Die Autorinnen und Autoren stellen in ihren Beiträgen zu diesem bisher relativ wenig erforschten bzw. bearbeiteten Thema Überlegungen zur entwicklungsspezifischen Interaktion zwischen Großeltern und Enkelkindern vor. Dabei sind deren leibliche Eltern die Kinder ihrer Großeltern. Ferner stehen die Erforschung der unbewussten transgenerationalen Weitergabe sowie die psychoanalytische Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die die Traumatisierungen und Erwartungen von Vorfahren weitertragen müssen, im Fokus der spannenden internationalen Beiträge der erfahrenen Praktikerinnen und Praktiker.
Peter Bründl Livres






Entwicklungskrise und Entwicklungszusammenbruch in Kindheit und Jugendalter
Jahrbuch der Kinder- und Jugendlichen-Psychoanalyse Band 12
Klinisch-theoretisch und behandlungstechnisch fokussieren die Beiträge auf Entwicklungsstörungen, die aus Spannungen des heranwachsenden kleinen Wesens erwachsen in seiner Abhängigkeit von der bedürfnisbefriedigenden Pflegeperson einerseits und andererseits aus den ganz eigenen Ansprüchen authentisch-eigenen Entwicklungsdrangs, was sich vielfach in einer Adoleszenz unter Druck äußert. Kulturfamilienspezifisch und mit eigenen unbewussten Strebungen gehen die Pflegepersonen mit den Bedürfnissen des Kleinkindes recht unterschiedlich um. Individuell kann dies später zu Störungen von Krankheitswert führen, die möglicherweise wieder verschwinden, sich auswachsen oder aber unter sich transformierender Symptomatik weiterbestehen können. Viele Jugendliche, die an Suizidalität, Essstörungen, Drogenabhängigkeit, Promiskuität, schweren Depressionen, sexuell perversen Praktiken oder Gewalttätigkeit leiden, werden von den die reaktivierten, unvergessenen, aber nicht erinnerbaren, im Körper festgehaltenen, unbewusst gewordenen Objektbeziehungen und Triebstrebungen qualvoll überschwemmt. Dies führt zu einem verzerrten Verhältnis zum eigenen geschlechtsreifen Körper, zu einem verzerrten Realitätssinn, zur Verwerfung anstehender, selbstverantwortlicher Erwachsenheit und zum Zusammenbruch der Entwicklung zum Erwachsensein bei Aufrechterhaltung einer unbewussten, passiven Beziehung zum gleichgeschlechtlichen Elternteil und der Verwerfung der Fähigkeit, aus der infantilen (polymorph-perversen) Sexualität herauszuwachsen. Aufgabe der analytischen Psychotherapie ist es, den leidenden Kindern und Jugendlichen zu helfen, erstmals oder erneut, phasenspezifische Normalität und Kreativität zu erreichen.
Geschlechterdifferenzen im Spielraum
Entwicklung und therapeutische Prozesse bei Mädchen und Jungen
Die internationalen Beitragenden stellen plastisch Behandlungsergebnisse psychoanalytischer Therapien vor, die die neuen Formen der Elternschaft mit konzipieren. Gerhard Roth: Transgenerationelle Weitergabe von Traumata Katarzyna Schier: Wenn die Eltern psychisch noch Kinder bleiben Alicia Lieberman: Kind-Eltern-Psychotherapie Daniel Schechter / Erica Willheim: Wenn Elternschaft undenkbar wird Tessa Baradon: Väter in der Kleinkind-Eltern-Therapie James M. Herzog: Väter und Spiele Adriana Grotta / Paola Morra: Die »bösen Mütter« Petra Heymanns: Entwicklung von Kindern gleichgeschlechtlicher Paare Juliane Bründl / Peter Bründl: Kann eine 14-Jährige eine hinreichend gute Mutter werden? Helene Timmermann: Wir wollen doch gute Eltern sein ... Eva Rass: Elternarbeit in einer psychodynamischen Familientherapie Angelika Zeiler: »Ich habe mein Kind am Schreibtisch bekommen« Fernanda Pedrina / Maria Mögel: Soziale Elternschaft in Pflegefamilien Jack Novick und Kerry Kelly Novick: Kinderecho und das Echo ihrer Eltern Barbara Saegesser: Elternschaft in ostafrikanischen Städten
Die Spätadoleszenz ist der letzte große Brennpunkt der psychosexuellen Entwicklung hin zu einer erwachsenen Identität. Die in dieser Entwicklungsphase auftauchenden Krisen der Persönlichkeitsentwicklung bedürfen einer spezifischen Sensibilität im intersubjektiven Prozess einer psychoanalytischen Behandlung. Gleichzeitig entscheidet sich in der Spätadoleszenz, ob das Individuum sich in kulturelle und gesellschaftliche Prozesse wird einbringen können.
Die kreativen Beiträge des Bandes verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich mit den Bedingungen und Möglichkeiten gelingender und misslingender Transformationen in dieser so entscheidenden Lebensphase differenziert auseinanderzusetzen. Sie spiegeln zugleich – auch international – Unterschiede und Gemeinsamkeiten wider in den Auffassungen der Adoleszenz für die psychische Entwicklung, Behandlung und Theorie. Psychische Entwicklungen der Adoleszenz sind durch neue Anforderungen gekennzeichnet. Sie beinhalten spezifische Chancen, aber unter ungünstigen Voraussetzungen auch erhebliche Konfliktoder Krisenpotenziale. Die Art ihrer Bewältigung hat nachhaltige Folgen für das Erwachsenenleben.
Kindheit jenseits von Trauma und Fremdheit
Psychoanalytische Erkundung von Migrationsschicksalen im Kindes- und Jugendalter
Der Band von Bründl/Kogan betritt mit seinem Fokus auf Migration im Kindes- und Jugendalter Neuland, da psychoanalytische Arbeiten zu diesem Thema im Erwachsenenalter international überwiegen. Die Falldarstellungen zeigen, wie die Kinder- und Jugendlichen-Psychoanalyse zum Verständnis von Kinderschicksalen beiträgt. Entstanden aus der Zusammenarbeit von zehn Dozenten und Lehranalytikern, die über acht Jahre die behandlungstechnischen Besonderheiten bei Migranten diskutierten, bringt das Buch wertvolle Einsichten. Fast alle Gruppenmitglieder hatten langjährige Erfahrungen in der psychoanalytischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, was einen flexiblen, entwicklungsfördernden Bezugsrahmen schuf. Dies war entscheidend für die 14 im Buch dargestellten Behandlungsverläufe, da die Migrationen der Patienten aus geografisch weit auseinanderliegenden Regionen (Korea, Vietnam, Israel, Türkei, Nordafrika, Schwarzafrika, Mittel- und Osteuropa, Brasilien) komplexe Muster der Sozialisation und Identifikation hervorriefen. Traditionelle Modelle früherer Generationen und die Erfahrungen der Therapeuten wurden oft obsolet. Diese neuen Strukturen beeinflussten die Interdependenz zwischen äußerer traumatisierender Realität und der sich entwickelnden unbewussten Innenwelt der Patienten, was sich in neuartigen Übertragungsphänomenen in der Behandlung äußerte.