Robert Leicht Livres






„Warum ist das Christentum nicht längst untergegangen wie viele Ideen und Bewegungen zuvor? Dieses erstaunliche Faktum läßt sich nur als eine Geschichte des Widerspruchs erklären: Widerspruch in sich, Widerspruch zur Zeit. Und diese Geschichte läßt sich besonders eindringlich erzählen im Widerschein der Bergpredigt, jenem Text, der wie kein anderer dem Geist der Zeiten widerspricht. Robert Leicht, politischer Korrespondent der ZEIT, nimmt die acht Seligpreisungen der Bergpredigt zum Ausgangspunkt von acht Expeditionen in die Widerspruchsgeschichte des Christentums: Krieg und Frieden, Herr und Knecht, Gesetz und Evangelium, Dogma und Toleranz, der historische und der theologische Jesus. Deutlich wird, weshalb über alles Scheitern und Versagen von Kirchen und Christen hinweg das Leben wie der Tod, Botschaft und Beispiel des Jesus von Nazareth die abendländisch geprägte Welt so sehr verändert haben, daß sie seiner nicht vergessen kann. Und daß sie ihre Zeit noch immer nach ihm stellt, obwohl sie vielleicht gar nicht mehr so genau weiß, warum sie sich nun anschickt, das Ende des zweiten Jahrtausends zu feiern - und nicht etwa ein anderes beliebiges Datum. Robert Leicht, geboren 1944, Journalist, arbeitete bis 1985 bei der Süddeutschen Zeitung, seit 1986 ist er bei der Wochenzeitung DIE ZEIT; von 1992-1997 als Chefredakteur, seither als politischer Korrespondent. Im Herbst 1997 wurde er in den Rat der EKD gewählt.“
Aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen zwingen heute auch säkularisierte Gesellschaften zur Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Religion, obgleich dies noch vor wenigen Jahren eine überlebte Diskussion zu sein schien. Zur Verdeutlichung seiner Thesen schildert der Autor anhand historischer Beispiele die Genese der Gegensätzlichkeit von Liberalismus und Kirche: Vor allem liberale Überzeugungen seien es gewesen, die einer modernen, freiheitlichen Gesellschaft den Weg bereiteten, während sich die Amtskirche dieser Entwicklung eher entgegengestellt habe. Dennoch habe sich Religion in einer modernen Gesellschaft nicht überlebt. Robert Leicht plädiert für eine enge Zusammengehörigkeit von Religion und Freiheit. Ein liberaler Staat habe folglich durch seine Verfassung die freie Religionsausübung für alle zu gewährleisten. Dazu gehöre auch, dass Religionsunterricht an staatlichen Schulen als freiwillig wahrzunehmendes Fach angeboten werden müsse. Im Gegenzug hätten die Gläubigen den Staat anzuerkennen und seine Gesetze und gegebenenfalls auch Strafen zu respektieren. Laizismus ist laut Leicht für den liberalen Verfassungsstaat dagegen kein tragfähiges Modell.
„Die Wahrheit wird euch frei machen“ - diese Zusage aus dem Johannes-Evangelium gilt gewiss einer Dimension von Wahrheit, die unser Alltagsverständnis weit übersteigt. Freiheit kann zwar die Religion nicht beschädigen - sehr wohl aber die Religion die Freiheit. Robert Leicht beleuchtet in den hier gesammelten Essays diesen unaufgebbaren Zusammenhang aus den unterschiedlichsten Perspektiven: Wie steht es mit der Anerkennung der Religionsfreiheit anderer Religionen? Welche Rolle spielen die Zehn Gebote in unserer Politik? Wie steht es mit der Kirche in der Demokratie - und der Demokratie in der Kirche? Evangelium und Öffentlichkeit: Wozu studieren wir heute Theologie? Und wie ist das möglich: Christentum als Beruf?