Für den Schreiber, Denker und Dichter Giacomo Leopardi sind Vögel »die fröhlichsten Geschöpfe auf der Welt« – von den volatilen Wesen bezaubert ist auch unser Autor. So rät er einer möglichen Leserin dieser Schrift, im Freien oder zumindest bei geöffnetem Fenster zu lesen. Möge es ihr gelingen, sich durch bloßes Gezwitscher in den einen oder anderen Vogel zu versetzen, ihn, der beides kann – fliegen und singen. Die Methode ist denkbar einfach: Hie die jeweils taxonomisch vorgeführte Spezies und da der Autor. Ob flugtauglich oder nicht, einerlei, sie treten auf, schlüpfen in eine Rolle und sprechen. In Form von Prosavignetten gelangen wir ins Innere einer Zwiesprache. Der Autor, der als Mensch einer viel zu aufgeblasenen Spezies angehört, tritt in diesem Buch verblüffend zurück. Es gibt viele Gründe, warum Vögel zu uns sprechen – sie tun das im Übrigen manchmal so lange, bis uns das Grinsen vergeht. Wenn wir nicht in uns gehen und bei den Vögeln sind, werden wir nie erfahren, welche Botschaft sie singen. Indes, der Vogel bleibt, so wie der Mensch, ein Mirakel. Gegenstand der Neugierde bleibt der Vogelflug für uns allemal. Nur selten fliegen sie im Kreis. Wir, die wir laufend im Kreis gehen, wissen nicht, was kommt und ob wir uns nicht doch auf die Auflösung der Zeit zubewegen. Am Vogelgezwitscher erkennen wir die vielen unterschiedlichen Bedeutungen unserer gegenwärtigen Fragen.
Ingram Hartinger Livres






Ingram Hartingers neues Buch bietet eine kreative Auseinandersetzung mit der Pflanzenwelt, indem er etwa 150 Beispiele auswählt. Er kombiniert Beschreibungen mit Erzählungen und lässt die Natur durch Geschichten und Assoziationen lebendig werden. Hartingers innovative Techniken und Methoden machen die Natur fremd und spannend.
Der gewisse Morgen
Fragmente aus dem Reduit
Einwärts fragend und im inneren Monolog versucht der Schreiber mittels Sprache den Strom der Zeit anzuhalten. Für welch anderen Morgen? Der Winter geht, der Frühling kommt. Auch die engsten Leiden verblassen. Von einem schwierigen Abwarten und vom Willen, trotz prekärer Welt und konfus machendem Schmerz nicht traurig zu sein, davon ist in diesen Gedichten die Rede – und doch liegt da bisweilen ein Schatten auf ihnen. Die Gedichte wurden in einer Zeit verfasst, da die Hälfte des Gesichts mit einer Maske zu bedecken war und man dem Nachbarn nicht die Hand zum Gruß reichen sollte – aber in keinem der Mikro-Poeme oder Skizzen ist von jener pandemischen Zeit die Rede. Vielmehr wird hier versucht, einen ebenerdigen Text herzustellen, in den man mühelos eintritt und der sich vom alltäglichen Leben nicht sonders abheben möchte.
Mangoldgerippe
Verstreute Arbeiten
Der neue Prosaband von Ingram Hartinger kann als „Almanach der vagen Schreibweise“ gelesen werden und ist in den Jahren von 1983 bis 2016 entstanden. Wie, fragt man sich – er will seine Unsicherheiten in einem Buch aufspeichern? Die Sammlung in teilweise sehr unterschiedlicher Form kann auch als eine Art „Antipoetik“ gelesen werden. Zum Beispiel die verfluchte Injektion Der Wortjunkie. Im Tunnel seiner Fiktion durchstößt ein Autor die disparaten Wendungen seines Schreibens Die Verhältniswörter verkennen auf einmal die Situation, der apokryphe Blick lässt alles verschwimmen – ein Blick, der seine eigene Entfernung berechnet. Wie also? Der Versuch, eine vom Wort geformte Luft ins Hinterland eines „pluralen Geistes“ zu blasen. Auf dem Weg vom Prosaischen ins Abseits experimentierender Weisen. Was fehlt in dieser Prosa? Nichts fehlt, und gleichzeitig ist alles überflüssig. Vielleicht braucht man nur eine Zeile zu lesen – und ist mitten im Ephemeren oder im Dunkel einer sich zusammenbrauenden Zeitwolke. Die Folge: Rette sich, wer kann? Denn was kann man von diesem Autor schon erwarten? Dass er nur so tut, als spränge er ins Dunkel? Melde sich, wer das Leben versteht. Die Mauer zwischen Leserin und Schreiber ist nur ein Vorwand. Das Nichtverstehen ein anderer – Vorwand wofür? Komplexes, widerständiges Denken sieht Martin Kubaczek im Schreibprojekt „Hartinger“. Diese Schrift besudelt sich mit unerwarteten Substanzen, tilgt vielfach falsche Gewissheit.
Dinge aus Angst
Gedichte
Ingram Hartinger versucht gleich gar nicht, „alles“ zu sagen, sondern begibt sich vielmehr mit seinen Gedichten auf die Spur dessen, was sich hinter stimmlosen Sätzen verbirgt. Und da kugeln sie daher, die Entwürfe von Gedichten, die noch zu schreiben sind. Geht Stottern der Sprache voraus – oder folgt es? Voilà der Dichtende: Der Vorhang seines Herzens ist leicht geöffnet, wir sehen die Angst und wir sehen die Liebe.