Bettina Wahrig Livres





Naturwissenschaft, Gleichstellung und Gender Studies an der TU Braunschweig
Interviews mit fünf Wegbereiterinnen
Die hier abgedruckten Interviews spiegeln fünf individuelle Perspektiven aus der neueren Universitätsgeschichte der TU Braunschweig und markieren das 15-jährige Jubiläum des Braunschweiger Zentrums für Gender Studies sowie das 60-jährige Bestehen der Abteilung für Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte. Studierende interviewten zwischen 2016 und 2018 Frauen, welche die Gleichstellungspolitik und die Gender Studies an der Technischen Universität Braunschweig mitbegründet haben. In den Gesprächen geben die Frauen den LeserInnen Auskunft über ihr Leben, ihre Forschungen und ihre Arbeit und gewähren damit einen Einblick in die universitäre Zeitgeschichte – zwei Jahre vor dem nächsten „runden Geburtstag“ der Carolina Wilhelmina (gegründet 1745). Mit Erika Hickel, Eva Neuber, Ingeborg Wender, Ulrike Vogel und Brigitte Doetsch sind hier die Perspektiven zweier Pharmazeutinnen, einer Psychologin, einer Soziologin sowie einer Gleichstellungsbeauftragten versammelt, die uns gemeinsam einen Überblick sowohl über die Lage von Frauen in den Naturwissenschaften als auch über Gleichstellungspolitik und Gender Studies an der TU Braunschweig von ihren Anfängen bis hin zur Gegenwart liefern.
Die Beiträge dieses Bandes beleuchten in historischer Perspektive Geschlechterverhältnisse im Umgang mit Arzneimitteln. Die Fallstudien, die vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert reichen, zeigen Frauen als aktiv handelnde und behandelnde Akteure. Diese Frauen sind Subjekte einer pharmazeutischen Praxis, die nicht immer gesetzlich legitimiert war. Beispiele hierfür sind Leserinnen mittelalterlicher Kräuterbücher, Autorinnen von pharmazeutischen Informationen in der Frühen Neuzeit, adelige Laborantinnen sowie „Pfuscherinnen“, die Arzneien herstellten und anwendeten, obwohl dies gegen Vorschriften verstieß. Zudem wird der Fokus auf die spezifischen Krankheiten und therapeutischen Bedürfnisse von Frauen gelegt. Themen wie die Therapie der Unfruchtbarkeit, die Geschichte des Salbeis und geschlechtsspezifische Therapien in der frühen Homöopathie werden behandelt. Die Ergebnisse bestätigen die These einer bis ins 19. Jahrhundert reichenden Vielfalt therapeutischer Ansätze. Es wird deutlich, dass Versuche, Frauen aus dem pharmazeutischen und medizinischen Handeln auszuschließen, nie vollständig erfolgreich waren. Dennoch wurden im 19. Jahrhundert mit der Vereinheitlichung des Medizinalwesens und der pharmazeutisch-medizinischen Wissenschaften Ausschluss- und Normalisierungsverfahren effektiver.
Die Entstehung des Medizinalwesens in Deutschland ist geprägt von mehreren tiefgreifenden Veränderungen des spätabsolutistischen Territorialstaates. Tendenzen zur Zentralisierung und Reglementierung zeichnen sich auf dem Gebiet von Medizin und Gesundheit der Bevölkerung im 18. Jahrhundert ab. Die fortschreitenden Prozesse in der Gestaltung des Medizinalwesens lassen sich weder allein auf das Gebiet der Medizin, noch auf dem der Verwaltung oder Policey verorten, sondern sind – als Momente einer weitreichenden politischen und gesellschaftlichen Umgestaltung – ein Gemenge von unterschiedlichen Diskurssträngen, Verwaltungspraktiken und Regierungstechniken. Die elf Beiträge des Bandes behandeln drei Schwerpunkte: 1. Die medizinische Policey als Interdiskurs zwischen Policey, Aufklärung und Medizin 2. Die Herausbildung medizinischer Kompetenz, die Kontrolle heilender Personen und den Ausschluss nichtautorisierter Heilender 3. Die Fürsorge und SelbstFürsorge.