Die bürgerliche Erfindung des organisierten Bergsteigens seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bedeutet eine wichtige Etappe im Fortschrittsprozess der Moderne. Der Autor spürt den Erfahrungen nach, welche die Menschen jener Zeit im extremen Hochgebirge und in der Begegnung mit einer allgewaltigen Natur machten. So erstehen vor uns Bilder und Szenen, in denen die heftigen Eindrücke der ersten Alpinisten abzulesen sind. Keine der Bergaktionen war möglich ohne den Einsatz des eigenen Leibes. Den Körpererfahrungen gilt also besonderes Interesse wie auch der Ausrüstung, den Geräten und den frühen Alpintechniken, die heute fast durchwegs vergessen sind. Auf den Gipfeln hinterließen die Bergsteiger Zeichen ihrer Anwesenheit. In einer Phänomenologie und Geschichte der Gipfelzeichen mündet das Buch. Das Gipfelkreuz stellt dabei keineswegs ein Zeichen tiefen Glaubens dar, sondern - so die provokante These - ein Dokument tendenziellen Gottesverlustes.
Martin Scharfe Livres






Das Buch bietet eine tiefgehende Analyse der psychologischen und emotionalen Aspekte des Bergsteigens. Es beleuchtet, wie innere Konflikte, Ängste und die Suche nach Sinn während des Aufstiegs eine zentrale Rolle spielen. Durch persönliche Erlebnisse und Reflexionen wird der Leser eingeladen, die eigene Motivation und die Verbindung zur Natur zu hinterfragen. Die Autorin vermittelt, dass Bergsteigen nicht nur ein physischer, sondern vor allem ein innerer Prozess ist, der zur Selbstentdeckung und zur Auseinandersetzung mit der eigenen Identität führt.
Menschenwerk
- 387pages
- 14 heures de lecture
Menschen haben sich zu allen Zeiten verirrt, doch das Problem des Verirrens wurde nicht immer gleich gravierend wahrgenommen. Die Erleichterung der Orientierung hat eine wechselvolle Geschichte, die in diesem Werk nachgezeichnet wird, insbesondere in den letzten 250 Jahren. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts begannen Wanderer, Reisende und Schriftsteller, die schrecklichen Erfahrungen des Verirrens zu thematisieren und die Bedingungen dafür zu analysieren. Gleichzeitig wurden Lösungen entwickelt und kontinuierlich verbessert. Der Wegweiser ist das auffälligste Hilfsmittel und hat eine bemerkenswerte Wandlung durchgemacht, von seiner menschenähnlichen ersten Gestalt mit der weisenden Hand bis hin zum modernen Pfeil. Weniger sichtbar, aber ebenso bedeutend, ist die Geschichte der Trassierung und Systematisierung von Straßen seit der Erfindung der Chaussee. Insbesondere das Automobil und der später einsetzende Massenverkehr erforderten neue Lösungen, wie die räumliche Trennung der Verkehrsteilnehmer. Die Geschichte des Verirrens und Wegfindens ist bis heute nicht abgeschlossen. Die Bemühungen um intelligente Straßen und die ständige Präsenz von Geisterfahrern im Verkehrsfunk verdeutlichen, dass das Problem nach wie vor aktuell ist.
Es gehört heute selbstverständlich zu Inventar und Programmatik einer modernen Kulturanalyse, Phänomene des Alltags nicht als bloße Bagatellen abzutun und kulturelle Erscheinungen nicht auf ihre Oberfläche zu reduzieren. An der Durchsetzung dieser Paradigmen war und ist Martin Scharfe maßgeblich beteiligt. Dieser Band versammelt eine Auswahl zentraler Studien zu Technik und Zivilisation, Körperlichkeit und Erfahrung, Dingkultur und Museum sowie den Sphären des Unbewussten in Kultur und Kulturwissenschaft. Dabei geht der Autor stets vom konkreten Fall, dem Artefakt, der Gebärde aus, um deren Bedeutungen letztlich in einen größeren kulturhistorischen und kulturtheoretischen Kontext zu stellen - er zeigt somit exemplarisch, wie die Signaturen der Kultur gelesen werden können.
In diesem Buch des Volkskundlers und Kulturwissenschaftlers Martin Scharfe geht es um die empirisch fassbare Volksfrömmigkeit - die „gewöhnliche Religion“ des Alltags in Mitteleuropa also - sowohl in ihren katholischen als auch in ihren protestantischen Prägungen, wie sie sich von der Frühen Neuzeit an bis in die unmittelbare Gegenwart nicht zuletzt als Reflex auf die Todeserfahrung entwickelt hat. Dieser Versuch einer Gesamtdarstellung und eines Überblicks kann auf die reichen Erträge eines Jahrhunderts wissenschaftlicher Tätigkeit von Volkskundlern, Historikern und Theologen zurückgreifen. Religion wird dabei als kulturelle Leistung gedeutet, als Menschen-Werk mithin und nicht als Offenbarung. Dieser Zugang ermöglicht neue Perspektiven jenseits von Standpunkten und Werturteilen und ist genauso neu wie das Vorhaben, auch die Gegenspieler der Religion - Blasphemie, Sakrileg, Zweifel, Desinteresse, Atheismus - als eigenständige und gewichtige kulturelle Leistungen zu würdigen und nicht nur als bedauerliche Zeichen von Abweichung, Hoffnungslosigkeit und Verfall zu denunzieren. Am Ende steht damit die Skizze einer Kultur der Gottlosigkeit, die sich mitten im christlichen Abendland entfaltet hat.
