Zwischen Gestern und Morgen
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Carry Hauser lebte in einem Biedermeierhaus in Wien-Hietzing, wo eine Gedenktafel an ihn erinnert. Sein Sohn bewahrte das Atelier unverändert, sodass ich bei meinen Besuchen an den Tischen und Stühlen saß, an denen Hauser seine Tagesroutine pflegte. Er war ein fleißiger Künstler, der in seiner Kunst auf Zeitereignisse reflektierte. Meine Besuche in Hausers Wohnung schärften meinen Blick auf das Autobiografische und Persönliche. Gespräche mit seinem Sohn brachten private Fotos und Geschichten des Künstlers vor mein inneres Auge, während ich seine Bilder betrachtete. Ich sah Fotos des jungen Mannes und Soldaten, der sich in seinen frühen Werken mit prägenden Personen und Erlebnissen auseinandersetzte: seinen Eltern, dem Krieg, in dem sein Bruder fiel, und seiner erwachenden Sexualität. Briefe an seine Eltern und Tagebucheinträge dokumentieren seine Träume und seine Auseinandersetzung mit der Liebe. Nach einem Umzug aufs Land erfuhr seine Kunst eine spirituelle Wende. 1922 heiratete er, und seine Töchter wurden zu Madonnen. Zurück in Wien baute er ein Netzwerk auf, während er im Hagenbund aktiv war. Die Geburt seines Sohnes Heinz 1934 war ein Höhepunkt seines Lebens. In seinen Arbeiten standen Familie und Religion im Mittelpunkt, und zwei monumentale Werke zierten den Durchgang zu seinem Atelier: Der Heilige Lukas und der Heilige Johannes.
Carry Hauser kreiert 1921 eine poetische Abfolge von 27 Szenenbildern zum Thema Stadt, die zu seinem expressionistischen Frühwerk zählt. Dieses Werk ist aufgrund der wenigen erhaltenen Stücke aus dieser Zeit besonders. Während der Entstehung lebt Hauser in Hals bei Passau, wo er die Künstlergemeinschaft „Der Fels“ mit Georg Philipp Wörlen und anderen gründet. Sein Interesse an der Großstadt entsteht aus dem Kontrast zwischen der ländlichen Umgebung und dem urbanen Wien, dem er in dieser Zeit begegnet. In den frühen 1920er Jahren entwirft Hauser fünf Bücher, darunter das „Buch von der Stadt“, das „Nächtebuch“, „Die große Nacht des Bruders Dominicus“, das „Träumebuch“ und „Die Geschichte von der Moidl“. Von diesen wird zu seinen Lebzeiten nur das „Nächtebuch“ veröffentlicht. Das „Buch von der Stadt“ wird 1928 im Hagenbund und 1931 im Petit Palais in Paris ausgestellt, bleibt jedoch weitgehend unbeachtet. 1989 wird es in einer Ausstellung in Frauenbad bei Baden präsentiert. Nach Jahrzehnten im Privatbesitz seines Sohnes und ohne öffentliche Präsentation freuen wir uns, dieses Werk nun in einer originalgetreuen Reproduktion anbieten zu können.