Im herkömmlichen Umweltschutz beschränken wir uns darauf, Missstände zu beseitigen und die Symptome ökologischer Verschlechterung und Zerstörung zu beheben. Ziel ist vorrangig, für uns Menschen funktionierende Lebensverhältnisse vorzufinden. Im Gegensatz dazu stellt die Tiefenökologie die Glaubenssätze der industriellen Wachstumsökonomie und der Geldfixiertheit grundsätzlich in Frage. Aus tiefenökologischer Perspektive wird die Erde als ein lebendiger Organismus betrachtet, wie dies in animistischen Kulturen gebräuchlich ist. Darin ist alles Leben miteinander verbunden und voneinander abhängig. Jedem Lebewesen kommt ein Eigenwert zu, der nicht in Geld bemessen werden kann. Da wir unsere ökologischen und sozialen Probleme nicht durch dieselben Denkmuster lösen können, durch die sie entstanden sind (Albert Einstein), ist eine Herz-Denkschulung (heart mind) erforderlich, wie sie durch die Tiefenökologie vermittelt wird: Akademisches Wissen gründet sich nicht länger lediglich auf Sachlichkeit und Rationalität, sondern schließt Empfinden, Fühlen und die Geisteshaltung mit ein. Dadurch kann sich ein ganzheitliches Denken entfalten, das dazu verhilft, der eigenen Verantwortung gewahr zu werden und, selbständig und gemeinsam mit anderen neue Handlungsarten zu gestalten. Wir brauchen völlig neue Wege, wie wir unser Wirtschaftssystem gestalten können, damit unser ökonomisches Tun wieder im Einklang mit der Natur geschieht.
Elisabeth Loibl Livres






Tiefenökologie
Eine liebevolle Sicht auf die Erde
Wir wissen um die katastrophalen Auswirkungen unseres Lebensstils auf die Natur und die Welt. Trotz aller Diskussionen zu den Themen „Nachhaltigkeit“ und „Resilienz“ und einer zunehmenden gesellschaftlichen Aufmerksamkeit wachsen die Müllberge und Plastikmeere dieser Erde weiterhin und steigt die Zahl jener Menschen, die verarmen und an Hunger leiden. Es ist daher Zeit für einen grundlegenden Perspektivenwechsel und eine Suche nach den tieferliegenden Ursachen unseres ruinösen Wirtschafts- und Lebensstils. Entlang der Subsistenzperspektive (unser Leben an der Versorgung und der Gemeinschaft zu orientieren) und der Tiefenökologie (die Verbindung zur Erde wieder zu entdecken) zeigt die österreichische Agrar- und Kulturforscherin Elisabeth Loibl, wie stark unsere sozialen und ökologischen Verhältnisse miteinander verwoben sind. Sie begibt sich auf Spurensuche nach den historischen Ursachen und hinterfragt unsere Bildungsansätze und Werthaltungen ebenso wie gesellschaftliche Glaubenssätze. Ihre Diagnose lautet, dass wir aufgrund unserer Geisteshaltung die Verbindung zu unserem natürlichen Erdendasein verloren haben. Geld und Arbeit nehmen zu viel Raum in unserem Alltag ein. Als mögliche Therapie schlägt sie vor, die Beziehung zu unseren Lebensgrundlagen zu vertiefen – um dadurch anders wirtschaften und leben zu können. Die Subsistenzperspektive und die Tiefenökologie sind wesentliche Grundlagen des dafür notwendigen Wertewandels.
In diesem Buchband beschäftigt sich eine Reihe namhafter AutorInnen und PraktikerInnen aus dem Bereich bäuerlicher und gärtnerischer Landwirtschaft, des Handwerkes und der Kunst wie auch aus der Wissenschaft und dem Tierschutz mit der Frage der Lebensmittelversorgung der Zukunft. Die Beiträge sind überwiegend in einem essayistischen Stil gehalten. Anlass war die Allgegenwart einer „multiplen Krise“, die durch Klimawandel, Kriege, Finanzkrisen, einer steigenden Zahl von Flüchtlingen und von Armut und Hunger betroffenen Menschen ihre Ausprägung findet. Dies führt zusehends zu Hoffnungslosigkeit, Unsicherheit und dem Gefühl der Machtlosigkeit. Die in diesem Band enthaltenen Anregungen sollen uns die Gestaltbarkeit der Zukunft aus der Gegenwart heraus vor Augen führen. Die AutorInnen haben mit geistreicher Kreativität und großem Mut Visionen für eine gesicherte, faire und Leben erhaltende Lebensmittelversorgung aufgezeigt
Anhand der lebensgeschichtlichen Erfahrungen und politischen Engagements von fünf Zeitzeugen und einer Zeitzeugin wird die Agrarpolitik und die Entwicklung des ländlichen Raums der letzten sechzig Jahre beleuchtet. Diese Pioniere stammen aus unterschiedlichen politischen Richtungen, doch überraschenderweise zeigen sie eine große Übereinstimmung in ihrer Sicht auf die Entwicklungen im ländlichen Raum. Die gemeinsamen Erfahrungen scheinen die politischen Differenzen zu überwiegen. Die Lebensgeschichten älterer Menschen, die in der heutigen schnelllebigen Zeit oft an Bedeutung verlieren, sollen durch diesen Bericht gewürdigt werden. Er trägt dazu bei, den Austausch und das kommunikative Lernen zwischen Generationen zu fördern. Die übereinstimmenden Ansichten und Erfahrungen der Zeitzeugen verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf zur Neugestaltung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums. Es ist entscheidend, dass Menschen künftig über Partei- und Altersgrenzen hinweg gemeinsam für eine andere Agrarpolitik eintreten.
Subsistenz? Was ist das? Im Laufe des Subsistenzprojektes der Bundesanstalt für Bergbauernfragen ist ein allgemein verständliches Wort aufgetaucht: Versorgungsarbeit, die die Grundlage für unser alltägliches Leben bildet. Im Gegensatz dazu liefert die Erwerbsarbeit – neben den Möglichkeiten der Selbstentfaltung und der sozialen Kontakte – lediglich die finanzielle Beisteuerung. Versorgung hat mit Essen zu tun und Essen mit Landwirtschaft. Um genau zu sein, mit bäuerlicher Landwirtschaft, die biologisch im Sinne von im Einklang mit der Natur wirtschaftet. Wie diese Formen einer subsistenten Hofbewirtschaftung mit dem erforderlichen ideellen Hintergrund nach wie vor möglich sind, wird anhand von vier Beispielen dargestellt: eines im Mühlviertel, eines in Salzburg und zwei in Südtirol. Die Aufrechterhaltung einer bäuerlichen Landwirtschaft hängt unmittelbar mit der gesellschaftlichen Esskultur zusammen, um nicht zu sagen: Sie hängt von ihr ab. Es bedarf eines allgemeinen Umdenkens und Überdenkens, wie viel den Menschen ein gesundes und ökologisch wie sozial akzeptabel erzeugtes Lebensmittel wert ist. Beim Einkauf eines Lebensmittels geht es nicht zuletzt darum, ob bäuerliche Lebensformen über kurz oder lang der Vergangenheit angehören, oder ob sie mit einem gesellschaftlich unterstützten Widerstand gegen herkömmlich verbreitete Anschauungen weiterhin bestehen werden.