Ein Provisorium mit Anklängen an die Ewigkeit Die Kreuzkirche zu Dresden ist ein Ort, der einem anderen Plan folgt, ein anderes Ziel hat: in ihr überlebten gewissermaßen die alten Zeiten. Die Ereignisse, die in ihr gefeiert werden, sind echt. Der Geist und die Geschichte, die sie atmet, sind echt. Gerade darum menschlich, akzeptabel, anrührend. Ein symbolischer Ort in mehr als einer Hinsicht. Ein Ort, an dem der Besucher mit all seinen Verwundungen an Leib und Seele, mit seiner Vorläufigkeit, mit seiner Unvollkommenheit sich in den kargen Mauerflächen wiederentdecken kann.
Das Abendmahl markiert für das Christentum den Beginn des Neuen Bundes zwischen Gott und den Menschen und fungiert als Gründungsereignis der neuen Religion. In Darstellungen des Abendmahls wird häufig ein betont semitisch dargestellter Judas den anderen nicht-semitischen Teilnehmern gegenübergestellt, was eine klare Abgrenzung vom Judentum signalisiert. Laut christlicher Lehre bleibt das Judentum irrtümlich beim Alten Bund, da es Christus nicht erkennt. Diese Arbeit analysiert italienische Abendmahlsdarstellungen des Tre- und Quattrocento, etwa von Taddeo Gaddi, Ghirlandaio und Leonardo. Judas wird durch verschiedene Darstellungsmittel als einziger Jude am Tisch umgedeutet und repräsentiert als Verräter Christi das gesamte jüdische Volk. Die Untersuchung bezieht die literarische Schöpfungsgeschichte des Judas aus biblischen und außerkanonischen Texten mit ein, um aufzuzeigen, dass das Judasbild nicht einer realistischen historischen Vorlage folgt, sondern von absichtlicher Typisierung geprägt ist. Viele Kunstwerke zeigen ein dichotomisches Darstellungsverfahren, das Parallelen zur literarischen Vorgehensweise aufweist. Zudem wird demonstriert, wie die Künstler eine eigenständige Dramaturgie entwickelten, die nur durch spezifische Mittel des Bild-Mediums erzeugt werden konnte. In der Figur Judas kristallisieren sich vielfältige psychologische, theologische und ethische Auffassungen.