Wer denkt, aus »Ausländern« könnten je »richtige Deutsche« werden, irrt sich gewaltig: Es reicht nie, ist die Erfahrung hier lebender Muslime. Brillant und bissig erzählt Ozan Zakariya Keskinkılıç von einer konsequenten Verfremdung und bahnt einen Weg der Annäherung.Egal, ob man in Deutschland geboren wurde und sich überhaupt in jeder Hinsicht integriert: Muslim bleibt immer Muslim – fremd, gefährlich, rückständig. Und als Muslimin ist man entweder unterdrücktes Opfer oder erotische Projektionsfläche.Diese Zuschreibungen sind weit älter als die gegenwärtigen angeblich islamkritischen Debatten. Als Orientalika bezeichnet Keskinkılıç solche Gegenstände, Symbole und Sprachspuren, in denen die hartnäckigen Klischees von Orient und Okzident sich spiegeln. Indem er sie mit aktuellen Entwicklungen und eigenen Erfahrungen verknüpft, seziert Keskinkılıç die Fixierung auf »den Islam« als zentrales Feindbild der Gesellschaft.»Muslimaniac« nennt Keskinkılıç diese Erfindung der Muslime als Problem: ein schillernder Begriff, in dem sich gesellschaftliche Konstruktion und Besessenheit mit dem leidenschaftlichen, ironischen Geist des Ausbruchs aus den Stereotypen mischen. Und erst, wenn diese Umkehr gelingt, öffnet sich eine gemeinsame Zukunft jenseits der Stigmatisierungen.
Ozan Zakariya Keskinkılıç Livres






Die Islamdebatte gehört zu Deutschland
Rechtspopulismus und antimuslimischer Rassismus im (post-)kolonialen Kontext
Was verrät eigentlich die Islamdebatte über die Selbstwahrnehmung, die Fantasien und die Begierden einer Gesellschaft, die sie so leidenschaftlich führt?“, fragt Ozan Zakariya Keskinkılıç und blickt hinter die Kulisse des Spektakels. Er verfolgt die Spuren deutscher Islamdebatten historisch zurück und dekonstruiert ‚die Gefahr der Islamisierung‘, die schon in den Verhandlungen der Deutschen Kolonialkongresse Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin heraufbeschworen wird. Keskinkılıç analysiert Argumentationsstrategien des antimuslimischen Rassismus an der Schnittstelle zum europäischen Orientalismus und entlarvt die Fremdkonstruktion ‚des Muslims‘ als Schattenidentität ‚des Deutschen‘. Teilen mit:
Prinzenbad
Gedichte
Prinzenbad ist ein Debüt, in dem es um die Beziehungen von Erinnerung und Sprache, von Raum, Körper und Glaube geht: Wie kann Vergangenheit und Gegenwart im Angesicht von Migration und politischer Geografie, von Liebe, Begehren und Gott erzählt werden? In welcher Gestalt tauchen Erinnerungen auf, wie vermengen sie sich mit der Erfahrung, an einem Ort bezeichnet zu werden und zugleich den Fragmenten in anderen Orten zu folgen? Diese Gedichte sind in ihrer Gesamtheit unter dem Zeichen einer spirituellen Navigation des Selbst, als rebellische Praxis, Grenzen zu übertreten, um zu existieren.
Das Schreckgespenst der Islamisierung geistert umher. «Deutschland» und «Europa» fürchten sich vor «dem integrationsunwilligen Muslim». Zeitgleich entpuppt sich «der Jude» auch heute noch als hartnäckiges Feindbild. Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Künstler*innen nehmen «abendländische» Erzählungen zum Ausgangspunkt, um den politischen, religiösen, historischen wie gegenwärtigen jüdisch-muslimischen Verflechtungen auf die Spur zu kommen. Sie irritieren die Mär des christlich-jüdischen Abendlandes, stellen Fragen nach den Wechselwirkungen von Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus, diskutieren vielschichtige Beziehungen und stellen ihre jeweiligen Erfahrungen in den Vordergrund. Sie zeigen Perspektiven auf, die in weiten Teilen der Gesellschaft nicht gehört werden. Sie berichten von Un/Gleichheiten, kollektiven Erinnerungen und Erzählungen, von Utopien und Widerständen. Beitragende: Ahmad Abouchihab, Iman Al Nassre, Iman Attia, İdil Baydar, Y. Michal Bodemann, Patrick Brooks, Micha Brumlik, John Bunzl, Max Czollek, Pary El-Qalqili, Jo Frank, Alina Gromova, Soufeina Hamed, Tal Hever-Chybowski, Shai Hoffmann, Mohamed Ibrahim, Ozan Zakariya Keskinkılıç, Ármin Langer, Saboura Naqshband, Stefanie Schüler-Springorum, Shemi Shabat, Azadeh Sharifi, Mati Shemoelof, Gil Shohat, Yasemin Shooman, Riem Spielhaus, Hakan Tosuner, Shlomit Tulgan, Ismahan Wayah, Gökce Yurdakul und Layla Zami.
Die Geschichte von Mevlüde und Durmuş Genç bildet den Rahmen der Ausstellung „Solingen ’93“: Eine Familie, die nach Deutschland kommt und sich mit ihren Kindern ein gemeinsames Leben aufbaut. Die Kinder haben Träume: Tochter Hatice möchte Bankkauffrau werden, Enkelin Saime freut sich auf den Kindergarten. Sie wachsen in einer Zeit auf, in der es in Deutschland immer wieder zu rassistischen und rechtsextremen Übergriffen und Anschlägen kommt. Neben der Kontinuität rechter Gewalt zeigt die Ausstellung auch, wie sich migrantische Künstler: innen mit ihrer Lebenssituation auseinandersetzen, wie Menschen anfangen sich politisch einzumischen und sich selbst ermächtigen, ihr Leben in die Hand nehmen. Und dann passiert in Solingen das Unfassbare: in der Nacht zum 29. Mai 1993 zünden vier junge Männer das Haus der Familie Genç an. Fünf Frauen und Mädchen werden ermordet. Familie Genç und die Stadt Solingen finden sich in einem Ausnahmezustand wieder. Es sind Mevlüde Gençs Worte, die der Wut Einhalt gebieten, die sich auf der Straße Bahn bricht: „Lasst uns Freunde sein!“, mahnt sie. Zeitzeug: innen berichten wie sie die Ereignisse erlebt haben. Eine Vielfalt an Stimmen und Perspektiven bilden den Rahmen des Ausstellungskatalogs. Im Zentrum aber stehen die Porträts der Ermordeten und der kürzlich verstorbenen Mevlüde Genç. Die Künstlerin Sandra del Pilar hat mit ihrer besonderen Technik eine Form gefunden, wie sich die Betrachter den vor 30 Jahren gewaltsam aus dem Leben gerissenen Frauen und Mädchen annähern können. Verschiedene transparente Bildebenen und spiegelnde Rahmen schaffen Zwischenräume, die die eigene Position hinterfragen: „Ich bilde die Rahmenbedingung für eine Situation, die das zugelassen hat oder die das in Zukunft verhindern kann“, erklärt Sandra de Pilar. Das Porträt von Mevlüde Genç hat die in Krakau lebende Künstlerin Beata Stankiewicz geschaffen.
Hundesohn
Roman | »Das ist der zärtlichste und klügste Roman seit langem über Liebe, Freundschaft, Begehren.« Martina Hefter
- 224pages
- 8 heures de lecture
Ein Buch von literarischer und gesellschaftlicher Sprengkraft Dies ist eine Liebesgeschichte. Sie spielt im Juni, im Juli, im August in Adana, dreitausend Kilometer weit weg von Berlin. In Berlin lebt Zeko. Hier trifft er Männer in Parks und Cafés, auf Dating-Apps und vor der Moschee. Doch jedes Mal, wenn sich ihre Lippen berühren, reißen ihn die Gedanken zurück zu Hassan, dem Nachbarsjungen in Adana, den Dede, sein Großvater, immer nur »Hundesohn« nennt. Zeko kennt das laute Viertel, den Staub in den Gassen nur aus den Sommerferien. Dann stirbt Dede an einem Herzinfarkt. Aber Zeko will nicht vergessen, nicht den Großvater, der alten Männern die Sorgen aus dem Bart schnitt und auf Arabisch sang, nicht die religiösen Rituale und den Geschmack von Bamya. Und vor allem nicht Hassan. »In neun Tagen werde ich Hassan wiedersehen«, wiederholt er wie ein Mantra: beim Freitagsgebet, in der Therapiesitzung, im Prinzenbad, beim Mittagessen mit seiner besten Freundin Pari. Aber etwas ist geschehen, als Zeko und Hassan sich das letzte Mal sahen. Etwas, das immer heftiger heraufdrängt, je näher der Tag seiner Abreise kommt. Hundesohn erzählt radikal und poetisch von Liebe und Begehren. Von der Euphorie und Verletzlichkeit, der Angst und dem Glück, wenn man liebt. Vom leisen Schrei und lauten Flüstern: am Küchentisch, in fremden Betten und im Gebet. Und vermisst dabei unsere zerrissene Gegenwart, über alle Grenzen von Ländern, Sprache und Körper hinweg.