Wondratsch Irene Livres






»Schon wieder einer tot« ... und man könnte ergänzen: Schon wieder war eine die Mörderin. Denn im überwiegenden Teil der 17 Kurzkrimis entledigen sich Frauen ihrer langweiligen, schikanösen, despotischen oder unsensiblen Ehemänner, Liebhaber, Partner und Vorgesetzten. Wenn dann auch mal ein betagter Sohn seine Mutter oder ein Pensionär die Nachbarn auf dem Gewissen hat, macht das das kriminelle Gesamtbild dieses Bandes noch ein wenig runder. Dass diese Kurzkrimis nicht explizit verortet sind wie ansonsten die Bücher unserer Reihe »Mord und Nachschlag« (Regionale Krimis mit Rezepten), mag zunächst ein wenig befremden, aber diverse kleine Hinweise, der Sprachduktus und nicht zuletzt die Herkunft der Autorin Irene Wondratsch lassen schnell erkennen, dass die Kulisse für die Vielfalt der gereichten Morde eine österreichische ist.
Kein Flugzeug am Himmel
Momentaufnahmen
Wien seit Beginn der Corona-Pandemie. Auf den Streifzügen der Autorin durch eine ins Wanken geratene Welt entstand ein fotoloses Fotoalbum: ein Haus und seine Zimmer, ein Garten, Gassen, Landschaften und Figuren, die sie bewohnen. Alltägliche Bilder, aber nichts scheint mehr sicher zu sein. Ängste und Sehnsüchte, existenzielle Einsamkeit und Vergänglichkeit werden in heiterer, gelegentlich auch melancholischer Weise thematisiert.
Das Leben einer Frau in kleinen Textmosaiksteinchen, die sich kaleidoskopartig zu einem Gesamtbild zusammenfügen, wie Blitzlichter beleuchten sie verschiedene Lebensphasen und -themen. So spannt sich ein Bogen von den Fünfzigerjahren bis zur Gegenwart. Aber die Protagonistin erzählt nicht einfach ihr Leben nach, sie poetisiert es und würzt ihr Dasein mit Phantasie. Ihre Sehnsucht gilt dem Außergewöhnlichen, dem Wunderbaren, der Befreiung vom Gängelband der Notwendigkeiten. Also hebt sie mit bunten Luftballons aus dem Alltag ab, setzt seiner Schwere Leichtigkeit entgegen, überwindet die Mühen der Ebene durch ihre Schrägheit, ohne die Bodenhaftung ganz zu verlieren. Oszillierend bewegt sie sich zwischen Realität und Erfindung – für sie eine Möglichkeit, ihr Leben zu bereichern. Da nicht zuletzt Essen ein wesentlicher Bestandteil des Lebens ist, sind auch Kochrezepte eingefügt, die die Sinnlichkeit der Erzählung noch anreichern.
Ooleslef
Wenn der Ausdruck nicht den Erwartungen entspricht.
Ihr Tintenstrahldrucker, der ein Eigenleben entwickelte, war für die Autorin Anlass, mit ihm in eine literarische Korrespondenz zu treten. Von der bloßen Gebrauchsmaschine wurde er zu einem kreativen Geschöpf, dem sie einen Namen gab: Ooleslef. Statt das Erwartete zu drucken, überraschte er mit Zufallsprodukten, die ebenfalls Bestandteil dieses Buches sind – stark fragmentiert, vergrößert oder verschwommen und dadurch inhaltlich verworren wie auch ästhetisch überraschend: Blätter mit 'verunstalteten' Texten, die oft nur Satz- oder Wortfetzen oder einzelne Buchstaben erahnen lassen, manchmal auch völlig sprachlos, abstrakt bildhaft sind. In ihrer Rätselhaftigkeit scheinen sie verschlüsselte Botschaften zu enthalten, die viele Möglichkeiten der 'Dechiffrierung' zulassen. Diese nutzte die Autorin sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der formalen Ebene. In ihrer 'Übersetzung', bei der sie sich zumeist auf das Fragmentarische des Ausgangsmaterials einließ, verwendete sie assoziative und serielle Methoden und förderte oft Skurriles, manchmal auch Poetisches zu Tage.