Die historische Lexikographie steht seit geraumer Zeit in einem besonderen Spannungsfeld zwischen den Anforderungen traditioneller Philologie, moderner Metalexikographie und technischer Innovation. Die Beiträge dieses Sammelbandes spiegeln die damit verbundenen Herausforderungen wie ihre Bewältigung. Sie zeigen, dass die historische Lexikographie konzeptionell wie institutionell durchaus in der Lage ist, sich von Generation zu Generation neu zu erfinden und sich damit den Herausforderungen zu stellen, die die jeweilige Gesellschaft ihnen abverlangt.
Es sind sprachliche Zuschreibungen, die aus einem Brandfleck eine Brandmarkung machen, aus einem Leberfleck ein Hexenmal und aus einer Person mit einem gelben Hut einen stigmatisierten Juden, dem man dann sofort ansieht, dass er als typischer Vertreter einer Gruppe mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist. Kurzum: Das symbolische Zeichensystem Sprache schafft die grundlegende Inhalts- und Bewertungssozialisation, ohne die weder Indices und Ikone noch andere nonverbale Symbole verstanden oder kommunikativ eingesetzt werden können. Die Sprache ermöglicht die Gesamtvernetzung aller verbalen und nonverbalen Zeichensysteme, deren gegenseitige Identifizierbarkeit, vor allem die positive wie negative Bewertung. Zusammen mit anderen Zeichentypen schafft sie nicht nur Normen, sondern legt auch fest, was oder wer dieser Norm wie entspricht. Die vorliegende Arbeit zeigt, auf welche Weise sprachliche Zeichensetzungshandlungen im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit dazu genutzt wurden, andere Menschen oder Menschengruppen zu beleidigen, zu stigmatisieren und auszugrenzen.
AUS DEM INHALT: ANJA LOBENSTEIN-REICHMANN / OSKAR REICHMANN: Frühneuhochdeutsch – Probleme seiner linguistischen Beschreibung. Zur Einführung • KLAUS-PETER WEGERA: Um 1500 an einer Weggabelung. Zum Spannungsverhältnis zwischen Sprachwandeltheorien und einzelsprachlichen Wandelprozessen • JÖRN ALBRECHT: Übersetzungspraxis und Übersetzungskonzeptionen in frühneuhochdeutscher Zeit • HELMUT GLÜCK: Die Fremdsprache Frühneuhochdeutsch • JOCHEN A. BÄR: Frühneuhochdeutsche Sprachreflexion • JAKOB MACHÉ / WERNER ABRAHAM: Infinitivkomplemente im Frühneuhochdeutschen – satzwertig oder nicht? • WOLF PETER KLEIN: Sprachliche Zweifelsfälle im Frühneuhochdeutschen. Alte und neue Perspektiven ihrer Erforschung • CHRISTINE GANSLMAYER: Wortbildungswandel in frühneuhochdeutscher Zeit. Zur Etablierung des Deutschen als wortbildungstypische Sprache • OSKAR REICHMANN: Lexikalische Varianten im frühneuhochdeutschen Bibelwortschatz und die neuhochdeutsche Schriftsprache: Fakten und Reflexionen • ELISABETH LINK: Latinität im frühneuhochdeutschen Lexikon als Qualität der umfassenden Bezogenheit auf ein Modell • ANJA LOBENSTEIN-REICHMANN: Sprachliche Ausgrenzung im Mittelalter: die deutschen Predigten Bertholds von Regensburg • OLIVER PFEFFERKORN: Die Textsorte Rossarzneibuch in frühneuhochdeutschen Handschriften und Drucken • MECHTHILD HABERMANN: Die Ausbildung von Fachsprachlichkeit im Frühneuhochdeutschen
Eine sprach-, diskurs- und ideologiegeschichtliche Analyse
Diese Arbeit unternimmt den sprachwissenschaftlichen Versuch, der Akzeptanzbereitschaft gegenüber Rassismus und Faschismus innerhalb des deutschen Bürgertums auf die Spur zu kommen. Auf der Grundlage der ideologiewirksamen Schriften eines Bildungsbürgers, nämlich Houston Stewart Chamberlains, soll mithilfe linguistischer Analysen gezeigt werden, wie schmal der Grat zwischen bildungsbürgerlicher Hochkultur und menschenverachtender Unkultur werden kann. Im Zentrum steht die Konstruktion eines Menschenbildes durch zentrale Lexeme wie „Arier“, „Künstler“, „Persönlichkeit“, „Jude“ und „Rasse“, aber auch durch ideologiesprachliche Ausdrücke wie „Leben“, „Wille“, „Sozialismus“ oder „Entartung“. Menschenbilder führen zu Handlungsmaximen. Diese werden in satzsemantisch-pragmatischen Analysen der Präsuppositionen, der Handlungsrollen und der Kollektivierungen analysiert. Der letzte Teil ist diskurslinguistischer Natur und gilt Chamberlains Traditionsbildung. Es geht zum einen um alle jene Schriften, die er in seinem Sinne genutzt hat (z. B. Goethe, Kant, Darwin, Gobineau, Wagner), danach um diejenigen, für die er selbst wegweisend wurde (z. B. die Nationalsozialisten). Diese Arbeit versteht sich als interdisziplinärer Beitrag zur Ideologiegeschichte und zur Geschichte sozio-kommunikativer Beziehungen.
Inhalt: Oskar Reichmann , Vorwort. - Vilmos Agel , Prinzipien der Grammatik. - Thorsten Roelcke , Anforderungen des Typologen an Sprachstufengrammatiken des Deutschen. - Gisela Zifonun , Sprachtypologische Fragestellungen in der gegenwartsbezogenen und der historischen Grammatik des Deutschen, am Beispiel des Relativsatzes. - Vladimir Pavlov , Zur Entwicklung der Substantivdeklination im Deutschen. - Frank Heidermanns , Zur Neukonzeption der gotischen Grammatik. - Hans Fix , Eine neue altisländische Grammatik auf Handschriftengrundlagen. - Ingo Reiffenstein , Zur Neubearbeitung der Althochdeutschen Grammatik von Wilhelm Braune. - Richard Schrodt , Die Aporie der Deskription. Synchronie und Diachronie in der althochdeutschen Syntax. - Heinrich Tiefenbach , Gedanken zur Bearbeitung einer Grammatik des Altsächsischen. - Fritz Peter Knapp , Anforderungen eines Philologen an die neue Mittelhochdeutsche Grammatik. - Klaus-Peter Wegera , Grammatiken zu Sprachabschnitten. Zu ihren Grundlagen und Prinzipien. - Heinz-Peter Prell , Typologische Aspekte der mittelhochdeutschen Prosasyntax. Der Elementarsatz und die Nominalphrase. - Nelson Cartagena , Leistung und Grenzen der traditionellen historischen Grammatik des Spanischen.
Lexikographische Textanalyse als Methode historischer Semantik
Die Reihe Studia Linguistica Germanica (SLG), 1968 von Ludwig Erich Schmitt und Stefan Sonderegger begründet, ist ein renommiertes Publikationsorgan der germanistischen Linguistik. Die Reihe verfolgt das Ziel, mit dem Schwerpunkt auf sprach- und wissenschaftshistorischen Fragestellungen die gesamte Bandbreite des Faches zu repräsentieren. Dazu zählen u. a. Arbeiten zur historischen Grammatik und Semantik des Deutschen, zum Verhältnis von Sprache und Kultur, zur Geschichte der Sprachtheorie, zur Dialektologie, Lexikologie/Lexikographie, Textlinguistik und zur Einbettung des Deutschen in den europäischen Sprachkontext.