Die bisher weitgehendste Idee, eine Alternative zum Bürgergeld zu entwickeln, ist der Vorschlag eines „Bedingungslosen Grundeinkommens“ (BGE). Eine sozialistische Perspektive nimmt zentrale Aspekte dieses Vorschlages auf, geht aber über diesen hinaus. Eine „Garantierte Grundarbeitszeit“ (GGA) will nicht nur ein Einkommen garantieren, von dem man leben kann. Sie will zugleich alle menschlichen Tätigkeiten als gleich wichtig für gesellschaftlich produktives Handeln wertschätzen. Damit bekommt die umstrittene Forderung nach einem „Recht auf Arbeit“ einen neuen, emanzipatorischen Sinn. Ob und wie so etwas wie ein BGE oder eine GGA realisiert werden kann, hängt von den gesellschaftlichen Bedingungen ab – beide sind insofern also nicht bedingungslos. In den dafür erforderlichen politischen Auseinandersetzungen geht es darum, die Errungenschaften des fordistischen Modells sozialer Sicherung nicht nur zu verteidigen, sondern darüber hinaus auch neue Formen zu entwickeln. Ob die GGA solche Möglichkeiten eröffnet, soll in den Beiträgen dieses Heftes kritisch erörtert werden.
Widersprüche Livres





Rassismen stellen eine Herausforderung für den Antirassimus dar. In der Theoriebildung wie der Praxis von Bildungs- und Sozialer Arbeit geht es um eine Vermittlung der verschiedenen Ebenen diverser Alltagsrassismen auf einer Mikroebene, über Formen institutioneller Diskriminierung, bis hin zu den ganz unterschiedlichen Formen, in denen diese Rassismen mit gesellschaftsstrukturell verankerten Formen sozialer Ausschließung, Unterdrückung und Ausbeutung einhergehen. Der Selbstanspruch, Rassismen zu entlarven birgt das Risiko, die jeweils konkret und in einer spezifischen Weise von Rassismus Betroffenen aus dem Blick zu verlieren bzw. nur mehr entsubjektiviert als Opfer solch rassistischer Praktiken oder auch Verhältnisse zu sehen. Zudem erschöpft sich das Handeln in Bildungs- und Sozialer Arbeit nicht selten in einer moralisierenden Haltung von Professionellen, die auf diskursiver Ebene eine sensibilisierende, politisch korrekte Sprache einklagen, dabei aber andere rassistische Ungleichheitsverhältnisse aus dem Fokus verlieren.
Vielfältige Krisen erschüttern die Welt gegenwärtig. Statt diesen Krisen mit Solidarität und Demokratie zu begegnen, bieten Rechte und Konservative vermeintlich einfache Lösungen in Form von Militarismus, Nation und Rasse an. Diesen aktuellen Herausforderungen (neu-)rechter Politik und Bewegung sollte Soziale Arbeit sich (entgegen-)stellen, schließlich setzten diese sie ebenfalls unter Druck. Antifaschistische Kolleg*innen werden angegriffen, Arbeitsweisen werden in Frage gestellt und nicht zuletzt werden Finanzierungen gekürzt. Die Soziale Arbeit muss sich immer mehr dafür legitimieren, dass sie Befreiung denken und ermöglichen möchte. Heft 167 stellt sich die Frage, welchen aktuellen Herausforderungen von rechts die Soziale Arbeit begegnen muss, welche Ansprüche sie dabei verfolgt und welche an sie herangetragen werden,- und nicht zuletzt, was sie aus der eigenen Geschichte lernen kann.
Kritische Soziale Arbeit
Verteidigen, Kritisieren, Überwinden zugleich
Seit über 30 Jahren schauen die Widersprüche aus der Perspektive „von unten“ auf alles, was gesellschaftlich vor sich geht. Während traditionelle Theorien der Sozialen Arbeit die institutionellen und professionellen Entwicklungen und deren Verbesserung im Blick haben, begegnen sie herrschenden Regulationsweisen (und ihren Institutionen) mit einer kritischen Haltung. Unter Kritik verstehen sie nicht nur eine Denk-Handlung, sondern, in Anlehnung an Max Horkheimer, jedes menschliche Handeln, „das Gesellschaft selbst zum Gegenstand hat“. Zu (gesellschafts)kritischem Handeln sind alle Menschen fähig. Das zeigt die Arbeit an Herrschaftsverhältnissen, die Leute alltäglich zu leisten haben: ihre Arbeit an Zwang und Repression von integrierenden und ausschließenden Institutionen, ihre Arbeit an verdinglichenden Zumutungen. Dazu gehören auch die Arbeit an der Transformation „komfortabler Unfreiheit“ (Herbert Marcuse) und die Arbeit an Ideologieproduktion. Kritische Soziale Arbeit ist als „Arbeit im und am Sozialen“ (kollektives) Handeln, das durch radikale Kritik der Widersprüche einer herrschaftlich durchgesetzten Lebensweise dazu beiträgt, diese zu überwinden; indem sie jene Ansätze verteidigt, die ein „gutes Leben“ ermöglichen, damit Assoziationen Realität werden können, in der die freie Entwicklung jedes und jeder die Bedingung der freien Entfaltung aller ist.
Die Frage nach Bedingungen der Konfliktbereitschaft und Organisationsmöglichkeiten jener Menschen, die als „Care-Worker“ ihre Arbeitskraft verkaufen, steht im Zentrum von Widersprüche 145. Wie weit trägt der Begriff „Care“ als Klammer für die verschiedenen bezahlten und nicht bezahlten Tätigkeiten? Bildet sich das Gemeinsame erst durch die Widersprüche zwischen Ökonomisierungsprozessen bzw. Vermarktlichung einerseits und der „Stofflichkeit“ der Arbeitsprozesse andererseits, die von den Bedürfnissen der Adressat*innen genauso geprägt sind wie von denen der Lohnarbeitenden? Welche Eingriffsmöglichkeiten bietet der mehr als ambivalente politische Diskurs über die gesellschaftliche Bedeutung von „Care“ zwischen Humankapitalförderung, adult-worker-model und Schuldenbremse?