Einführung in die Ölmalerei für den Hobby-Künstler.
Ingeborg Becker Livres






An einem Tisch im Café sitzt eine junge Frau mit ihrem Begleiter. Sie trägt ein weißes Kleid, ihr Gesicht ist blass, die Augen wach. In der Hand hält sie eine Zigarette. Ihre aufrechte Haltung lässt sie sehr selbstbewusst erscheinen. Das Gemälde »Boheme-Café« stammt von Leo von König. Auch sein Künstlerkollege Ernst Ludwig Kirchner stellt auf seinem Bild »Grüne Dame im Gartencafé« eine junge Frau dar. Sie sitzt alleine vor ihrem Getränk und lässt sich von einer Gruppe Männer im Hintergrund nicht im Geringsten verunsichern. Beide Künstler wählen als Schauplatz ein Café und zeigen einen modernen, emanzipierten Frauentyp. Sie machen deutlich, dass Frauen keinen starken Mann an ihrer Seite benötigen, der sie beschützt und die Rechnung im Café übernimmt. Die zwei Öl-Gemälde erzählen eine ähnliche Geschichte in unterschiedlichen Stilen. Das Kunstwerk »Boheme-Café« von Leo von König aus dem Jahr 1909 ist stilistisch eindeutig vom Impressionismus geprägt. Kennzeichen hierfür sind die überwiegend hellen Farben und feinen Pinselstriche. Im Gegensatz dazu trägt der Künstler Ernst Ludwig Kirchner die Farbe bei seinem Werk »Grüne Dame im Gartencafé« grob auf. Er verwendet kantige Formen und ungewöhnliche Proportionen. Das Bild ist nur drei Jahre später entstanden und gehört eindeutig zum Expressionismus. Das Café als Atelier Der Katalog »Impressionismus – Expressionismus. Kunstwende« sucht Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Stilrichtungen. In einem eigenen Kapitel befasst er sich mit der Darstellung von Freizeitbeschäftigungen. Das Kaffeehaus spielt hier eine wichtige Rolle, denn es ist bei Impressionisten und Expressionisten ein äußerst beliebtes Motiv. Die Maler verlagern um die Jahrhundertwende ihr Atelier ins Freie und an öffentliche Orte. Als Schnittstelle zwischen Privatheit und Öffentlichkeit bieten sich im Kaffeehaus inspirierende Szenen. Außerdem wenden sich beide Stilrichtungen von der akademischen, intellektuellen Kunst ab. Impressionismus wie Expressionismus gelten als Protestbewegungen und stehen für den Aufbruch in die Moderne. Das neue Denken spiegelt sich in der Darstellung der unabhängigen Frau wider. Die sichtbaren Pinselstriche lassen die Gemälde unfertig wirken und bilden einen krassen Gegensatz zur Klassik. Das provozierte und irritierte die Kunstkenner des 19. und 20. Jahrhunderts. Der Katalog: gelungener Vergleich von Impressionismus und Expressionismus In der ausführlichen Einleitung erfährt der Leser die Entstehungsgeschichte, die Rezeption und die wichtigsten Merkmale der beiden Kunstgattungen. Dadurch gelingt es ihm, die Gemeinsamkeiten und Gegensätze in den Kunstwerken problemlos zu erkennen. Auf rund 320 Seiten erwarten den Leser Gemälde von Künstlergrößen wie Vincent van Gogh, Henri de Toulouse-Lautrec oder Edouard Manet. Die 230 hochwertigen Farbdrucke bedeutender Kunstwerke sind thematisch unterteilt. Dabei wird die Chronologie ihrer Entstehung aufgebrochen. So befindet sich zum Beispiel ein Bild von Paul Gaugin aus dem Jahre 1891 unmittelbar neben einem Gemälde von Emil Nolde aus dem Jahr 1914. Dieser direkte Vergleich von Impressionismus und Expressionismus überrascht durch unerwartete Parallelen. Sogar Kunstexperten erhalten hier einen neuen Blickwinkel auf bekannte Gemälde.
Rubens und die Gotische Kathedrale, Ravenna und Caspar David Friedrich gehörten zum wissenschaftlichen Diskurs des Kunsthistorikers Otto von Simson (1912–1993). Aber nicht nur die Bandbreite seiner Forschungen fasziniert, sondern auch sein außergewöhnlicher Lebensweg, der von den Erschütterungen des 20. Jahrhunderts geprägt wurde, und seine vielseitige Persönlichkeit, die Wissenschaft, Kulturpolitik und Diplomatie in sich vereint. Hineingeboren in die großbürgerliche jüdisch-preußische Gesellschaft im Berlin der Wilhelminischen Epoche, setzten die politischen Umbrüche des Nationalsozialismus der Kontinuität der vorgezeichneten wissenschaftlichen Laufbahn von Simsons ein jähes Ende. Nach seiner Promotion bei Wilhelm Pinder in München (1936) folgte die Exilzeit in Amerika. Ab 1945 wurde er zu einem der führenden Mitglieder des renommierten Committee on Social Thought der Universität Chicago. Dort entwickelte er sich zu einem kritischen Beobachter der Zeitgeschichte, der, 1957 nach Europa zurückgekehrt, kulturpolitische Verantwortung für Deutschland und Berlin übernahm: Von Simson war zunächst im diplomatischen Dienst als Ständiger Delegierter bei der UNESCO in Paris tätig, in seine Heimatstadt Berlin kehrte er 1964 mit einem Ruf als Ordinarius an die Freie Universität zurück. Der vorliegende Band unternimmt eine vertiefende kunsthistorische Verortung seiner Schriften und kritische Würdigung seines Lebenswerkes. Erstmals konnte dabei auch der schriftliche Nachlass von Simsons in Berlin und Chicago ausgewertet werden.
Zeitgenossen rühmten die überaus erfolgreichen Bücher des Kunstschriftstellers und Kritikers Julius Meier-Graefe (1867–1935) als »neue Schule des Sehens«. In seinen Schriften konzentrierte er sich auf die moderne Malerei und sensibilisierte das deutsche Publikum für die französische Kunst des 19. Jahrhunderts. Sein Einfluss prägte maßgeblich den Kanon der heutigen Kunstgeschichte. Durch seine schriftstellerische Produktivität und sein kulturpolitisches Engagement wurde er zu einer zentralen Figur für den europäischen Kulturtransfer im frühen 20. Jahrhundert. Freundschaften mit Künstlern wie Munch, van de Velde und Beckmann sowie die Zusammenarbeit mit Sammlern und Museumsleitern machten ihn zu einem einzigartigen Vermittler der Moderne. Als Kosmopolit war seine Perspektive auf die Kunst international. Die versammelten Beiträge legen die Facetten von Meier-Graefes Denkweise und Wirken frei. Autoren aus verschiedenen Disziplinen, darunter Kunsthistoriker, Medien- und Literaturwissenschaftler sowie Künstler, zeichnen seine kunstschriftstellerischen Konturen nach und setzen ihn ideengeschichtlich in den Kontext seiner Zeit. Zudem wird die Bedeutung seiner spezifischen Kritikpraxis für die Gegenwart hinterfragt.

