Josef Schmee Livres






Der vorliegende Band der Reihe „Stadtpunkte“ der kommunalpolitischen Abteilung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien dient als „Reader“ zu langfristigen Wandlungsprozessen und aktuellen Herausforderungen der Wiener Stadtwirtschaft. Das Wirtschaftsgefüge europäischer Großstädte verändert sich rasch durch fortschreitende Globalisierung, was in Europa zu einer stärkeren regionalen Spezialisierung führt. In den Städten konzentrieren sich Aktivitäten, bei denen die räumliche Nähe wirtschaftlicher Akteure und hochwertiges Humankapital entscheidend sind. Im Gegensatz dazu wandern kostensensitive Aktivitäten an die europäische Peripherie. Städtische Strukturen in hochentwickelten Industriestaaten ohne besondere Skill-Intensität verlieren zunehmend im Standortwettbewerb um kapital- und arbeitskostenintensive Produktionen. Der interdisziplinäre Ansatz untersucht die Entwicklung der Wiener Stadtwirtschaft und zielt auf eine komplexe Analyse des Ist-Zustandes ab. Dieser „Reader“ richtet sich an Betriebsräte und Funktionäre, die sich institutionell mit der Wiener Stadtwirtschaft auseinandersetzen. Der Herausgeber dankt den Autoren für ihre fundierten Analysen, die zur Entstehung dieser Untersuchung maßgeblich beigetragen haben.
Die Beiträge dieses Sammelbandes befassen sich mit der Entwicklung des Dienstleistungssektors der Wiener Stadtwirtschaft in den letzten drei Jahrzehnten. Seit Anfang der neunziger Jahre sind die Beschäftigungstendenzen in den tertiären Branchen der österreichischen Bundeshauptstadt sehr uneinheitlich. Dienstleistungsbranchen mit sehr hohen Steigerungsraten stehen nun Branchen mit mittelfristig rückläufiger Tendenz gegenüber. Die Arbeitslosenquote Wiens war in den letzten Jahren jeweils etwas höher als der Bundesdurchschnitt. Diese und andere Beobachtungen waren ausschlaggebend dafür, daß sich die Autorinnen und Autoren u. a. mit den folgenden, für die regionale Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zentralen Fragen auseinandersetzen: Wo entstehen im Wiener Dienstleistungssektor neue Arbeitsplätze? Welche Bedeutung kommt hierbei Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung zu? Wie verändern sich die Branchen- und Qualifikationsstrukturen der Dienstleistungsbeschäftigung? Wie innovativ sind die Wiener Dienstleistungsunternehmen? Welche Position nimmt die Wiener Dienstleistungswirtschaft im System europäischer Großstädte ein? Wandern nach vielen Industriebetrieben nun auch Dienstleistungsbetriebe aus dem Stadtkern an den Rand der Agglomeration?
Erwin Weissel stammt aus einer sozialdemokratischen Familie. Sein Vater, Georg, war Kommandant der Wiener Berufsfeuerwehr und kämpfte 1934 gegen die Dollfußregierung, die die Arbeiterorganisationen zerschlagen wollte. Nach der Matura versuchte Erwin, im Journalismus Fuß zu fassen, doch seine Zeit bei der Arbeiter-Zeitung war kurz, da er nicht auf Kommando schreiben wollte. Nach einer Tuberkuloseerkrankung studierte er Rechtswissenschaften und trat 1958 in die wirtschaftswissenschaftliche Abteilung der Arbeiterkammer Wien ein. Später wurde er Leiter der Sozialakademie in Mödling und des Instituts für Gesellschaftspolitik. 1978 wurde er außerordentlicher Professor für Sozial-, Volkswirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Wien. Zudem war er Beisitzer am Kartellgericht in Wien und Referent an der Verwaltungsakademie des Bundes. Weissel ist einer der wenigen österreichischen Nationalökonomen, die sich kritisch zum ökonomischen und politischen Mainstream äußerten. Der Inhalt umfasst verschiedene Themen, darunter die Regulierung und Deregulierung in der EU, die gesellschaftliche Einbettung der Wirtschaft, die Produktion der Ware Arbeitskraft sowie die Lethargie der Politik. Beiträge von verschiedenen Autoren beleuchten Aspekte wie die Liberalisierung des Kapitalverkehrs, Sozialpolitik, Arbeitszwang und die Herausforderungen des Neoliberalismus. Ein Lebenslauf und eine ausgewählte Bibliographie von Erwin Weissel runden die
Wie kaum eine andere Metropole mit Ausnahme Berlins erlebte Wien in den Jahren seit 1989 eine grundlegende geopolitische Neupositionierung. Diese blieb nicht ohne Folgen auf den Strukturwandel, den die Wiener Wirtschaft nach 1945 durchlebt hatte und der die Performance der urbanen Ökonomie lange Zeit prägte. Die Beiträge dieses Bandes beleuchten die langen Linien dieses Wandels ebenso wie die Zäsur der neunziger Jahre und die mit Ostöffnung, EU-Beitritt Österreichs und EU-Erweiterung verbundenen Chancen und Herausforderungen. Der Bogen der behandelten Themen spannt sich von der Deindustrialisierung und Tertiärisierung, der Positionierung im europäischen Städtenetzwerk, der Technologiepolitik bis zu Problemen des Arbeits- und Wohnungsmarktes, sowie Einkommensverläufen und -disparitäten. Ziel des Bandes ist es, einen handbuchartigen Überblick über Grundzüge der Entwicklung der Wiener Wirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu geben.