Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Versuch einer Verknüpfung zweier Schwerpunkte erziehungswissenschaftlicher Forschung unternommen: Einmal einem wissenschaftstheoretischen und methodologischen einerseits mit dem der Thematisierung abweichenden Verhaltens andererseits. Die Ausführungen konzentrieren sich dabei neben dem Nachvollzug zahlreicher Theoriestränge im Umfeld beider Schwerpunkte sowie der Diskussion qualitativer Forschungsmethoden (insbesondere des «narrativen Interviews») auf eine Ortsbestimmung von Erziehungswissenschaft als Interpretations- und Aufklärungswissenschaft mit interdisziplinärem und dialogischem Charakter.
Klaus Kraimer Livres






Soziale Arbeit ist ein Handlungsrahmen, der durch sozialarbeiterische und sozialpädagogische Elemente geprägt ist. In der aktuellen Expansionsphase der Sozialen Arbeit liegt eine Chance in der Rückgewinnung des Pädagogischen, das mit gesellschaftlichen Erziehungs- und Bildungsaufgaben verbunden ist. Diese Forschung untersucht, welche Bedingungen der menschlichen Entwicklung und Erziehung entgegenstehen und welche Lernprozesse die individuelle Aneignung von Identität, Sozialität und Mündigkeit behindern. Es werden Methoden zur Erforschung defizitärer Lebenslagen vorgestellt, die am Beispiel abweichenden Verhaltens in einem lebensweltlichen Kontext zusammengeführt werden. Zudem wird die systematische Einbindung qualitativer Methoden in das Studium an Hochschulen des Sozial- und Erziehungswesens angeregt. Der Inhalt gliedert sich in drei Teile: Teil I behandelt die Grundlagen, das Verhältnis von Sozialarbeit und Sozialpädagogik sowie den Forschungsbedarf. Teil II bietet einen Rückblick auf qualitative Methoden und deren Verhältnis zur quantitativen Sozialforschung. Teil III thematisiert das Konzept der Lebenswelt, die Anamnese als Instrument der Erkundung, das narrative Interview zur Informationsgewinnung, das Erzählen als Methode, lebensweltliche Kasuistik und die Biographieforschung als Weg zur Rückgewinnung des Pädagogischen. Die qualitative Einzelfallstudie wird als Königsweg in der Sozialen Arbeit hervorgehoben.
Die Fallrekonstruktion
Sinnverstehen in der sozialwissenschaftlichen Forschung
Es geht um die Strukturerschließung, die Rekonstruktion des Sozialen. Insbesondere dem Forschungsstil der objektiven Hermeneutik verpflichtet, werden Fälle als soziale Einheiten verstanden, denen allgemeine wie spezifische Sinnstrukturen inhärent sind. Methodisch zugängliches Datenmaterial bilden autobiographische Zeugnisse, Dokumentationen sozialer Handlungsvollzüge, Ausdrucksweisen menschlicher Praxis, Kunstwerke. Der Schwerpunkt liegt auf der Aufklärung charakteristischer Struktureigenschaften von Fällen.
Fallrekonstruktive Soziale Arbeit ist der Autonomie der Lebenspraxis verpflichtet. Ihr Mittel ist die stellvertretende Krisenbewältigung, die auf einem Arbeitsbündnis beruht. Der aufgezeigte Bezugsrahmen ermöglicht die erfahrungswissenschaftliche Rekonstruktion von Krisen, um Soziale Arbeit als forschende Disziplin zu konzeptualisieren. Das Buch soll Studierende und Forschende ermutigen, soziales Handeln kraft eigener empirischer Studien zur Geltung zu bringen – sei es in Qualifikationsarbeiten, in der KlientInnen-, Professions- und Praxisforschung. Klaus Kraimer, Dr. Privatdozent. Professur für Theorie, Praxis und Empirie der Sozialen Arbeit. Mitarbeit: Lena Altmeyer (M. A.), Svenja Marks (M. A.), Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes.
Bildung und Erziehung – Von Klassikern lernen soll Ideen in Erinnerung bringen, die zu 'vergessenen Zusammenhängen' zählen. Das in dieser Textsammlung vorgestellte 'Höhlengleichnis' (Platon) ist eine 'verdeutlichende Parabel', die zeigt, dass Bildung und Erziehung die Befreiung von Unmündigkeit bedeuten, nicht aber eine programmierte Anpassung an gesellschaftliche Verhältnisse. Ebenso wie in dem hier neu abgedruckten Text Kants 'Über Pädagogik' repräsentiert sich darin eine Denktradition, die der Idee der Aufforderung zur Selbsttätigkeit verpflichtet ist. Die Bildbarkeit des Kindes und die Bildung des Erziehers sind notwendige Bedingungen einer Erziehung, die Autonomieansprüche geltend macht und sich nicht blindlings politischen Wunschvorstellungen oder lernpsychologischen Ideen unterwirft. Das Buch bietet eine Übersicht, in der klassische Ideen aus der Geschichte der Pädagogik exemplarisch aufgezeigt werden. Es fordert dazu auf, das Eingesehene der wiedererinnerten Ideen in einer Rückschau auf den Ursprung zu reflektieren und in die aktuelle Praxis der Pädagogik einzubeziehen.
Die Inhalte dieses Buches zielen darauf ab, Bilder, Fotos und Zeichnungen als Ausdrucksformen der menschlichen Lebenspraxis zu interpretieren. Die Texte, die sich um die von Oevermann präsentierte Analyse einer Google-Earth-Werbung gruppieren, thematisieren die Anwendung allgemeiner Prinzipien der Bild-Hermeneutik. Eine methodisch kontrollierte Vorgehensweise wird demonstriert, die es ermöglicht, Bild und Sprache als ein Werk zu verstehen. Es wird betont, dass bildbasierte Untersuchungsdesigns in der Sozialforschung und in der professionellen Praxis, die zur Autonomisierung des Menschen beiträgt, etabliert werden sollten. Eine Kinderzeichnung – 'Drei Wesen mit langen Ohren' – steht im Mittelpunkt, ebenso wie die kritische Auseinandersetzung mit konkurrierenden Bildinterpretationsverfahren, die nicht rekonstruktiv, sondern subsumtionslogisch sind, wie das Testverfahren 'Familie in Tieren'. Ein Familienfoto wird genutzt, um ein Lebensthema im Kontext biografischer Forschung erfahrbar zu machen. Typologisch wird aufgezeigt, wie eine einschränkende Erziehung die autonome Entfaltung des Lebens stört. An einem Einzelportrait wird verdeutlicht, wie 'Fotografien als Quelle der Rekonstruktion von Entwicklungsprozessen' in Lehre und Forschung dienen können und wie professionelle Praktiken damit arbeiten, um Krisen zu identifizieren und deren Bewältigung zu unterstützen.
Der krisenhafte Übergang vom Kind zum Jugendlichen und vom Jugendlichen zum Erwachsenen ist der Stoff, der für viele Kinder und Jugendliche ein zusätzliches Krisenpotenzial enthält: Armut, fehlende Geborgenheit, Grenzüberschreitungen, Erziehungsmängel, Zuschreibungen (Etikettierung/Stigmatisierung), (Medien-) Verwahrlosung sind Beispiele. Primärer Gegenstand der Devianzpädagogik ist die stellvertretende Bewältigung dieses krisenhaften Überganges in das Erwachsenenleben durch die Erziehung zur Mündigkeit (Adorno). Eine unabdingbare Voraussetzung der Devianzpädagogik ist die Ausformung einer pädagogischen und sozialarbeiterischen Professionalität, die im Studium durch Habitusbildung ermöglicht wird.