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Sabine Toppe

    1 janvier 1962
    Die Erziehung zur guten Mutter
    Polizey und Geschlecht
    • In der Spätaufklärung übernahmen Staat und Polizey die Aufgabe, bürgerliche Frauen zur Mütterlichkeit zu erziehen, indem sie die Staatsbürgerin als gute Mutter definierten. Dies trug entscheidend zur Etablierung der modernen Mutterrolle und zu aktuellen Vorstellungen von Weiblichkeit bei, während die hierarchische Ordnung der Geschlechterverhältnisse aufrechterhalten wurde. Ein weitgehend unbekanntes Gebiet in der Pädagogik und den Geschlechterdiskursen der deutschen Aufklärung ist die Rolle der Polizeywissenschaft im Prozess der Normierung der modernen Mutterrolle. Die Polizey war nicht nur für Überwachung und Bestrafung zuständig, sondern auch für Gesetzgebung und das Wohl der Bürger. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts engagierte sie sich aktiv in der Erziehung der Mütter aus gebildeten Schichten. Staatswissensschaftler und Ärzte förderten im Rahmen der medizinischen Polizey Konzepte von mütterlicher Pflege und Erziehung als staatliches Programm. Sie verbanden Medizin, Staatswissenschaft, Philosophie und Pädagogik, um die absolutistische Bevölkerungspolitik in Anleitungen zur Erziehung und Kontrolle von Frauen zu übersetzen. Mit ihren wissenschaftlich fundierten und philosophisch abgesicherten Ansätzen legitimierten sie die soziale und politische Unterordnung der Frauen, die den bürgerlichen Prinzipien von Freiheit und Gleichheit widersprach.

      Polizey und Geschlecht
    • Im Prozeß der Ausformung und Ausbreitung der spezifisch modernen Norm von Mütterlichkeit spielt die Medizin eine entscheidene Rolle: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelten die akademische Medizin und die approbierten Ärzte ein Programm zur Erziehung der Mutter, um deren Verhalten gegenüber ihren Kindern zu legitimieren und zu kontrollieren. Erst in diesem Prozeß setzt sich die Idee von der Mutterschaft als dem zentralen weiblichen Lebensprinzip durch und wird die Mutter universell zuständig und verantwortlich für ihr leibliches Kleinkind. In der ärztlichen Ratgeberliteratur für die 'Mütter der gesitteten und gebildeten Stände' und in den obrigkeitsstaatlichen Schriften der 'Medizinischen Polizey' mit ihrer einzigartigen Verflechtung von Medizin, Pädagogik, Philosophie und Staatswissenschaft formulierten und propagierten die Ärzte das soziale Bild der 'guten Mutter'. Zwar wandten sich die Ärzte zunächst nur an die zahlenmäßig kleine Gruppe der Frauen aus dem gehobenen Bürgertum, aber mit der Durchsetzung des bürgerlichen Familienideals wird diese gute Mutter zur Ideologie und zum Leitbild für die Frauen aller Schichten - bis heute.

      Die Erziehung zur guten Mutter