Wolfgang Lempert Livres






Die berufliche Ausbildung und die Erwerbstätigkeit vermitteln den Menschen in unserer Gesellschaft nicht nur den Lebensunterhalt, soziales Ansehen und Selbstbewußtsein; die AuseinanderSetzung mit Ausbildungs- und Arbeitsstrukturen schlägt sich auf die Dauer auch in persönlichen Eigenschaften der Menschen nieder und beeinflußt sogar deren außerberufliches Verhalten. Soweit dabei soziale Einflüsse im Vordergrund stehen, sprechen wir von beruflicher Sozialisation. Dieses Konzept wird in einem ersten Hauptteil des vorliegenden Textes - ausgehend von konkreten Fallbeispielen - theoretisch entfaltet. Anschließend werden einige wichtige empirische Untersuchungen der letzten zwei Jahrzehnte referiert und diskutiert. In einem weiteren Kapitel werden zentrale Aspekte der Sozialisation von Auszubildenden und Ausbildenden, Erwerbstätigen und Arbeitslosen systematisch behandelt. Alle Kapitel enthalten Fragen, die die LeserInnen zur Reflexion eigener Erfahrungen beruflicher Sozialisationprozesse anregen sollen.
Soziologische Aufklärung als moralische Passion: Pierre Bourdieu
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Pierre Bourdieu (1930-2002), als Soziologe ebenso berühmt wie als Globalisierungskritiker umstritten, hat uns Fragen hinterlassen: Was war der Treibsatz seiner Karriere, seiner vielen Veröffentlichungen und seines politischen Engagements? Wer war er wirklich: der scharfsinnige Denker seiner Studienjahre, der rastlose Forscher der Folgezeit, der spätere Verkünder einer künftigen Katastrophe oder nur ein extrem ehrgeiziger Intellektueller? Wie passt das alles zusammen? Kein Wunder, dass auch Experten bis heute hierüber streiten. War er doch – je nach den Umständen – mal mehr das Eine, mal mehr das Andere, manchmal auch alles zugleich. Stets aber hat er verborgene Formen sozialer Benachteiligung und Unterdrückung aufgedeckt und gebrandmarkt. So erschließen die Einheit und Größe seiner Lebensleistung und Person sich erst aus der moralischen Perspektive einer Achtung aller Menschen, gerade auch derer, denen unsere Gesellschaft die Anerkennung versagt.
Engagierte Berufserziehung heute sieht sich mit unterschiedlichen Reaktionen von Lehrabsolventen konfrontiert: von Beifall bis Protest. Die Demütigungen, an die sich viele erinnern, zeigen, dass die Lehrjahre oft nicht als positive Erfahrungen wahrgenommen werden. Rückblickend werden diese Erfahrungen manchmal als disziplinierende Maßnahmen akzeptiert, häufig jedoch als überflüssige Unterdrückung kritisiert. Die zugrunde liegende Auffassung von Berufserziehung vermittelt Normen, die unhinterfragt übernommen werden müssen, wobei Gehorsam durch Drohungen erzwungen wird. Dies führt dazu, dass unterdrückte Wut in nachfolgenden Lehrlingsjahrgängen entladen wird. Allerdings ist es wichtig, Normen einzuhalten, um berufliche Leistung zu erzielen und erfolgreich zusammenzuarbeiten. Dies gelingt besser, wenn Auszubildende die Möglichkeit haben, strittige Richtlinien mit Ausbildenden zu diskutieren und zu verändern. Das Buch behandelt verbreitete schlechte und mögliche bessere Ansätze zur Vermittlung normativer Orientierungen und moralischer Kompetenzen in der beruflichen Ausbildung. Es thematisiert die Anforderungen an Ausbildende, insbesondere Lehrkräfte an Berufsschulen, und die bislang ungenutzten Möglichkeiten zur Entwicklung professioneller Handlungsfähigkeit im berufspädagogischen Studium und Referendariat. Es wird aufgezeigt, dass nicht nur die fachliche Qualifizierung reformiert werden sollte, sondern auch die moralische Dimen