Mit Kubinke hat Georg Hermann den Angestellten als tragische Figur entdeckt. In seinem Scheitern ist er Falladas »Kleinem Mann«, in seiner Fallhöhe Döblins Franz Biberkopf ähnlich – doch in seiner Liebenswürdigkeit ist Kubinke beispiellos. »Der Mord an Georg Hermann war so gründlich, dass er heute noch wirkt.« — Rolf Vollmann Georg Hermann, Autor von über zwei Dutzend Romanen – seine Geschichte über Jettchen Gebert erschien in 120 Auflagen –, war seinerzeit so erfolgreich wie ein Thomas Mann. Seine Flucht vor den Nazis führte ihn dennoch nur bis Amsterdam, von wo er 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Die Versuche, sein Werk der Nachkriegsleserschaft zu erschließen, scheiterten. Mit Kubinke hat er dem sprichwörtlichen »kleinen Mann«, dem arbeitenden Träumer, der sein Herz am rechten Fleck trägt, ein Denkmal geschrieben. Das Berlin der Kaiserzeit ist der Hauptprotagonist in den Romanen Georg Hermanns. Er lässt die Stadt wachsen, die neuen Kieze breiten sich aus: Schöneberg, Wilmersdorf, Charlottenburg. An allen Orten ist die Stadt im Begriff »hochherrschaftlich« zu werden. Auch Emil Kubinke, der als Friseurgehilfe am 1. April 1908 – da beginnt die Geschichte und sie endet begleitet von den Jahreszeiten nicht einmal ein Jahr später – aus der Provinz in die wachsende Metropole kommt und auf sein Glück hofft, kennt diese Welt nur aus der Distanz: Ihm ist der Dienstboteneingang im »Gartenhaus« vorbehalten, wo er unter dem Dach mit seinem Kollegen Tesch wohnt. Im Vorderhaus hat der Friseur Ziedorn seinen florierenden Salon, verkauft sein Haaröl »Ziedornin« und macht bei vermögenden Damen Hausbesuche. Kubinke sucht schüchtern und naiv und doch voller Begehren sein Glück – auch in der Liebe. Er erprobt sie im Frühling bei Hedwig und Emma, den Dienstmädchen im Haus, die eine drall, die andere schlank. Er findet es und wähnt sich am Ziel bei seiner rothaarigen Pauline aus der Beletage, mit der er sich im Grunewald »verlobt«. Doch Kubinke, arglos und nichtsahnend, wird von den Unterhaltsforderungen seiner Probelieben erpresst – für das Leben in der Großstadt und dessen lockere Moralvorstellungen, ob im Bürgertum oder im »Milljöh«, ist er nicht gewappnet. Ihm legt sich wie von selbst der Strick um den Hals. »Aber endlich, endlich und zum Schluß hoffe ich doch, mir die Gunst des Lesers zu erringen. Denn – da ja in meiner Geschichte viel geliebt wird, so wird mir viel verziehen werden.« (Georg Hermann im Vorwort)
Gundel Mattenklott Livres






Endlich wagt wieder einmal eine Frau, Kinder- und Jugendliteraturgeschichte zu schreiben! G. Mattenklott untersucht die in den Westzonen und der Bundesrepublik seit 1945 erschienene Kinder- und Jugendliteratur und berücksichtigt dabei auch einflußreiche, stilbildende Übersetzungen.§"Niemand hat bisher so viele Titel dieses Zeitraumes berücksichtigt, niemand die in den letzten Jahren errungenen theoretischen Positionen so geschickt in eine historische Übersicht eingebaut." (ekz-Informationsdienst)§"Wer sich mit Kinderbüchern der vergangenen vier Jahrzehnte sowohl unter dem Aspekt der Kindheitsvorstellungen als auch des literarischen Werkes beschäftigen möchte, findet in Gundel Mattenklotts Untersuchung reichlich und detaillierte Information." (Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel)
Arbeit an der Einbildungskraft, 1. Band: Perspektiven
Praxis Musisch-Ästhetischer Erziehung
Gundel Mattenklott untersucht die historisch und aktuell spannungsreiche Beziehung zwischen Musisch-Ästhetischer Erziehung und Kunst. Sie entwirft ein offenes Curriculum für den Lernbereich Musisch-Ästhetische Erziehung in den ersten vier Schuljahren, stellt die Bedeutung von künstlerischen Metaphern des Unterrichts dar und diskutiert Möglichkeiten einer ästhetischreflektierten Unterrichtsplanung und -gestaltung. Sechs Gegenstandsbereiche der Musisch-Ästhetischen Erziehung, von ästhetischen Theorien seit dem 18. Jahrhundert mit unterschiedlicher Intensität thematisiert, kommentiert sie aus pädagogischem, didaktischem und ästhetischem Blickwinkel und entwickelt eine Reihe praktischer Vorschläge. Gundel Mattenklott plädiert für eine Grundschule der Künste, die der überragenden Bedeutung der Kunst in der Geschichte der Gattung Mensch wie des Individuums Rechnung trägt. Diese Schule sollte das allen Menschen eigene ästhetische Vermögen ernst nehmen und fördern und ihren Schülerinnen und Schülern viele Wege zur Kunst öffnen. Das Laboratorium der zeitgenössischen wie die Schatzkammern der alten Kunst bieten Zugänge, die gleichermaßen die Sinne und die Spiellustbefriedigen, die Reflexion herausfordern und zu eigener Produktivität anregen.
Metamorphosen des Märchens
- 134pages
- 5 heures de lecture
Stoffe und Motive, Handlungsmuster und Erzählstrukturen des Märchens bestehen über lange Zeiträume hinweg. Als Kunstform und literarisches Genre ist es jedoch schwer zu definieren und zeigt sich im historischen Prozess als wandlungsfähig. Der Band verfolgt einige Metamorphosen von der Antike bis zur Gegenwart. In der griechischen Antike wird das Märchen vom Mythos absorbiert, wobei Spuren im Homerischen Epos und im spätantiken Roman erkennbar sind. Im Barock, bei Basile, verbindet es Gelehrsamkeit mit dem Witz und der Wirkung der derb-komischen Stimmen der Großstadtstraßen. Im 18. und 19. Jahrhundert erobert es die Theater und Opern und begegnet Lesern in Musik, bildender Kunst und Illustration sowie im 20. Jahrhundert in Comics, Film, Fernsehen und digitalen Medien. Gestaltung und Umgestaltung sind, wie Dieter Richter zitiert, des Märchens ewige Unterhaltung. Es bewahrt eine Balance zwischen intelligentem Witz und populär-unterhaltsamer Wunschbefriedigung. Offensichtlich bietet es ein unerschöpfliches Reservoir von Bildern und Metaphern, in denen Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten und Kulturen Symbole ihres Selbst wiederfinden können. Das Märchen ist somit eines der wenigen kulturellen Integrationsphänomene unserer Gesellschaft und zugleich Weltliteratur im Wortsinn.
Das Buch bietet einen facettenreichen Beitrag zu den Grundlagen ästhetischer Bildung und Erziehung. Der Band versammelt Beiträge und Forschungsansätze aus Philosophie und Erziehungswissenschaft, aus Musik-, Kunst-, Literatur-, Theater- und Medienpädagogik.
Entwerfen und Entwurf
Praxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozesses
Nicht eine umfassende Definition der Begriffe Entwerfen und Entwurf ist das Ziel des Bandes, sondern ihre perspektivische und interdisziplinäre Entfaltung als Grundlage für die Diskussion über Praxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozesses. Aus dem Inhalt: I Philosophische Anthropologie. Sich selbst entwerfen. Pico della Mirandola – Kindheit als Entwurf – Denken im Entwurf. Wittgenstein als Künstler. II Entwerfen zwischen Antike und Moderne. Ex tempore oder limae labor. Literarisches Schaffen in der römischen Dichtung – Ansichten von Zeichnungen – Entwurf einer Klangrede – Freier Entwurf und kompositorische Verfahren im Ausgang von 'aufgeklärter Musik' – Entwurfswege in der Architektur – Pücklers Andeutungen über Landschaftsgärtnerei – Frühe Phototheorie und die Frage der Bildentstehung. III Vom frühen 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Kunst als Arbeit. Vincent van Gogh–Paul Klee–Franz Gertsch – Kasimir Malewitsch: Projektionen ins Weiße – Zufall und Spontaneität – das Gegenteil des Entwerfens? – Editorischer Umgang mit lyrischem Entwurfsmaterial: Erich Arendt – Liste und Text. Werk und Genese bei Georges Perec – Software und Softwarekunst – Gespräch über das Entwerfen.
