Die Vergangenheitsbewältigung folgt einem scheinbar unveränderlichen Schema, das die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wachhält, während gleichzeitig der Ungeist dieser Ideologien aus dem öffentlichen Bewusstsein verbannt wird. Dies führt dazu, dass sich selbst die wissenschaftliche Literatur nicht ernsthaft mit den Ideen von Persönlichkeiten wie Houston Stewart Chamberlain, Werner Sombart oder Adolf Hitler auseinandersetzt. Das Gedächtnis der Gesellschaft behandelt die Denkweisen der Faschisten anders als die daraus resultierenden Taten, was gravierende Folgen hat. Der menschliche Geist strebt nach umfassenden Erklärungen, doch der gegenwärtige Umgang mit der Vergangenheit zwingt Aufklärungsinteressierte dazu, nur die ihnen präsenten gesellschaftlichen Instanzen und Traditionen zu betrachten. So wird in der Antisemitismusforschung oft nicht das völkische Denken, das die schlimmsten Verbrechen hervorgebracht hat, kritisiert, sondern das Christentum. Diese Studie hat die Aufgabe, diesen fatalen Irrtum zu korrigieren und die zentralen Thesen des deutschen Antisemitismus zu widerlegen, deren Wurzeln vielmehr bei antichristlichen Denkern wie dem jungen Hegel, Feuerbach, Marx, Schopenhauer und Nietzsche zu finden sind.
Dieter Just Livres





Die Schattenseite des Idealismus
Über die geistige Vorbereitung der Tragödie des deutschen Antisemitismus
Um 1800 existierten weder ein deutscher Staat noch eine deutsche Kirche, was zur Gründung der deutschen Nation durch Philosophen und Literaten führte. Fichte definierte mit Begriffen wie „deutsche Sprache“ und „deutsche Sitte“, wer Deutscher sei, und schuf damit die Grundlage für die deutsche Kulturnation vor Bismarcks Reichsgründung. Kultur wird oft als Inbegriff aller Werte verstanden, doch bereits Treitschke prägte das fatale Wort: „Die Juden sind unser Unglück“. Inspiriert von der Staatstheorie der alten Griechen, verbannten Denker wie Platon die Dichter aus dem idealen Staat. Gegen Bismarck formierte sich eine rechte Opposition, deren prominentester Vertreter Paul de Lagarde, „der Prophet der Deutschen“, war und der Fichtes Schüler war. Der Sieg des Geistes Fichtes über Bismarcks Realpolitik im Dritten Reich zeigt, wie stark das politische Schicksal der Deutschen von Weltanschauungen geprägt wurde, die hier erstmals ausführlich dargestellt werden. Der Irrtum, dass der deutsche Antisemitismus aus dem Christentum stamme, entstand aus der Verwechslung von Philosophie mit moralischem Guten und Vernunft. Das Buch beschreibt die Tragödie, die aus der idealistischen Philosophie hervorging, und endet mit einem Appell an die Deutschen, belastende Traditionen wie die überhebliche Formel der Kulturnation abzulegen, um endlich eine europäische Nation zu werden.