Michail Gorbacëv
Porträt






Porträt
Als Gattung ist der Polit-Witz aus realsozialistischen Jammertälern ausgestorben, als konservierender Bernstein überlebter Verhältnisse, Führer und Doktrinen ist er unverzichtbar. Und als optimistischer Bruder des kritischen Verstands ist der Witz unsterblich, wann immer politische Trostlosigkeit am Horizont aufzieht – wie Oschlies an „evergreenen“ Kabarettszenen aus Dresden, russischen Scherzliedern von vor 200 Jahren bis zur großen Krise 2008/09 und weiteren Anlässen belegt. Sein Buch ist keine Anthologie des politischen Witzes, keine polit-humoristische Länderkunde, keine Studie zur Psychologie ridiküler Stressbewältigung, keine Hommage an die Größe der kleinen Leute aus verblichenen Großmächten wie der Sowjetunion. Dieses Buch ist von all dem ein bisschen, von weit mehr auch, vor allem aber ist es ein leserfreundlicher Spaß, auf die Gefahr hin, dass dem Leser das Lachen mitunter im Halse stecken bleibt. „Witz ist überlisteter Schmerz“, sagte man in der DDR und minderte Schmerzen mit konspirativer „Kennste den schon“-Witzkultur. Ex-„Ossi“ Wolf Oschlies weiß, wovon er spricht, wenn er DDR-Witze dokumentiert und analysiert. Der studierte Slawist ist nicht minder kompetent, wenn es um Polit-Witze aus dem Bredouille-Dreieck Warschau-Moskau-Belgrad geht.
An einer detailfrohen Geschichte des größten und teuersten Denkmals Europas, das für Stalin auf dem Prager Letná-Plateau, fächert Oschlies Geschichte und Wesen des Stalinismus an der Moldau auf. Das Denkmal war das Werk des Bildhauers Otakar Švec und der Architekten Jiří Štursa und Vlasta Štursová, denen 631 Beschäftigte zuarbeiteten, darunter 23 Bildhauer. So entstand ein monströses Monument: 17.000 Tonnen schwer und 30,5 Meter hoch, wovon allein 15 Meter auf Stalins Standbild entfielen. Im Dezember 1949 startete der Bau, am 1. Mai 1955, über zwei Jahre nach Stalins Tod, wurde das Denkmal feierlich enthüllt, im November 1962, mitten im "Monat der tschechoslowakisch-sowjetischen Freundschaft", auf Moskauer Weisung gesprengt. 137,5 Millionen Kronen, so der Kostenplan vom Oktober 1954, zerstoben zu Bauschutt, dessen Beseitigung über ein Jahr dauerte
1100 Jahre Abenteuer einer Schrift
Russisch zu lernen wird oft durch das kyrillische Alphabet erschwert, doch das ist ein häufiger Selbstbetrug. Kyrillisch wird nicht nur von Slawen, sondern auch von Nichtslawen wie rumänischen Moldauern genutzt. Seit 2013 sind Euro-Scheine mit drei Schriften im Umlauf: Lateinisch, Griechisch und Kyrillisch. Das Alphabet ist nach dem Heiligen Kyrill benannt, der zusammen mit seinem Bruder Method 1980 von Papst Johannes Paul II. zum Schutzpatron Europas ernannt wurde. Kyrilliza und ihr Vorläufer Glagoliza sind künstliche Schriften, deren Ursprünge im Dunkeln liegen, da es keine schriftlichen Überlieferungen von Kyrill und Method gibt. Obwohl Kyrill selbst nicht direkt mit dem kyrillischen Alphabet verbunden ist, wurde dieses 893 zur offiziellen Schriftnorm. Wolf Oschlies beleuchtet in seinem Buch die Geschichte und Verbreitung der Kyrilliza, ihre Reformen, Bedrohungen und Wiederbelebungen. Er entlarvt die Vorstellung, dass das kyrillische Alphabet schwer zu lernen sei. Mit jahrzehntelanger Lehrerfahrung behauptet er, dass viele kyrillische Buchstaben ähnlich wie im Lateinischen sind und die anderen einfach und dekorativ. Ein Versuch lohnt sich!
In neun aktuellen und gründlichen Analysen entwickelt der Autor die Situation und die wesentlichen politischen Probleme des heutigen Makedonien. Die vielen politischen und ethnischen Gruppierungen dort treten plastisch in ihren Interessen und ihrem Zusammenspiel bzw. ihren Gegensätzen hervor. Das “kleine Makedonien” bedeutet dem Autor viel, dies spricht aus jeder Zeile seiner engagierten Untersuchung. Der Text ist überaus faktenreich, hält sich aber gleichwohl in weiten Teilen an die Form eines politischen „Tagebuchs“, was die Zugänglichkeit zu dem komplexen Stoff sehr erleichtert. Der Leser versteht bald, dass Makedonien weder Teil des „historischen Kosovo“ noch eine „westbulgarische Region“, und höchstens in historischer Retrospektive eine „Former Yugoslav Republic“ ist. Makedonien ist vielmehr ein vollgültiger und souveräner Staat, bewohnt von der genuin südslavischen Nation der Makedonen und den Angehörigen von 23 ethnischen Minderheiten, anerkannt von der internationalen Gemeinschaft – allerdings von dieser nur in den seltensten Fällen fair und mit gebotener Rücksicht behandelt. Was macht den politischen Wert Makedoniens aus? Die Antwort dieses Buches lautet: Seine Chance, als Modellfall eines genuin multiethnischen Staates den Weg in eine tolerante und dennoch kulturell identische Demokratie zu meistern.