Angela Krauß beschreibt in ihrem neuen Buch "Wie weiter" ihre Ankunft in Triest, einer Stadt voller Sehnsüchte und Hoffnungen. Sie thematisiert die Ambivalenz von Orten, die einladen oder distanziert bleiben. Mit Respekt und Sensibilität erkundet sie die Stadt und ihre Menschen, die ihr sowohl nah als auch fremd erscheinen.
Beneidenswert: Diese Frau erwacht morgens in eine Welt, die auf sie wartet. Sie tritt zum Frühstück aus dem Haus und will verführt werden. Schon auf dem Weg lacht man ihr entgegen und will sie küssen. Sie wird überall bemerkt, es mangelt nicht an Zuwendung. Jene, die sie vor neun Uhr küssen wollen, sind immer bereits hellwach und voller Wünsche, sie belagern die Stadt an allen Zufahrtsstraßen. Zwölf Jahre nach dem Zeitenwechsel, da die Welt endlich wieder eine Kugel ist, also ohne Anfang und Ende, herrscht an Freunden kein Mangel – ein Zuwachs an Leben, mit dem sie nicht gerechnet hatte, grenzenlos auch er. So erfüllt sie früh am Morgen, wie einst, die Neugier auf alles. Aber schon in der nächsten Kaffeebar verliert sie, was einmal ihre Stärke war. Alle sehen gut aus und verströmen Düfte, die man auf weißen Streifen in den Eingangszonen der Kaufhäuser probieren kann. Mehr will niemand über die anderen wissen. Auch sie nicht. Weggeküßt ist ein Buch über das Verlangen. Es erzählt mit der Angela Krauß eigenen poetischen Kraft und Leichtigkeit von den hektischen Pendelbewegungen der Lust, von schier überquellender Fülle, die den Mangel kaum spürbar werden läßt, von artistischen Versuchen, Unfreiheit wie Freiheit zu beherrschen, und von der seltsamen Welt der Tiere im Zoo.
Es ist Sommer. Die Dichterin hält Mittagstisch an ihrem Platz neben dem Klavier, ihr Mäzen spielt Tennis, siebzehn Flugstunden weit weg, der Besitzer des französischen Restaurants bedient sie stets selbst. Die Oliven sind schwarz, fest und scharf. Dieser lustvolle Weltbezug steht im Gegensatz zu einer Existenz der Askese, zu der niemand Zutritt hat. Beide Lebensplätze – Tisch und Klause – befinden sich im rückwärtigen Viertel , jenem Stadtviertel, von dem es vor dreißig Jahren hieß: Die Russen sind fort . So wie die Dichterin hier Erinnerungs- und Zukunftspartikel einsammelt, bis es zu einer plötzlichen Partikelverdichtung kommt, so abrupt durchfährt sie eines Nachts ein unbekannter Strom, als sollte sie unter hohem Druck aus ihrem Körper vertrieben werden. Es ist an der Zeit, ihre Siebensachen zu packen. In Angela Krauß` magischer Sprache entfaltet sich eine poetische Existenz, in der die Wirklichkeit vibriert – und der Traum ganz handfest erscheint.
In ihren Frankfurter Vorlesungen des Frühjahrs 2004 ruft Angela Krauß solche individuellen Erfahrungen auf, um zwischen den Polen Wehklage und Vorfreude das Poetische für sich zu bestimmen. Mit großer Zartheit befragt sie ihre Erinnerungen an die erzgebirische Kindheitslandschaft, an die Brieffreundschaften mit russischen Schülerinnen, an den früh aus dem Leben geschiedenen Vater, dessen Geheimnis erst die erwachsene Frau näher ergründen kann. Nie ist große Geschichte abstrakt vorhanden, aber unweigerlich hinterläßt sie im einzelnen Leben ihre Spuren.
»Die Welt der DDR in der Landschaft des Erzgebirges am Anfang der fünfziger Jahre, als die Zeit stillzustehen schien, aber mit dem ersten sowjetischen Wasserstoffbombenversuch auch die Unschuld gegenüber dem radioaktiven Gestein in den Hängen des Gebirges verlorenging.Eine Tochter porträtiert ein Vaterleben: »In meiner ausgehenden Kindheit war er der vollkommene Entwurf der Welt, die mich erwartete.«Die Leipziger Autorin Angela Krauß erhielt für eine frühere Fassung dieser filigranen Prosastudie Der Dienstden Ingeborg-Bachmann-Preis des Jahres 1988.»Dienst war nur ein anderes Wort für Abwesenheit. Jegliche Abwesenheit hieß Dienst. Ich war niemals neugierig darauf.«Der Dienst zeichnet den Grundriß einer Kindheit: Streng komponiert, in musikalischer Prosa und lakonisch-scharfen Momentaufnahmen verdichtet Angela Krauß behutsam, aber unbestechlich eine mit Geschichte gesättigte, tragisch endende Lebensgeschichte.«
Es waren kleine Fotografien, aufgenommen von ihrem Vater in den Fünfzigerjahren, die Angela Krauß zu diesem ungewöhnlichen Bekenntnis bewegten. Aus Mutter, Vater, Kind tritt der Mensch in die Welt. Mit der ihr eigenen sublimierenden Kraft erkennt Angela Krauß ihn inmitten seiner Geborgen- und Verlorenheit. Mit diesem Buch wagt sie »die einzig ersehnte Konsequenz des Dichtens: dass meine Person in ihrer poetischen Gestalt restlos auf- also untergeht«. Eine Wiege ist eine Rede in Versen, die uns daran erinnert, wo wir inmitten rasanter Bewegungen zuhause sind.
Sonntagmorgen. Im Dschungel erwachen die Zootiere, während der Schlafgefährte in seinen Träumen verweilt. Kastanorka, ein kleiner Elefant, tapst über den Boden. Fragen nach dem Leben, der Liebe und der Zukunft stehen im Raum. Früher schien die Zukunft selbstverständlich, bis der Revolutionsherbst 1989 alles veränderte. War die Zukunft berechenbar? Kann man sich darauf vorbereiten? „Mit jedem meiner Liebesmenschen führe ich ein anderes Leben, eines von vielen, die in mir bereitliegen.“ Das Leben wird als Zwiesprache mit einer vielfältigen Welt beschrieben, in der Angela Krauß mit drei Liebesmenschen lebt: Leo, der Amerika das Leben rettete, Toma, die nomadische Tatarin, die gen Osten zieht, und der Mann an ihrer Seite. Sie wird ermutigt, nur einen Teil ihrer Sehnsüchte preiszugeben, da das volle Ausmaß ihrer Erwartungen über seine Möglichkeiten hinausgeht. Krauß verwebt das Leben, die Liebe und die große Geschichte in ihr Prosakunststück, das eine Ahnung von Glück ausstrahlt und das Weitermachen beflügelt. „Was einst ein Spiel war, ist heute ein Beschwörungsakt.“ „Ihre Sätze sind Amorpfeile.“ – Andreas Nentwich, Die Zeit.
Jahrzehntelang hatte sie sich von New York Vorstellungen gemacht, ohne es zu
vermissen. Plötzlich aber, in den letzten Wochen unseres Millenniums, wie über
Nacht, will sie nichts dringender als das: nach New York. Angeblich ändert
sich alles, als an die Stelle der Vorstellungen die Wirklichkeit tritt, nicht
als Erfüllung verborgener Sehnsüchte, sondern als absolutes Jetzt. Erregt,
irritiert und vollkommen geistesgegenwärtig läßt sie sich auf die neue Welt
ein. Daß sie jemanden kennenlernen wird, liegt ebenso in der Luft wie der
Erfolg, wie das Glück, die Freiheit... So erfaßt sie der Strom dieser Stadt
und verwandelt sie auf unerwartete Weise. Auf einmal ist sie frei von etwas,
das sie ihr bisheriges Leben lang für ihren Charakter hielt.
Leipzig, nach dem Zeitenwechsel des Jahres 1989. Eine junge Frau in einer Altbauwohnung, mit Blick auf den größten Kopfbahnhof Europas. In einer hochsommerlichen Nacht beginnt sie, die Tapeten vergangener Generationen von den Wänden zu reißen; das robuste Sofa wird wie ein großes Tier zur Strecke gebracht. Alles soll anders werden. Auf und davon fliegt sie, gen Westen, in die geöffnete Welt. Amerika von Minneapolis bis San Francisco im Überflug, der fast schon endet in einem Secondhandladen voller alter Kleider der kurzen amerikanischen Geschichte. Doch die Überfliegerin muss weiter nach Westen, so lange bis der Westen wieder Osten wird: in Moskau, im chaotischen Rußland. »Angela Krauß´ Reise um die Welt gleicht einer Odyssee ohne Nostalgie«, schrieb die Neue Züricher Zeitung, und die Weltwoche urteilte: »Ein kleines literarisches Meisterwerk.« Angela Krauß, geboren 1950, lebt in Leipzig. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis, dem Berliner Literaturpreis, der Bobrowski-Medaille und zuletzt dem Gerrit-Engelke-Preis der Stadt Hannover. Im Suhrkamp Verlag erschienen Das Vergnügen (1988), Kleine Landschaft (1989), Der Dienst (1990), Sommer auf dem Eis (1998), Milliarden neuer Sterne (1999) und Weggeküßt (2002).
Dieses Buch entstand aus dem Kurs "Klimafreundlich Leben" und behandelt die Themen Ernährung, Energie, Verkehr und Konsum. Die Teilnehmer teilen ihre Erfahrungen und zeigen, wie man mit kleinen Veränderungen klimafreundlicher leben kann. Leser sollen durch die Geschichten inspiriert werden, ihr Verhalten zu ändern.