Eine Subgeschichte des Films
Lexikon d. Avantgarde-, Experimental- u. Undergroundfilms






Lexikon d. Avantgarde-, Experimental- u. Undergroundfilms
Als Filmemacher ist Hans Scheugl seit den 1960er-Jahren international bekannt. Seine Arbeiten umfassen Avantgarde- und Dokumentarfilme sowie Aktionen des Expanded Cinemas. Auch als Theoretiker und Autor trat Scheugl hervor und leistete mit Eine Subgeschichte des Films (1974), dem gemeinsam mit Ernst Schmidt jr. herausgegebenem Lexikon des Avantgarde-, Experimental- und Undergroundfilms, Pionierarbeit. Kaum bekannt ist die Bedeutung der Fotografie in seinem Werk. In Scheugls Biografie wechseln Phasen der filmischen Arbeit mit Phasen ab, in denen er vor allem fotografierte. Schon in den frühen Fotos ist erkennbar, dass sich Scheugls Ansätze in beiden Medien überschneiden. Licht und Schatten setzt er als Arbeitsweise in den ersten Porträts zeichenhaft ins Bild. Das Szenische der nächtlichen Wien-Bilder geht über in das Situative der anschließenden Reisefotografie (Frankreich, Spanien, Marokko). Als genauen Beobachter lassen ihn die Aufnahmen der Soziotope zweier Wiener Kommunen und des Überschwemmungsgebietes erscheinen, mit denen der Katalog einen Bogen über drei Jahrzehnte spannt.
Die Macht in der Beziehung der Geschlechter, wie sie in den amerikanischen Filmen der letzten einhundert Jahre zum Ausdruck kommt, leitet sich von den gesellschaftlichen Stellungen, die die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse den Männern und Frauen zugestehen bzw. aufzwingen, ab. In den Siegen, Rückschlägen und brutalen Kämpfen zwischen den Geschlechtern, die in den Filmen als sexuelle Normierungen und Brüche sichtbar werden, rückt in der Summe die gesamtgesellschaftliche Dimension ins Blickfeld. Der Erfolg Hollywoods beruht seit seinen Anfängen auf der Fähigkeit, auf gesellschaftliche Entwicklungen, politische Ereignisse oder einfach nur Moden rasch zu reagieren. Das heißt aber nicht, dass aktuelle Zustände bloß in eine Filmerzählung transkribiert werden. Hans Scheugl versteht vielmehr Entwicklungen filmischer Leitbilder als eine alle Genres einschließende, fortlaufende Metaerzählung, die Realitäten nicht nur aufnimmt, sondern ihre eigenen produziert, die ihrerseits gesellschaftliche Auswirkungen haben können. Die Filmgeschichte ist, so gesehen, eine fortgesetzte, mythische Erzählung, die mit der Realität, aus der sie entsteht, zeitlich parallel läuft, sie berührt und auch beeinflußt, ohne mit ihr identisch zu sein. Sie verleiht den Filmen selbst eine neue Lesbarkeit. Anhand von 1.200 Filmen, erinnerten wie vergessenen, aus den vergangenen hundert Jahren spürt Hans Scheugl dieser mythischen Erzählung nach.
Die Kunst ist jener subversive Teil der Moderne, der deren selbstgezogene Grenze des Denkbaren als philosophische Avantgarde überschreitet. Die im Unsagbaren verborgenen Absichten der Moderne, ihre Beweggründe und Hoffnungen enthüllen sich als eine hartnäckig verfolgte Ideengeschichte in der Kunst. Dieses Buch unternimmt es, die Texte der Kunst in ihrer Hieroglyphik – auch für fachlich nicht vorgebildete Leser – verständlich zu machen, und Zusammenhänge über Epochen und Kunstarten hinweg aufzuzeigen. Eine Geschichte der Kunst ergibt sich daraus nur insofern, als sich die zentralen Ideen der Moderne, ihre immer wieder aufgenommene Bewegung zum Äußersten des Menschenmöglichen hin, ebenso wie ihr wiederholtes Scheitern in der Kontinuität der Kunst wiederfinden.
Während der Wiener Aktionismus mit seinen Auftritten und bildnerischen Werken bereits seit langem „als wichtigster Beitrag Österreichs zur zeitgenössischen Kunst“ (Ina Conzen) gilt, wurde dem Wiener Avantgardefilm dieser Zeit bisher nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Hans Scheugl, selbst Filmemacher, Mitglied der Wiener Avantgarde der 1960er-Jahre und 1974 mit Ernst Schmidt jr. Co-Autor des bei Suhrkamp erschienenen Werks „Eine Subgeschichte des Films“, macht mit dem vorliegenden Buch erstmals deutlich, dass auf dem Gebiet des Wiener Avantgardefilms eine Bewegung auftrat, die eine für Europa beispiellose explosive Entwicklung erlebte. Maßgebliche Initiatoren dieser Entwicklung waren Kurt Kren, Ernst Schmidt jr., Hans Scheugl, Peter Weibel und Valie Export, die hier erstmals als Gruppe vorgestellt werden: die Wiener Filmer. Eine Kunst-Geschichte der 60er-Jahre wäre ohne ihre Wurzeln in der Nachkriegsepoche unvollständig. Deshalb setzt der Autor bei den experimentellen Filmen und der Kunst der 50er-Jahre an (u. a. der Wiener Gruppe und der Wiener Aktionisten) und liefert ein spannendes Zeitbild, das es bisher, wie es sich jetzt zeigt, noch zu entdecken galt. Des weiteren stellt der Autor die Arbeiten der Wiener Filmer in einen internationalen Vergleich und gibt damit auch einen Abriss des amerikanischen und europäischen Undergrounds.