Zweck des Sammelbandes ist es, eine Debatte über das Verhältnis zwischen Grammatikalisierungsprozessen und Wortartensystemen zu eröffnen. Im Zentrum steht die Frage, wie sich diachrone Grammatikalisierungsprozesse und synchrone Grammatikalitätshierarchien zur lexikalisch-grammatischen Kategorialisierung des Wortbestandes in natürlichen Sprachen (= Wortartensystemen) verhalten. Während das Wortartensystem üblicherweise bloß als externes Bezugssystem für Grammatikalisierungsprozesse betrachtet wird, wird in den Beiträgen dieses Bandes nach der Grammatikalisierung der Wortarten selbst (in Sprachsystem und Spracherwerb) gefragt.
Clemens Knobloch Livres






Die Buchreihe Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft gibt Aufschluss über Prinzipien, Probleme und Verfahrensweisen philologischer Forschung im weitesten Sinne und dient einer Bestimmung des Standorts der Linguistik und Literaturwissenschaft. Die Reihe übergreift Einzelsprachen und Einzelliteraturen. Sie stellt sich in den Dienst der Reflexion und Grundlegung einer allgemeinen Sprach- und Literaturwissenschaft. Die Bände sind zum Teil informierende Einführungen, zum Teil wissenschaftliche Diskussionsbeiträge.
Schon seit ihrer Gründung in den 1970er-Jahren ist die Reihe Germanistische Linguistik (RGL) exponiertes Forum des Faches, dessen Namen sie im Titel führt. Hinsichtlich der thematischen Breite (Sprachebenen, Varietäten, Kommunikationsformen, Epochen), der Forschungsperspektiven (Theorie und Empirie, Grundlagenforschung und Anwendung, Inter- und Transdisziplinarität) und des methodologischen Spektrums ist die Reihe offen angelegt. Das Aufgreifen neuer Trends hat in ihr ebenso Platz wie das Fortführen von Bewährtem. Die Publikationsformen reichen von Monographien und Sammelbänden bis zu Wörterbüchern. Wissenschaftlicher Beirat (ab November 2011): Prof. Dr. Karin Donhauser (Berlin)Prof. Dr. Stephan Elspaß (Augsburg)Prof. Dr. Helmuth Feilke (Gießen)Prof. Dr. Jürg Fleischer (Marburg)Prof. Dr. Stephan Habscheid (Siegen)Prof. Dr. Rüdiger Harnisch (Passau)
Der Band enthält Essays und Vorträge, die sich, teils publizistisch, teils kritisch-linguistisch mit Themen und Motiven der medialen Macht und Meinungskommunikation auseinandersetzen. Leitbegriffe und Fahnenwörter mit steilen Verwendungskarrieren in den letzten Jahren („Inklusion“,„Diversität“...) werden unter die Lupe genommen, ebenso auch Ausdrücke, die durch ihre Allgegenwart im öffentlichen Reden längst unauffällig geworden sind (wie das heimliche Fahnenwort „sozial“). Was dabei in Umrissen sichtbar wird, ist ein Bündel sprachlicher Machtpraktiken, die dadurch allgemeine Zustimmung zu erzwingen suchen, dass sie Dissidenz moralisch diskreditieren. Kompakte Machtakteure betreten die öffentliche Bühne moralisch gewandet (zur Sache geht es dann hinter verschlossenen Türen!). Das Publikum sieht die Moralfassade und nickt. Wer möchte schließlich nicht zur Gemeinschaft der Guten gezählt werden?
Die drei Studien dieses Bandes handeln von der Herausbildung und Durchsetzung sprachwissenschaftlicher Leitideen in drei sehr unterschiedlichen Epochen: Während der Aufklärung im 18. Jahrhundert, in der Weimarer Republik und den Jahren des Nationalsozialismus und schließlich in der Gegenwart. Die fachlichen Kommunikationsgemeinschaften, in denen sich die Sprachauffassungen durchsetzen mussten, waren zu diesen Zeiten höchst unterschiedlich. Im Denken der Aufklärung ist Sprache das Schlüsselthema. Aus heutiger Sicht imponiert die Sprachauffassung des 18. Jahrhunderts durch ihre Aspektvielfalt. Sie entfaltet sich an den Schnittstellen von Kultur, Gesellschaft und Erkenntnis als Ressource einer Bildungsschicht, die außer Sprache keinerlei andere Machtressourcen hat. In der Weimarer Republik ist es das krisenhafte Ende der Tradition einer überwiegend deutschen Sprachwissenschaft, was die Debatten um die Sprachauffassung bestimmt und völkisch umprägt. Der wachsende Einfluss evolutionistischer Leitideen in der Sprachwissenschaft der Gegenwart ist dagegen ein fächerübergreifendes Phänomen. Wir finden ihn ganz ähnlich in fast allen Wissenschaften vom Menschen.
Wir sind doch nicht blöd!
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Vor 200 Jahren wurde die deutsche Universitätsidee von bedeutenden Denkern wie Wilhelm von Humboldt und Friedrich Schleiermacher ins Leben gerufen und entwickelte sich zu einem weltweiten Erfolgsmodell. Deutschland zog vor und nach 1900 viele an, die moderne Lehr- und Forschungseinrichtungen erleben wollten. Selbst die hochgelobten US-Elitehochschulen orientierten sich an deutschen Vorbildern. Doch dieses Modell steht nun auf der Kippe. Der Staat verordnet den Universitäten, unter dem Deckmantel von Freiheit und Autonomie, ein strenges betriebswirtschaftliches Fitnessprogramm. Clemens Knobloch übt präzise und scharfe Kritik am Bologna-Prozess und kommt zu dem Schluss, dass in einer echten Wissensgesellschaft die Universität nicht den wirtschaftlichen Anforderungen gehorchen sollte, die oft als allgemeines Interesse maskiert werden. Vielmehr muss die Universität selbst Anforderungen stellen an sinnvolles Wirtschaften, verantwortbare Technologien und demokratische Institutionen, um echte Autonomie zu erlangen. In seinem lesenswerten Werk beleuchtet Knobloch die Implikationen und Paradoxien der neuen Macht-Architektur, die die Hochschulreformen der letzten Jahre prägen. Niels Spilker vom DISS-Journal hebt hervor, dass Knobloch eine umfassende Analyse der politischen Semantik dieser Reformen vorlegt.
Volkhafte Sprachforschung
Studien zum Umbau der Sprachwissenschaft in Deutschland zwischen 1918 und 1945
Die vorliegenden Studien verfolgen den 'semantischen Umbau' der Sprachwissenschaft in Deutschland vom Krisendiskurs der Geisteswissenschaften in der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Nach 1918 dominiert bei den deutschen Sprachwissenschaftlern eine hoch ambivalente Einstellung: Das stolze Bewußtsein, einer angesehenen und sehr 'deutschen' Wissenschaft anzugehören wechselt mit der Einsicht, daß die überkommenen Themen, Methoden und Begriffe des Faches keine Zukunft haben. Hinter den Formeln von 'Geist', 'Volk' und 'Ganzheit' sammeln sich die deutschen Sprachwissenschaftler, mit dem Ziel, nach dem politischen Machtverlust des Reiches wenigstens die 'geistige' Vorherrschaft Deutschlands wiederherzustellen und den französischen 'Positivismus' auszustechen. Um so größer sind die Erwartungen, welche das krisengebeutelte Fach in den nationalsozialistischen Staat investiert. Bereits in der Weimarer Republik beschleunigt sich jedoch die Engführung von Professionalisierung und Ideologisierung der Sprachwissenschaft. Diese Engführung vollzieht sich im Zeichen des 'Sprachkampfes' und der Sprachrechte der Grenz- und Auslandsdeutschen. So etabliert sich ein widersprüchlicher Komplex von fachlichen Themen und Deutungsmustern, der die deutsche Sprachwissenschaft weit über den Nationalsozialismus hinaus bis in die 1960er Jahre hinein prägt: im Zeichen von 'Muttersprache' und 'Sprachgemeinschaft'.
Moralisierung und Sachzwang
Politische Kommunikation in der Massendemokratie
Lexikon und Grammatik, die Mittel herkömmlicher Analyse und Beschreibung in der Linguistik, helfen uns beim Verständnis politischer Äußerungen ebensowenig wie die Werkzeuge der klassischen Rhetorik. Wie nähert man sich solchen Äußerungen? Was bedeutet das „Es war schon immer so“ Motiv, wenn Politiker glauben, die Befürchtungen und Bedrohungsängste ihrer Schutzbefohlenen z. B. in Sachen Gen- und Biotechnologie verbal artikulieren und berücksichtigen zu müssen? Worauf zielt eine solche Strategie? Darauf, daß es genügt, den Topos „unvermeidliche Risiken des Fortschritts“ zu evozieren, um Gen- und Biotechnologie als völlig normal erscheinen zu lassen? Das Buch behandelt die folgenden Schwerpunkte: I. Öffentlichkeit, Deutungsrnacht und Zustimrnung II. Schlagwörter, Debatten, Deutungsrnuster III. Strategien IV. Geschichten und Mythen