Roland Kießling Livres




In der kuschitistischen Tradition werden die vier eng verwandten Sprachen Iraqw, Gorwaa, Alagwa und Burunge in nördliche und südliche Bereiche der West-Rift-Sprachfamilie unterteilt. Diese Sprachen, die in Tansania gesprochen werden, bilden einen Zweig des Südkuschitischen. Iraqw und Gorwaa gehören zum nördlichen W-R, während Alagwa und Burunge dem südlichen W-R zugeordnet sind. Lexikalische und phonologische Rekonstruktionen von Kießling und Mous zeigen jedoch, dass Burunge als einziger moderner Vertreter des südlichen West-Rift isoliert ist. Das nördliche West-Rift hat mehrere Entwicklungsphasen durchlaufen, wobei sich zunächst iraqwoide und alagwoide Gruppen bildeten. Aus dem Iraqwoid entwickelten sich Iraqw und Gorwaa, während Alagwa aus dem Alagwoiden herauskristallisiert ist. Die sprachliche Nähe von Burunge und Alagwa resultiert aus intensivem Kontakt. Ziel der Arbeit ist eine lexikalische Rekonstruktion des West-Rift Southern Cushitic als Grundlage für ein Lexikon des gesamten Southern Cushitic. Diese Rekonstruktion bietet Einblicke in die Geschichte der West-Rift-Sprachen und deren Subklassifikation und ermöglicht Rückschlüsse auf die Sprechergemeinschaften. Zudem werden Anstöße für zukünftige soziohistorische, ethnographische und archäologische Forschungen gegeben. Weitere relevante Werke zu südkuschitischen Sprachen sind ebenfalls veröffentlicht worden.
Die Südkuschiten, vertreten durch die Iraqw, Gorwaa, Alagwa und Burunge, bilden die älteste Bevölkerungsschicht in Ostafrika. Ihr heutiges Sprach- und Siedlungsgebiet in Zentraltansania ist der Rest einer einst größeren Verbreitung vor der Ankunft der Bantu und Südniloten. Diese Studie nutzt historisch-vergleichende Sprachwissenschaft, um die Merkmale der gemeinsamen Vorläufersprache, des Proto-West-Rift oder Proto-Südkuschitischen, zu rekonstruieren. Die Analyse erfolgt auf lautlicher, morphologischer und syntaktischer Ebene und stellt eine Verbindung zum Gesamtkuschitischen her. Zudem werden die Entwicklungspfade der südkuschitischen Einzelsprachen in historischen Schritten nachgezeichnet. Die linguistischen Ergebnisse werden mit Befunden aus der oralen Tradition, Demographie sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte verknüpft, um die Beziehungen zu benachbarten Völkern wie den ostafrikanischen Khoisan, Bantu und Südniloten zu beleuchten. Das Werk demonstriert exemplarisch die Methoden der historischen Soziolinguistik im afrikanischen Kontext. Das verwendete Sprachmaterial ist in einem separaten Reihenband veröffentlicht. Weitere Monographien zu südkuschitischen Sprachen sind ebenfalls im Programm. Dr. Roland Kießling hat sich mit dieser Arbeit habilitiert und ist seit 2006 Professor für Afrikanistik an der Universität Hamburg.