Johannes Schädler Livres





Es gibt derzeit wohl nur wenig andere wissenschaftliche Disziplinen, in denen theoretische Erkenntnisse und Praxis soweit auseinander klaffen wie in der Heilpädagogik. Während einerseits Begriffe wie Selbstbestimmung, Inklusion, Normalisierung und Individualisierung die fachliche Diskussion prägen, scheint die Praxis der Hilfen für geistig behinderte Menschen in Konzepten zu verharren, die in den 60er Jahren des zurückliegenden oder genauer betrachtet sogar bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt wurden. Einer ambitionierten Rhetorik steht eine überwiegend konzeptionelle veraltete Angebotslandschaft gegenüber, die hohe Kosten verursacht und gleichzeitig eine enorme Veränderungsresistenz aufweist. Warum ist dies so und wie können erfolgreiche Reformstrategien aussehen? Der Verfasser versucht einerseits darzulegen, worin die Gründe für diese tiefsitzende 'institutionelle Beharrlichkeit` liegen und gibt Anhaltspunkte zum Verständnis der Mechanismen, die dieser zu Grunde liegen. Als Erklärungsmodell wird dabei der organisationssoziologische Ansatz des Neo-Institutionalismus herangezogen, der insbesondere Legitimationsaspekte im Verhalten von Organisationen untersucht. Im Ergebnis wird ein verändertes 'Institutionsverständnis` in der Heilpädagogik gefordert, das Institutionen nicht mehr als Gebäude sieht, sondern als Regelwerke, die Organisationen strukturieren. Vor dem Hintergrund solcher Analysen wird unter dem Begriff der 'Offenen Hilfen` ein neuer Typus sozialer Hilfen für Menschen mit geistiger Behinderung beschrieben. Dabei werden die Merkmale und Ziele dieser neuen Hilfeform erziehungswissenschaftlich begründet. Der Leitbegriff der Selbstbestimmung wird in ein sozial-ökologisches Modell eingebettet. Selbstbestimmung im Alltag - so die These - ist keine anthropologisch-festgelegte Eigenschaft eines Menschen, sondern muss als Kompetenzbereich individuell erlernt werden. Bestimmte Bedingungen in der Umwelt sind hierfür begünstigend, andere hinderlich. Daraus wiederum werden Regeln und Ansätze formuliert, mit denen das traditionell-institutionalisierte System der Hilfen für Menschen mit geistiger Behinderung im Sinne des Vorrangs Offener Hilfen verändert werden kann. Die systembezogenen 'Stellschrauben` für Regelveränderungen werden im wesentlichen in der qualifizierten Verbindung von individueller und örtlicher Hilfeplanung gesehen. Dieses Buch richtet sich an TheoretikerInnen und PraktikerInnen in der Behindertenhilfe, an VerbandsvertreterInnen aber auch an Verantwortliche in Sozialpolitik und Sozialverwaltung.
Seit September 2016 führt das Zentrum für Planung und Evatuation Sozialer Dienste (ZPE) der Universität Siegen das Forschungsprojekt ,, Koordinationspotenziale kommunater Teilhabepolitik in der Pflege, Behindertenhitfe und Sozialpsychiatrie (KoKoP)„ durch. Das Projekt wird im Rahmen des Programms,, Vorbeugende Sozialpotitik“ des nordrhein-westfälischen Forschungsinstituts für Gesellschafttiche Weiterentwicklung (FGW) finanziell gefördert. Ziel des Projektes ist es, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Möglichkeiten für Kommunen bestehen, durch Ptanung und Koordination die Wirkungen von Teilhabeleistungen in den Leistungsbereichen der Pflege, Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie zu optimieren sowie professionelle Hilfen stärker mit informellen Ressourcen zu verknüpfen. Mögliche Problemquellen werden u. a. in einer ausgeprägten Sektoralisierung des Leistungsgeschehens vermutet. lm Rahmen eines eintägigen Expertenworkshops am 14. November 2017 wurden zum einen Zwischenergebnisse bisheriger Untersuchungen vorgestellt und diskutiert. Zum anderen wurden in drei Arbeitsgruppen zentrale Fragestellungen des Projekts erörtert. Der vorliegende Band ist eine Zusammenschau von Beiträgen einzelner Teilnehmerinnen dieses Workshops. Prof.