; passend dazu fand im realen Tellingstedt in der Nacht zum 7. Oktober 2014 der Auftakt zu einer Veranstaltungswoche rund um besagten 'Zukunftsroman' statt. Denjenigen, die damals nicht nach Tellingstedt kommen konnten, und allen anderen bietet dieser Sammelband jetzt die Möglichkeit, sich gründlich und ausführlich über den Ort und die Geschichte seiner Beziehung zu Arno Schmidt und dessen "Novellen=Comödie" zu informieren. Schmidt war zweimal in Tellingstedt, 1963 und 1969. Das erste Mal vermutlich eher zufällig, das zweite Mal gezielt. Vom ersten Besuch in Schleswig-Holstein berichtet er selbst in seinen Tagebuchnotizen, die zweite Recherche-Reise wird in den Tagebuchaufzeichnungen seiner Frau Alice dokumentiert. Erstmals werden in diesem Band auch die Fotos veröffentlicht, die Schmidt 1969 aus Tellingstedt mitbrachte - 18 an der Zahl. Die Fotos und Aufzeichnungen von Arno und Alice Schmidt bilden den Auftakt zu einer bunten Mischung unterschiedlicher Texte und Materialien - darunter Altbekanntes aus der Schmidt-Forschung, neu Aufgelegtes, Bewahrenswertes, aber auch Entlegenes, Überraschendes, möglicherweise sogar Abseitiges. Literaturwissenschaftliche Untersuchungen stehen neben erzählerischen Annäherungen, Hochdeutsches neben Plattdeutschem. Zu Wort kommen Literaturwissenschaftler ebenso wie interessierte Schmidt-Leser und -Leserinnen. Auffällig ist der hohe Anteil an Stimmen aus Tellingstedt selbst. Mit Heiner Egge ist zudem ein Schriftsteller aus der Region vertreten, der sich in eigenen Texten und Vorträgen über die letzten Jahre und Jahrzehnte hinweg immer wieder mit Arno Schmidt und Tellingstedt auseinandergesetzt hat. Ebenfalls aus der Region stammen Patrick Goeser (Buchhändler, Musiker und Nachtwächter aus Rendsburg), Anne-Marga Sprick (Autorin aus Bargenstedt), sowie Jens Rusch (Brunsbütteler Künstler und Dithmarscher Kulturpreisträger von 1990), dessen Illustrationen zur Schule der Atheisten hier in einer repräsentativen Auswahl erstmals in Buchform veröffentlicht werden. Dass auch Texte aufgenommen wurden, die in plattdeutscher Sprache abgefasst sind, ist vor allem dem Erneuerer der niederdeutschen Literatur Klaus Groth (1819-1899) zu verdanken, denn er verbrachte als Kind regelmäßig seine Ferien in Tellingstedt und bezeichnet den Ort in seinen Werken mehrfach als sein "Jungsparadies". Bevor Tellingstedt von Schmidt auf der literarischen Landkarte eingeschrieben wurde, hatte der Ort also bereits durch Groths Gedichtsammlung Quickborn und seine "Vertelln" in Dithmarscher Platt in literarisch interessierten Kreisen gewisse Bedeutung erlangt. Die Beiträge dieses Bandes verfolgen nicht nur literaturwissenschaftliche Ziele, sondern wollen vor allem auch Lust am Betreten des Schriftraums der Schule der Atheisten machen und dazu anregen - wie Rolf Vollmann es 1987 getan und in seinem Beitrag geschildert hat - selbst zu einer Expedition nach Tellingstedt und in die Eiderregion aufzubrechen. Das Buch hat den Charakter eines Lese-, Blätter- und Bilderbuches: Außer Texten werden u. a. Fotos, Zeichnungen, Illustrationen und Tabellen präsentiert, von denen nicht nur Schmidt-Experten, sondern auch neugierige Laien und Menschen mit Bezug zur Region angesprochen werden sollen. Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber Tagebuchnotizen und Fotos von Arno und Alice Schmidt Aus Arno Schmidts Tagebuch vom 3. 5. Juni 1963 Aus Alice Schmidts Tagebuch vom 23./24. Juni 1969 Fotos von Arno und Alice Schmidt vom 23./24. Juni 1969 Annäherungen an Tellingstedt und die Eiderregion Heiko Thomsen: »Wie? : ausgerechnet zu Uns, nach Tellingstedt!?« Ulf Meislahn: Ein Rundgang ist ein Rundgang ist ein Rundgang Heiko Thomsen: Fotograf? Allerdings! Michael Stindt: Das Wetter in Tellingstedt am 23. und 24. Juni 1969 Heiko Thomsen: »Zu Arnos Entsetzen eine Frühstückstafel« Heiner Egge: Das fast vergessene Geschenk Rolf Vollmann: Expedition eideraufwärts Heiner Egge: Hinterm Mond, sowieso Zur Schule der Atheisten Thomas Krömmelbein ( ) / Martin Lowsky: Ein spannendes Ungetym Martin Lowsky: Bilder und Buchstaben Björn Engholm: Ausstellung zum 100. Geburtstag Arno Schmidts, 18. Januar 2014 Ulrich Klappstein: Nocturnische Maskenspiele in Krähwinkel & anderswo Heiko Thomsen: Nordwind mit Salzgewölk Patrick Goeser: Über Fanø oder Hat Arno Schmidt NICHT immer recht? Joost Hinrichs: für Gönner der VerlesKunst Zeitleiste zur Schule der Atheisten Arno Schmidt & Dichterkollegen Heiko Thomsen: »Un Häi danzt gans alleen« Friedhelm Rathjen: »Nicht unleicht imprägniert mit STORM« Ulrich Klappstein: »... mit den Augen des hochgezüchteten Literasten« Einblicke in ein Geestdorf Sted Telling: Radiogeschichten Ulf Meislahn: Tellingstedter Töpferei Klaus Groth: Ausschnitte aus Min Jungsparadies Klaus Groth: Gedichte aus dem Quickborn Heiner Egge: Bild aus Des Dichters Elstern Heiner Egge: Als Arno Schmidt mit Klaus Groth auf Comödie ging Anne-Marga Sprick: De Heirootsball in Düütschen Hoff Die Arno-Schmidt-Rezeption in Tellingstedt Karsten Jasper: Bürgermeisterbrief zum Projekt von Jens Rusch Martin Lowsky: Weltliteratur an der Eider. Arno Schmidt in Tellingstedt Elko Laubeck: Minutiöser Naturalismus & Collage-Technik Jens Rusch: Ausstellung »Kolderup s Tellingstedt« Friedhelm Rathjen: MESSEN WILL UNSINN Jens Rusch: Nachricht aus der Lä/Endlichkeit Andreas Amberg: Die Arno-Schmidt-Woche in Tellingstedt Patrick Goeser: »Am Fuße des 7. Oktober« Begrüßungsrede Andreas Rohlfs: Nächtliche Unruhe Eine Gedenktafel für Arno Schmidt Patrick Goeser: Rede zur Anbringung der Gedenktafel Heiner Egge: Die stehengebliebene Zeit im Reservat Tellingstedt Antje Arens: »Irgendwie kriegen wir das schon hin!« Anhang Chronik Presseschau Auswahlbibliografie Motti und Abbildungen Autorinnen und Autoren
Die Lebensreise des Komponisten Gustav Jenner. Roman
Ein Komponist ist wiederzuentdecken, 1865 in Keitum auf Sylt geboren. Als Gustav Jenner dort zur Welt kam, machte sich Sylt gerade auf, ein Nordseebad zu werden. Jenners Vater, ein dunkler schwieriger Mensch mit einem Geheimnis, brachte ihm die Musik nahe. Rasche Ortswechsel prägen Gustavs Jugend. 1880 findet er sich an der Kieler Gelehrtenschule wieder. Dort drückt er die Schulbank zusammen mit den Söhnen des Dichters Klaus Groth, der schon bald sein Mentor wird und einen Kontakt zu Johannes Brahms herstellt. 1888 trifft Jenner in Wien ein und wird Schüler vom großen Brahms. Der einzige Kompositionsschüler, den dieser je gehabt hat. Und Jenner komponiert, schreibt Lieder, Terzette für dreistimmigen Frauenchor und Klavier, Quartette für Sopran, Alt, Tenor und Bass, dazu Sonaten, Streichquartette, Balladen, einen Puppenball für Klavier zu vier Händen. Hundert Jahre später begibt sich der Schriftsteller Heiner Egge in seinem Roman auf die Spur des heute fast vergessenen Komponisten. Von Keitum nach Wien und Marburg und zurück, denn die Erinnerung an das Meer hat sich in Jenners Musik für immer bewahrt.
Die Frauen und das Meer. Keine knorrigen Fahrensmänner, keine befehlsgewohnten Kapitäne, keine Matrosen und harte Fischer und Seehundsjäger spielen die Hauptrollen in Heiner Egges neuen Erzählungen. Nein, der Autor lässt sich zu anderen Ufern treiben: Er gibt einer Vogelwartin Raum und Auszeit auf einer entlegenen Insel, besucht in Kampen jene Tänzerin mit der Igelfrisur und dem Herzen als Rettungsring, er sitzt im Kaffeehaus am libyschen Meer und lässt sich von einer minoischen Königin berichten. Er kennt Gesche, das Fischermädchen auf der Suche nach dem Vater, der abschiedslos ging. Am baltischen Meer kommen Zwei zueinander, eine Malerin und ihr Angehimmelter. In der letzten und längsten Erzählung dieses Buches aber geht eine Kadettin über Bord. Der eigentliche Taktgeber in diesen Geschichten ist immer das Meer, auch wenn es noch so unbeteiligt tut. Es rauscht, liegt mondscheinstill da, es singt und ist unglaublich tief, ist weder gut noch böse, es rollt heran, überschlägt sich, tobt, und unter den Wolken sitzt der Wind.
Das Meer, die Wüste und der Himmel spielen Hauptrollen in diesem Roman. Die Protagonistinnen sind zwei Frauen. Marie entzieht sich allem, dem Nachhausekommen, dem Leben, das auf sie warten könnte. Evelin ist immer in Maries Nähe, wenn es darauf ankommt. Und es kommt in diesem Roman darauf an, denn er beginnt mit Maries Überbordgehen, mit einer Szene, die an die Kadettin erinnern möchte, die vor 15 Jahren von Bord der »Gorch Fock« fiel. Marie überlebt, sie ist eine gute Schwimmerin. Und sie verlässt Norddeutschland. Überbordgeherin, gute Schwimmerin, bleibt sie in Kontakt mit Evelin, der Fliegerin. Das Wasser und der Himmel, das Meer und die Wüste, die beiden Frauen. Sie alle sind Hauptfiguren dieses großen Romans von Heiner Egge, der zwischen Meer und Wüste spielt. »Dieser Romanstoff begleitet mich seit über zehn Jahren, seit dem Vorfall auf der ›Gorch Fock‹. Ich habe alles neu erfunden, es der Wirklichkeit entzogen, vieles gewagt und nun endlich das letzte Wort geschrieben.«
Im Herbst 1876 reiste Klaus Groth mit seiner lungenkranken Frau Doris nach Mentone an die französische Riviera. Von diesem Winter in der Sonne des Südens erhofften sie sich Heilung, neuen Lebensmut. Es wurde aber, inmitten der Zitronen, ein kalter Winter. Dennoch gaben sie nicht auf, Doris und Klaus. Der Schriftsteller Heiner Egge nähert sich diesem Liebespaar auf eigene Weise: Er reist mit seiner Frau nach Mentone, stellt alles noch einmal nach. Aus diesem Wechselspiel zwischen dem heutigen Erzähler und dem damaligen Geschehen entwickelt sich die Spannung des Romans. Klaus Groth unter Palmen? Ein neuer Blick auf den alten Dichter. Federführend aber wird immer mehr Doris Groth; sie schreibt es in ihr Tagebuch, in die Briefe an ihre Kinder. Sie war sein Sommer, er ihr Winter. Das Ende der Geschichte ist kein Ende. Leevde vergeiht ni. Man hat schließlich nicht nur ein Leben. Klaus Groth, da oben auf seinem plattdeutschen Olymp, ist nur schwer zu fassen. Oft an sich zweifelnd, verletzlich und melancholisch, blieb er aber immer ein großer Liebender. Den Menschen zugetan. Die Briefe an die Braut zeugen davon, ebenso die hochdeutschen Gedichte, die er seiner Frau widmete. Egge hat in der umfangreichen Groth-Literatur ein neues Kapitel aufgeschlagen, eine Brücke über die Zeit gebaut. Er holt uns das Ferne ganz nahe heran: Klaus und Doris, zitternd und bangend inmitten ihres Glücks und Unglücks.
Heiner Egge, der in den letzten Jahren sieben Romane veröffentlichte, ist zur kleinen Form zurückgekehrt, denn die liegt ihm besonders. Lauter Liebesgeschichten sind es geworden, Skizzen, Momentaufnahmen: Ein Paar erscheint auf der Bildfläche. Und liebt sich. Liebt sich nicht. Ein Mann, ewig auf der Suche. Eine Frau, die Zeit hat. Kein Blick durchs Schlüsselloch, aber zuweilen ein Blick in verbotene Räume, ein heimliches Auge. Liebe kann so absurd sein, so weltenfern, und nur in der Erinnerung stattfinden. Und, natürlich, die wahre Liebe kann warten. Die Geschichten nehmen fast immer eine überraschende Wendung – das Unerwartete geschieht. Heiner Egge ist ein Erzähler mit einer sehr eigenen Phantasie. Diese sechzig ausgewählten Geschichten sind voller Poesie und Zärtlichkeit und laden ein zu einem Ritt nicht nur der erotischen Art.