Im Rahmen des Editionsvorhabens „Juristische Briefwechsel des 19. Jahrhunderts“ werden ausgewählte Teile der Korrespondenz des Juristen und Politikers Karl Josef Anton Mittermaier veröffentlicht. Aus ca. 12.000 Briefen, die im Nachlass Mittermaier in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt werden, werden insbesondere die Briefe italienischer Korrespondenten sowie eine Bibliographie seiner Werke an der Universität Federico II in Neapel bearbeitet und herausgegeben. Die Edition der Briefe von Wissenschaftlern und Praktikern anderer europäischer Staaten, beginnend mit deutschen Korrespondenten, wird im Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main organisiert. Geplant sind sowohl umfangreiche Briefwechsel mit einzelnen Partnern als auch thematisch ausgewählte Bereiche, in denen Dokumente mehrerer Persönlichkeiten zusammengefasst werden. Ziel ist es, Einblicke in ein weitreichendes rechtswissenschaftliches und politisches Netzwerk zu geben. Die Korrespondenz diente auch als Grundlage für Mittermaiers herausgeberische Tätigkeit, insbesondere für die „Kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes“, die internationale Strömungen der juristischen Wissenschaft verfolgte. Das Projekt strebt an, auch die jeweiligen Gegenbriefe zu veröffentlichen, um ein Bild des tatsächlichen Austauschs zu vermitteln. Die Briefe werden chronologisch geordnet, und ein Verzeichnis sowie Reg
Erich J. Hahn Livres


Heute wird der Berliner Jurist Rudolf von Gneist im Zusammenhang mit den Begriffen „Selbstverwaltung“ und „Rechtsstaat“ sowie mit der preußischen Verwaltungsreform von 1872-1875 erwähnt. Dagegen wird sein rastloses Wirken als Hochschullehrer, Rechtshistoriker und Parlamentarier kaum gewürdigt. Der Glauben an ein politisches Mandat der Wissenschaft inspirierte Gneists große Geschichte des englischen Verfassungs- und Verwaltungsrechts und seine zahlreichen Schriften zu tagespolitischen Themen. Als Forschungsansatz diente ihm Lorenz Steins Theorie vom Konflikt zwischen Staat und Gesellschaft. Die Verwaltungswillkür der „Neuen Ära“ und des Verfassungskonflikts zeigten Gneist, wie leicht im konstitutionellen Preußen das öffentliche Recht umgangen werden konnte. Daraufhin trat er für lokale Selbstverwaltung ein, wodurch Preußen ein Rechtsstaat werden sollte. Sein Beitrag zur preußischen Verwaltungsreform der siebziger Jahre ist aber meist überbewertet worden. Gneists Schriften und politisches Wirken waren von obrigkeitlichem etatistischem Denken bestimmt. Seine Karriere bietet ein hervorragendes Beispiel der Selbstbeschränkung des Liberalismus in der Bismarckzeit. Für die Arbeit konnten zum ersten Mal der Gneist-Nachlaß sowie Akten der preußischen Innen- und Kultusministerien und des Staatsministeriums ausgewertet werden.