Die Geschichte der Oder-Neiße-Linie
"Westverschiebung" und "Umsiedlung" - Kriegsziele der Alliierten oder Postulat polnischer Politik?





"Westverschiebung" und "Umsiedlung" - Kriegsziele der Alliierten oder Postulat polnischer Politik?
In der Endphase des Zweiten Weltkrieges entstand die „Oder-Neiße-Linie“, die heutige deutsch-polnische Grenze, was zur Flucht und Vertreibung von etwa 10 Millionen Deutschen führte. Michael Hartenstein untersucht die Entstehung dieser Grenze, die Motive ihrer Befürworter und die Umsetzung als Staatsgrenze. Er fragt, ob Hitler für die Oder-Neiße-Grenze und die Vertreibung der Ostdeutschen verantwortlich war und ob eine Revision dieser Grenze je möglich war. Zudem beleuchtet er, ob die neue Grenze das Ergebnis der Potsdamer Konferenz war. Hartenstein bietet eine umfassende Darstellung der Geschichte der Oder-Neiße-Linie von ihrer Vorgeschichte im 19. Jahrhundert bis zur völkerrechtlichen Anerkennung 1990, mit einem Schwerpunkt auf den Jahren 1939 bis 1950. Sein fundiertes Ergebnis widerspricht der gängigen Geschichtsauffassung in Deutschland und Polen: Die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens war nicht lediglich eine alliierte Lösung, sondern die konsequente Umsetzung langjähriger Ziele des polnischen Nationalismus. Der verlorene Zweite Weltkrieg und die Unterstützung der Sowjetunion ermöglichten ab 1945 die Verwirklichung dieser Ziele.
Nach dem Krieg gegen Polen 1939 wurde der Westteil dieses Landes durch das Deutsche Reich annektiert. Das nationalsozialistische Regime plante eine vollständige „Germanisierung“ dieses Gebietes, die nicht nur einen „Bevölkerungsaustausch“, sondern auch eine umfassende Um- bzw. Neugestaltung der Agrar-, Kultur- und Siedlungslandschaft vorsah. Zielbild war die Gestaltung eines „dem deutschen Menschen artgerechten Lebensraumes“, in dem „dem Wesen der nationalsozialistischen Weltanschauung sichtbar Ausdruck verliehen“ werden sollte. Die geplanten Maßnahmen in den im Osten annektierten Gebieten sollten zudem Vorlauf und Teil einer gewaltigen Agrarreform (Modernisierung) im gesamten „Großdeutschen Reich“ sein. Instrument zur Verwirklichung dieser Vorstellungen war eine „totale Raum- und Siedlungsplanung“ unter der Oberaufsicht des „Reichsführers SS“, Heinrich Himmler. Die Untersuchnung von Michael Hartenstein zeigt anhand von Richtlinien und zahlreichen konkreten Beispielen, wie die Kulturlandschaft, die Dörfer und auch die Städte in jenen „eingegeliederten“ Gebieten nach den NS-Planungen gestaltet werden sollten. Ferner werden ideologische und organisatorische Zusammenhänge jener Planungen aufgezeigt. Inhalt und Folgen nationalsozialistischer Ideologiebestandteile („Blut-und-Boden“, „Volk-- ohne-Raum“, Sozialdarwinismus der Völker) werden hier plastisch verdeutlicht.