Wunder gibt es immer wieder
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100 Jahre FC St. Paulii von 1910In der Jubiläums-Sonderausgabe seines Klassikers erzählt René Martens die komplette Geschichte der Kultvereins vom Millerntor.






100 Jahre FC St. Paulii von 1910In der Jubiläums-Sonderausgabe seines Klassikers erzählt René Martens die komplette Geschichte der Kultvereins vom Millerntor.
Elfmetertöter sind Torwarte, die überdurchschnittlich viele Elfmeter halten, oft durch Täuschung, hohe Reaktionsschnelligkeit oder einfach Glück. Der englische Fußballautor Francis Hodgson kritisiert, dass die Leistungen von Torhütern, die Elfmeter parieren, oft unterschätzt werden. Lob für das richtige Positionieren wird häufig als Zufall betrachtet, ohne das Spielverständnis oder das Timing des Torwarts zu würdigen. Maik Wilde vom VfB Lübeck relativierte seinen Erfolg, indem er den Dank an seinen Trainer weitergab. Betrachtet man die Erfolge deutscher Torhüter, wird klar, dass nicht nur die Trainer dafür verantwortlich sein können. Andreas Köpke parierte 15 von 41 Elfmetern, eine Erfolgsquote von 36,58 Prozent, was Hodgson als „unglaublich“ bezeichnet. Rudi Kargus, der beste Torwart in der Bundesliga-Geschichte, hielt 23 von 76 Elfmetern und ließ zudem sechs weitere an den Pfosten gehen. Kargus hat sich mittlerweile der Malerei gewidmet. Hätte Helmut Schön 1976 beim EM-Finale Kargus im Tor gelassen, könnte die Geschichte anders verlaufen sein. Stattdessen sah Kargus von der Bank aus zu, wie die DFB-Elf scheiterte. Zwei Jahrzehnte später bewies Osvaldo Jaconi, dass ein Torwartwechsel vor einem Elfmeterschießen entscheidend sein kann, als sein Ersatzkeeper Pietro Spinosa zwei Elfmeter parierte und so dem Dorfclub Castel di Sangro den Aufstieg in die Serie B sicherte.
St. Pauli - das ist weitaus mehr als das Bild, das sich ein Großteil der Öffentlichkeit davon gemacht hat: mehr als eine weltberühmte Touristen- und Freierfalle, mehr als zwei Dutzend Kiez-Originale. Zumal sich der Stadtteil in den vergangenen 20 Jahren noch einmal grundlegend verändert hat. Die Subkultur-Szene ist aufgeblüht, das gastronomische Angebot gewachsen, und zahlreiche kleine bis mittlere Firmen, vor allem aus der Multimedia-Branche, haben das Gesicht des Viertels verändert. René Martens und Fotograf Günter Zint, wie kein anderer Bildberichterstatter der letzten 30 Jahre mit St. Pauli verbunden, erzählen 'the true story' - in streng subjektiv ausgewählten Auszügen. Sie zeigen, wie lebendig die Geschichte ist und entwerfen ein treffendes Profil des berühmtesten Stadtteils der Welt an der Schwelle zum 3. Jahrtausend.
Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten
Die 2. Liga kennt der FC St. Pauli seit mehr als drei Jahrzehnten, in der 1. Liga spielt er selten. Dennoch: Der Millerntor-Klub ist in Deutschland populärer als fast alle Erstligisten. René Martens erzählt in seinem Buch spannende Geschichten rund um den Klub vom Kiez: Gibt es den FC St. Pauli erst seit 1910? Und wann gelang ihm eigentlich der wichtigste Sieg gegen den FC Bayern?
Der FC St. Pauli verdankt seine Popularität vor allem seinen besonderen Typen auf und neben dem Platz sowie einer kreativen Fanszene, die sich immer wieder politisch engagiert, z. B. gegen Rassismus und Sexismus. Zudem leisteten die Fans 2003 einen großen Beitrag zur erfolgreichen Retterkampagne, als der Verein von Zahlungsunfähigkeit bedroht war. Diese Mischung aus markanten Köpfen und einer lebendigen Fankultur macht den FC St. Pauli nicht nur in Hamburg für junge Leute so attraktiv. Für sie ist dieses reich bebilderte Buch. Abwechslungsreich erzählt der Autor nicht nur von sportlichen Erfolgen und Tragödien, sondern auch vom mythenbehafteten Stadion am Millerntor, den einzigartigen Fans und von heißen Derbys gegen den HSV. Von Walter Frosch über Volker Ippig bis Fabian Boll werden außerdem die größten Stars aller Epochen vorgestellt. Außerdem werden legendäre Trainer und Präsidenten wie Holger Stanislawski oder Corny Littmann porträtiert. Kleine Anekdoten und witzige Sprüche sorgen zusätzlich für Abwechslung.
Das Stadion ist weder schön noch sonderlich alt, großer Fußball wurde selten geboten, Meisterschaften nie gefeiert. Und doch gehört das Millerntor zu den legendärsten deutschen Fußballtempeln. Denn hier lag in den neunziger Jahren die Geburtsstätte einer neuen, bunten Fankultur. Bis heute sind seine stets gefüllten Tribünen ein Hort authentischer Kreativität. Das erschöpft sich nicht in originellen Sprüchen, sondern beinhaltet auch eine kritische Distanz zur Kommerzialisierung des Spiels: Der FC St. Pauli ist der einzige deutsche Profiverein, dessen Mitglieder es für alle Zeiten verboten haben, dass ihr ehrwürdiger Stadionname gegen gutes Geld an einen Sponsor verschachert wird.
Klar - Fussball blöd finden kann jede(r). Aber so richtig qualifiziert verzweifeln am Fussball - das können nur die Fans. Sie lieben diesen Sport - und hadern zugleich mit allem Möglichen. Zur Weissglut bringen sie zum Beispiel: unfähige und blinde Schiedsrichter, die sich wie verhinderte Unteroffiziere aufführen, Bekloppte Benimmregeln, die Emotionen verbieten wollen, Geldgierige Profis, die den Lieblingsclub ruinieren, Affige Spielerfrauen, die die schönsten Spieler wegheiraten, Langatmige Fernsehshows statt knackiger Spielberichte. Martens spricht mit seinen witzigen, pointiert-polemischen Essays den Fans aus dem Herzen und fasst ihre ewige Hassliebe zum Fussball in Worte.