Lars Göhmann Livres






Wichtigste Aufgabe professioneller Theaterpädagogik findet sich in der Dialektik zwischen den an künstlerischen Prozessen teilhabenden Aspekten von Spiel, Illusion und Utopie. Theater als ein Erlebnis von Welt zu betrachten und zu verstehen, dieses in einer (theater-)pädagogisch verantwortungsvollen Methode zu vermitteln, macht zugleich die Schwierigkeit wie aber auch das Interessante und Spannende theatralen handelns aus.
Das vorliegende Buch setzt sich am Beispiel der Theaterpädagogik mit den Funktionen, Methoden und Zielen einer ästhetischen Bildung an Förderschulen auseinander. Um die Ansprüche an eine ästhetische Bildung zu erfüllen, wird überlegt, ob eine Theaterpädagogik sich deutlich zwischen den Positionen Theater und Therapie entscheiden muss. Das Theater-spiel innerhalb der förderpädagogischen Methodik ist gekennzeichnet von spieltherapeutischen Ansätzen und betont somit innerhalb von schulischer Arbeit die Aspekte sozialen und emotionalen Lernens. Hier wird untersucht, inwieweit Theaterarbeit therapeutische Wirkungen implizieren kann, ohne jedoch primär therapeutischen Ausrichtungen unterworfen zu sein. Wie arbeitet eine Theaterpädagogik an Förderschulen, die sich als Teil der ästhetischen Bildung versteht? Neben der fachtheoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema, findet der Leser einen grundlegenden Einblick in die praktische theaterpädagogische Arbeit innerhalb der einzelnen förderpädagogischen Fachrichtungen. Kolleginnen und Kollegen, die sich im schulischen und außerschulischen Kontext mit dem Darstellenden Spiel beschäftigen, bieten sich die dargelegten Konzepte und Erfahrungen zum Nachlesen und Nachgestalten an.
In den letzten zwanzig Jahren läßt sich innerhalb der Sozial- und Kulturwissenschaften ein zunehmendes Interesse an den Möglichkeiten ästhetischer Bildung feststellen. Die aufkeimende Auseinandersetzung um Fragen zur Ästhetik und die Nutzung ästhetischer Erkenntnis- und ästhetischer Handlungsmomente insbesondere in schulischen Lehr-Lern-Prozessen wird als Hoffnung der Pädagogik angesehen, um in Zeiten postmodernen Denkens, das gekennzeichnet ist von Krisen gesellschaftlicher und individueller Lebenssituationen, ein Gegenmodell herkömmlichen Wissenszugriffs zu diskutieren. Das Sein bestimmt das Bewußtsein, heißt es im allgemeinen, doch zeigt die gegenwärtige Lebenswirklichkeit unserer Arbeits-, Alltags- und Freizeitwelt eine zunehmende Entsinnlichung der von gesellschaftlichen Normen geprägten Realität. Erfolgsfilme wie der deutsche Kinohit des Jahres 1998 `Ballermann 6´ machen nur zu deutlich auf die „kollektive Krise des Gefühls“2 aufmerksam. Genügend Anlaß, um moralisierend den gesellschaftlichen Zustand zu analysieren und zu kritisieren? Oder aber über die Auseinandersetzung mit den Ebenen von `Sein´ und `Bewußtsein´ kulturphilosophische Erkenntnisse zu fördern?
Wie lassen sich die Disziplinen der Theaterpädagogik und Sonderpädagogik miteinander vereinbaren? Lars Göhmann bietet in dieser wissenschaftlichen Studie eine fundierte Antwort. Die Grundlagen, die hier zusammengetragen werden, sind entscheidend, um Theaterereignisse nachzuvollziehen und die Theorie einer schauspielorientierten Theaterpädagogik zu begründen. Darüber hinaus wird ein Bogen zu Fragen der Ästhetischen Bildung geschlagen, einschließlich einer etymologischen Auseinandersetzung mit dem Begriff selbst. Im Mittelpunkt stehen Fragen wie die Schaffung eines Bewusstseins für Kunstmerkmale innerhalb der Sonderpädagogik und die Herausforderungen, die sich aus dem Anspruch an reflektierendes Bewusstsein für ästhetische Bildung an Sonderschulen ergeben. Der Autor beleuchtet die Theaterarbeit mit Behinderten und setzt sich unter dem Aspekt der ästhetischen Bildung mit verschiedenen Behinderungsarten sowie unterschiedlichen Ansätzen zur ästhetischen Bildung und Theaterarbeit auseinander. Abgerundet wird das Werk durch elf thesenartige Positionen zur Theaterpädagogik an Sonderschulen, die die fundierte Kraft und Detailarbeit dieser Schrift verdeutlichen. Die Lektüre ist besonders empfehlenswert für alle, die mit Theaterpädagogik und Behinderten arbeiten oder sich damit beschäftigen möchten. Es ist ein Dokument gewissenhafter Forschung und engagierter Reflexion.
