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Hans Tietgens und die politische Erwachsenenbildung






Hans Tietgens und die politische Erwachsenenbildung
Mit dem Begriff „Experimentiersozietas“ charakterisierte Eduard Weitsch die von ihm 1919/1920 gegrq/4ndete und bis 1933 geleitete Heimvolkshochschule Dreißigacker bei Meiningen. Die „Schule ohne Katheder“ hatte fq/4r die Professionalisierung der Erwachsenenbildung der Weimarer Republik eine große Bedeutung. Ziel der Schule war eine demokratische Gemeinschaftsbildung, die in der Arbeitsgemeinschaft ihre Lernform fand und jenseits der Parteipolitik eine neutrale und dennoch politische Erwachsenenbildung anstrebte. Das Buch setzt sich eingehend mit den erwachsenenpädagogischen Problemstellungen der Weimarer Zeit auseinander und bezieht dies auf gegenwärtige Diskussionen um eine öffentlich verantwortliche Erwachsenenbildung.
Das Erinnern an die Verbrechen des Nationalsozialismus gehört zur politischen Kultur vieler europäischer Gesellschaften. In der Regel vollzieht sich die Praxis des Erinnerns vor allem in Museen und Gedenkstätten, das gilt in besonderer Weise für Polen und für Deutschland, in denen sich eine Vielzahl solcher Institutionen befinden. Seit den 1980er Jahren hat es in Deutschland und insbesondere auch in Nordrhein-Westfalen eine Vielzahl von Gedenkstättengründungen gegeben, die sich in der Regel auf lokale, regionale Themenstellungen oder bestimmte Opfergruppen spezialisiert und ein besonderes pädagogisches Aufgabenverständnis entwickelt haben. Nach 1989 hat sich die Geschichts- und Erinnerungskultur in Polen neu orientiert, Gedenkstätten, die die Verbrechen des Nationalsozialismus ins Gedächtnis rufen, wurden umgestaltet und die pädagogische Arbeit aufgewertet. Es gibt viele Gründe auf fachlicher, historischer wie pädagogischer Ebene eine intensivere Zusammenarbeit zu suchen und den Austausch zu fördern. Anspruchsvollere Lernarrangements sollten künftig gemeinsam diskutiert und weiter entwickelt werden. In diesem Sammelband werden Beispiele aus der Gedenkstättenpraxis in Polen und in Deutschland vorgestellt und analysiert, es werden aber auch Fragen eines europäischen Erinnerungshorizontes diskutiert, ohne dabei die nationalen Besonderheiten zu negieren.
Das Bild einer NS-Ideologie, die im Kern nur eine kleine Gruppe von Fanatikern überzeugt und bewegt hätte, ist ebenso längst brüchig geworden wie die Vorstellung, neben dem Terror habe allein eine suggestive Massenpropaganda in ihrer Mischung aus Lügen, Versprechungen und Führerkult die Deutschen an das NS-Regime gebunden. Ausgehend von der Ordensburg Vogelsang, die der „Erziehung“ einer NS-Elite dienen sollte und bereits mit ihrer architektonischen Gestalt dem Durchsetzungswillen des Nationalsozialismus Ausdruck geben wollte, setzen die Beiträge des vorliegenden Bandes NS-Ideologie, Erziehungsvorstellungen und -praxis im Nationalsozialismus sowie eine damit verbundene Architektur der Ordensburgen in Beziehung. Damit werden Fragen nach der „Überzeugungskraft“ des Nationalsozialismus aufgenommen, die möglicherweise auch heutige Besucher des seit 2005 wieder zugänglichen Geländes in ihren Rezeptionen beeinflussen können. Die Beiträge dieses Sammelbandes diskutieren im ersten Teil das Arrangement der Ordensburgen unter allgemein- und bildungshistorischen Gesichtspunkten; der zweite Teil bringt Beiträge zur Bau- und Nachkriegsgeschichte der Ordensburg Vogelsang; im dritten Teil werden Vorschläge zu künftigen Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten dieses kontaminierten Ortes NS-Ordensburg Vogelsang gemacht und die Erfahrungen mit einem NS-Projekt ähnlicher Größenordnung, nämlich Prora, aufgearbeitet.
1953 wurde in Nordrhein-Westfalen das erste Erwachsenenbildungsgesetz in der Bundesrepublik verabschiedet. Es sah ? auch als Kompromiß zwischen den Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und anderen Trägern ? die Förderung von Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen und sonstigen Volksbildungseinrichtungen vor. Seitdem wurde die Erwachsenenbildung in der Landespolitik als wichtiges Politikfeld betrachtet, dessen Grundentscheidungen und Initiativen auch immer wieder in andere Bundesländer ausstrahlten. In diesem Sammelband wird von Historikern, Sozialwissenschaftlern, Bildungshistorikern und Erwachsenenbildnern teils in Längsschnitten, teils exemplarisch die Geschichte der Erwachsenenbildung in NRW von 1945 bis in die Gegenwart dargestellt: Es werden die Leistungen der Erwachsenenbildung in NRW im Hinblick auf die politische Kultur und die mffnung der sozialen Milieus gewq/4rdigt, die Wechselwirkungen zwischen Erwachsenenbildung und Milieus, Weiterbildung und mffentlichkeiten, Bildungsarbeit und gesellschaftlichem Wandel untersucht, aber auch beispielhaft Personen, Institutionen, Orte, Themenbereiche und begleitende Serviceeinrichtungen porträtiert.
Die Geschichte der Bundesrepublik wird zunehmend als Erfolgsgeschichte der Demokratie beschrieben. Der Bedeutung der politischen Bildung in diesem Prozeß nachzugehen, machte sich eine Gruppe von Erwachsenenbildnern, Erziehungswissenschaftlern und Historikern zur Aufgabe, die im Rahmen einer Studienreise einschlägige Orte der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung aufsuchte und die pädagogische Arbeit fq/4r den Zeitraum 1946 bis etwa 1960 nachzeichnete. Im vorliegenden Band werden u. a. die Jugendhöfe in Vlotho und Steinkimmen, die Jugendburg Ludwigstein und die Burg Rothenfels, die Heimvolkshochschulen Jägerei Hustedt und Jagdschloß Göhrde, Bildungsstätten des Deutschen Gewerkschaftsbundes und die Evangelische Akademie Arnoldshain, der Frankfurter Bund fq/4r Volksbildung und die Mq/4nchener Volkshochschule behandelt. Auch systematische Fragen werden aufgegriffen, etwa die nach dem Verhältnis von Kontinuität und Bruch, nach den Diskursen zum Themenfeld Nationalsozialismus in den Volkshochschulen, nach der Rolle der Frauen in Politik und politischer Bildung in den Jahren zwischen 1945 und 1960, schließlich nach den Konzepten der Reeducation und den Einflq/4ssen der Jugendbq/4nde und der Jugendbewegung.