Boxen, boxen
Roman
Der Roman erzählt von Vater und Sohn im geteilten Deutschland. Wie deutsch diese Geschichte ist, zeigt sich bis in den hintersten Winkel ihrer Sprache.
Roman
Der Roman erzählt von Vater und Sohn im geteilten Deutschland. Wie deutsch diese Geschichte ist, zeigt sich bis in den hintersten Winkel ihrer Sprache.
Seit dem 18. Jahrhundert verwandeln sich die Fremden allmählich von Objekten der Schaulust zu wissenschaftlich interessanten Kreaturen. Man ordnet sie in die Menschheit ein und erweitert damit deren Begriff beträchtlich. Es gelingt allerdings auch der hartnäckigsten Differenzierungskunst nicht zu bestimmen, was das Fremde an den Fremden ist. Es nimmt im Laufe der Assimilation ab, bis es ganz in den globalen Wirtschafts- und Verwaltungsstrategien unserer Zeit verschwindet. Am Ende soll niemand mehr irgendwo fremd sein; die Massenmigrationen, die angeblich Fremdenprobleme mit sich bringen, vertreiben auch die letzten Rückständigen aus der Fremde. In den Leerstellen, die das Fremde hinterlässt, setzen sich rassistische Einstellungen fest. Rassismus einerseits und postkolonialen Fremdenkult andererseits gibt es, weil es keinen Fremden mehr gibt.
Über Alzheimer
Mit einer an Alzheimer erkrankten Person endet irgendwann die Kommunikation. Welche Art der Beziehung ist jetzt möglich – jenseits der Sprache, jenseits des Verstehens? Wir verstehen und werden verstanden; das gehört zum Grundbestand des Menschseins. Was aber geschieht, wenn wir einem Menschen gegenübertreten, der nicht versteht und den wir nicht verstehen, weil er die Sprache verloren hat? Auf diese Frage sucht Schütze in der Begegnung mit seiner an Alzheimer erkrankten Mutter eine Antwort. Eine menschliche Existenz erschließt sich nicht vollständig im Horizont des Verstehens, aber für das Unsägliche, Unergründliche besitzen wir keine Rezeptoren. Wo die Kommunikation aufhört, endet unsere Macht. Um diesen Mangel nicht als Niederlage zu erleben, sprechen wir dem sprachlosen Dasein des Anderen für gewöhnlich den Eigensinn ab. Suchen wir jedoch den Umgang mit ihm, müssen wir diese Denkgewohnheit aufgeben und etwas beinahe Unmögliches versuchen: Wir müssen das Jenseits der Sprache als ebenso kreatürlichen Bezirk des Seins anerkennen wie den vom verständigen Selbst beherrschten Teil.
Goethe inszenierte seine Reisen meisterhaft. Er verstand es, seine Abwesenheit in wachsende Bedeutung umzumünzen. Häufig war er, nach Fürstenvorrecht, inkognito unterwegs – und wollte doch möglichst erkannt werden. Am liebsten ging er als Maler und arbeitete rücksichtslos an der kunstvollen Vielfalt seiner Existenz. Die zeitgenössische Klage über Entfremdung und mangelnde Identität war Goethes Sache nicht. Er wurde kein Maler, entwickelte aber sein malerisches Auge zum perfekten Werkzeug. Dem beharrlichen Blick des Liebhabers antwortete die Welt mit Gegenbildern. Sie bildete einen geschlossenen, lesbaren Kosmos, wie ihn Goethe am Weimarer Fürstenhof vorfand und in der Form des autonomen Kunstwerkes reproduzierte. Die Gewissheit dieser glücklichen Ordnung bot den Spielraum für die heraufziehende Modernität. Hier waren kleine und große Welt geschickt ineinandergefaltet. Dass sie sich später barbarisch polarisierten, hätte Goethe wenig überrascht.„Goethe-Reisen“ zeigt den Dichter als Schlittschuhläufer, der Talent zum Reisen besaß, aber das Reisen nicht nötig hatte.
Für Reisende ist die Geographie nicht mehr gefährlich. Aber sobald die Philosophie sie zu beherzigen beginnt, hat sie mit ungehörigen Deplazierungen zu rechnen. – In diesen Essays wird eine anthropologische Tiefenschicht der Immobilität freigelegt. Es stellt sich heraus, dass Utopien es lieber mit dem Dableiben als mit dem Reisen halten, dass der Tourismus das Ende des Reisens einleitet, dass in der hypermobilen Gesellschaft keineswegs das Nomadentum wiedererwacht, sondern ein archaischer Trieb zur Sesshaftigkeit herrscht. – Auf seinem Weg durch den geographischen Raum kann das abendländische Denken auch die Peripherien nicht übergehen. Lange Zeit besaßen sie weder Philosophie noch Geschichte und fielen deshalb an die Ethnologie. Jetzt muss man entweder die Ethnologie auf das Eigene ausdehnen oder aufhören, das Fremde als Spiegel verklärter Selbstreflexion zu missbrauchen. Mit entlegenen Inseln, zum Beispiel den Marquesas, die in der Entfernung geborgen scheinen, oder Galápagos, das seinem Schutz gänzlich ausgeliefert ist, lässt sich keine Form des Exotismus mehr begründen. Die hier früher vorbeigekommen sind, haben das schon gewusst: Forster, Darwin, Gauguin, Jacques Brel, oder Frau Wittmer aus Köln.