Safiye Can nimmt es sehr genau mit dem persönlichen Ton. Angefangen von der richtigen Tonalität über die Tonlage oder -farbe des stimmlichen Ausdrucks bis hin zum jeweils einzig passenden Tonfall jeder kleinsten rhythmischen Einheit des poetischen Textes hat sie stets alles präzise im Ohr und wacht darüber als ihrem kostbarsten Eigentum. Es ist ihre Musik. Ihre Liebesgedichte sind eine Art Programmmusik, da tauchen immer wieder Motivverbindungen auf, die uns beim Lesen oder Hören in gewisse Stimmungen versetzen, die Erinnerungen wachrufen, deren dramatische, heitere oder tieftrübe Akzente wir bei Safiye Can wiedererkennen. Und zwar auch dann, wenn uns die vielfältigen Sinnvorstellungen, die dem 'Rose-und-Nachtigall'-Motiv in der tausendjährigen arabischen und türkischen Tradition zugeordnet wurden, fremd sind; und solange wir zudem von Safiye Cans Verhältnis zu diesem kulturgeschichtlichen Background zunächst nicht genau wissen, wie relevant es für ihre literarische Produktion über-haupt ist. Safiye Can ist nämlich Tscherkessin, zu einem türkisch-kulturellen Hintergrund kam sie erst durch den Umstand, dass ihre Vorfahren vor hundertfünfzig Jahren aus dem Kaukasus in die Türkei zwangsumgesiedelt worden sind. Immerhin beherrscht sie das Türkische wie eine Muttersprache, lernte dann aber, da sie in Offenbach am Main geboren wurde und aufwuchs, Deutsch so natürlich als wie eine zweite Muttersprache hinzu. Und in dieser Sprache entfaltet sie sich nun künstlerisch, bringt sie jene poetische Programmmusik zum Erklingen, deren exklusiver Sound seinen Ursprung allerdings irgendwo im Zwischenkulturellen haben mag. Je länger sie dabei bleibt, je mehr Gedichtbände von ihr nach diesem ersten erscheinen mögen, umso genauer werden wir ihre Kunst zu verorten wissen. Die Perspektiven sind jedenfalls mehr als vielversprechend. Gerhardt Csejka Literaturwissenschaftler
Safiye Can thematisiert mit ihrem Titel die Perspektiven des Halbleeren und Halbvollen und hinterfragt das Deutsch- oder Türkischsein. Sie lädt die Leser ein, neugierig Friedrich dem Türken zu folgen und die komplexen Identitäten zu erkunden.
Vier Jahre nach »Kinder der verlorenen Gesellschaft«: Der neue Gedichtband von Safiye Can. »Windlicht für dunkle Tage«, so heißt ein Kapitel in Safiye Cans neuem Gedichtband - ein Bild dafür, was diese Gedichte sind, was Lyrik sein kann. Wörtlich verstanden ist die Pandemie zunächst etwas, das die gesamte Weltbevölkerung betrifft, und in diesem offenen Sinne möchte auch der Titel dieses Bandes gelesen werden. Diesen Versen geht es nämlich um unterschiedliche Pandemien, von denen die Welt befallen ist und schwere Krankheitsverläufe aufzeigt: Diskriminierung, Rassismus, Benachteiligung von Frauen, aber auch Covid-19 und die Liebe. Safiye Cans Gedichte fragen danach, was diese Pandemien mit uns machen, sie spüren dem nach, was diese uns vor Augen führen - oder führen sollten. Ob in Collagen, Formen konkreter und visueller Poesie, im Langgedicht oder in konventioneller Gestalt: Getragen wird diese Lyrik von Rhythmik und Klang, von unerwarteten Wendungen und Bildern. Das mitunter Schmerzliche, das in ihr zum Ausdruck kommt, wird so in einen einnehmenden musikalischen Ton überführt.
((Please scroll down for english version)) Ist Heimat eine Emotion oder ein Ort? Ist sie dort, wo wir aufgewachsen sind oder da, wo wir gerade leben? Existiert sie vielleicht überhaupt nicht (mehr)? Ist sie eine erstrebenswerte Utopie oder ein Reizwort? Ist sie ein unausweichliches Schicksal oder etwas, das man sich selbst schafft? Gibt es nur eine Heimat oder gibt es sie auch im Plural? Das sind die Fragen, mit denen sich das vom Fotografen Peter Bialobrzeski und demWestfälischen Literaturbüro kuratierte Fotografie- und Literaturprojekt »Experiment HEIMAT« auseinandersetzt. Das Buch hält die visuellen und literarischen Ergebnisse der eingeladenen, renommierten Autor*innen und Fotograf*innen fest. Sie reisten im Jahr 2021 an neun verschiedene, »heimatlich« konnotierte Orte in Westfalen, etwa das Hermannsdenkmal, das Schiffshebewerk Waltrop, die Henrichshütte Hattingen aber auch die Ruhr-Universität Bochum. Im Austausch mit dort lebenden Menschen, Vereinen und Tourist*innen untersuchten sie die Bedeutung, die diese dem jeweiligen Ort zuschreiben. Dabei ging es vor allem um die Frage, inwieweit sich der Blick von außen mit der Selbstwahrnehmung der in Westfalen lebenden Menschen deckt. So entstand eine Vielfalt höchst unterschiedlicher künstlerischer Interpretationen des Themas, die das Heimatliche hinterfragen und oft auch ad absurdum führen. Folgende Bild- und Textautorinnen trugen zu »Experiment HEIMAT« bei: Helene Bukowski & Jörg Brüggemann (Fußball in Dortmund), Safiye Can & Aleksandra Weber (Ruhr-Universität Bochum), Nora Gomringer & Nikita Teryoshin (Henrichshütte Hattingen / Schiffshebewerk Henrichenburg), Lütfiye Güzel & Loredana Nemes (Widukindstadt Enger), Sabrina Janesch & Christina Stohn (Golddörfer um den Schmallenberger Wilzenberg), Wladimir Kaminer & Ute und Werner Mahler (Hermannsdenkmal und der Teutoburger Wald bei Detmold), Sharon Dodua Otoo & Peter Bialobrzeski (Genussort Unna), Najem Wali & Alem Kolbus (Schlösser- und Burgenlandschaft im Kreis Coesfeld). Is home an emotion or a place? Is it where we grew up or where we live now? Does it perhaps not exist (anymore) at all? Is it a utopia worth striving for or an idea to be dismissed? Is it an inescapable destiny or something we create for ourselves? Is there only one home or are there many versions of it? These are the questions that the photography and literature project »Experiment HEIMAT« deals with. Curated by the photographer Peter Bialobrzeski and the Westphalian Office for Literature Office, the book captures the visual and literary results of the renowned authors and photographers who where invited to partake in the project. In 2021, they traveled to nine different places in Westphalia with »home-ish« connotations, such as the Hermann's Monument, the Henrichenburg Shiplift and the Ruhr-University in Bochum. In an exchange with local people and clubs as well as tourists, they investigated the meaning those groups ascribe to each place. The main question was whether and to what extent the outside view overlaps with the self-perception of the people living in Westphalia. The result is a mix of highly diverse artistic interpretations of the theme that question the notion of home and often take it ad absurdum. The following image and text authors contributed to »Experiment HEIMAT«: Helene Bukowski & Jörg Brüggemann (football in Dortmund), Safiye Can & Aleksandra Weber (Ruhr-Universität Bochum), Nora Gomringer & Nikita Teryoshin (Henrichshütte Hattingen / The Henrichenburg Shiplift), Lütfiye Güzel & Loredana Nemes (Widukindstadt Enger), Sabrina Janesch & Christina Stohn (villages around the Wilzenberg, Schmallenburg), Wladimir Kaminer & Ute und Werner Mahler (Hermann's Monument and the Teutoburg Forest near Detmold), Sharon Dodua Otoo & Peter Bialobrzeski (Unna), Najem Wali & Alem Kolbus (castles of the Coesfeld district).
die horen haben zu einem Themenband geladen, der sich ganz dem formalen Spiel
widmet - ob man diese Poesieformen nun als konkret bezeichnen mag, als visuell
oder schlicht als poetisches Sprachspiel. Und dies - horenüblich - in
vielfältigen Formen und mit nationalen wie internationalen Beiträgern... Mit
Beiträgen von Konstantin Ames, Timo Berger, Natalia Breininger, Theo Breuer,
Stefan Diezmann, Jürgen Engler, Franzobel, Eugen Gomringer, Ulla Hahn, Kerstin
Hensel, Dirk Hülstrunk, Norbert Hummelt, Juliana Kaminskaja, Ilse Kilic,
Anatol Knotek, Barbara Köhler, Norbert Lange, Franz Mon, Maximilian Murmann,
Astrid Nischkauer, Yüksel Pazarkaya, Jörg Piringer, Arne Rautenberg, Gerhard
Rühm, Gerald Sammet, Wolfgang Schiffer, Hans Thill, Jan Wagner, Stefan
Wieczorek u.a.m.
Safiye Cans Gedichte sind modern und eigenständig, sie spüren den Dingen des Lebens und des Liebens nach. Mit neuen und überraschenden Metaphern besingen sie die Liebe in einem musikalischen Ton, dessen rhythmische Einheiten das Gesagte überführen, wobei ein ganz eigener, besonderer Klang entsteht. Cans Gedichte fragen nach dem Platz des Einzelnen in der Welt, nach Heimat, nach Zugehörigkeit. Sie oszillierten zwischen dem lyrischen Bild und einem starken gesellschaftspolitischen Engagement.Eine exklusiv für die Büchergilde mit der Autorin abgestimmte Auswahl aus Cans gesellschaftskritischen, engagierten Gedichten wie auch aus ihrer Liebeslyrik.Lyrikposter und Sticker als exklusive Beigaben im Buch!
Safiye Cans Gedichte fragen nach dem Platz des Einzelnen in der Welt, nach Heimat, nach Zugehörigkeit. Sie halten Bilanz, vergewissern sich über Erfahrungen seit der Kindheit, werfen wilde Blicke in Unabgeschlossenes, träumen ohne selbstauferlegte Schranken der Vernunft. Entdeckerfreude spiegelt sich in ihnen, die auf ein Vertrauen baut, dass das Fremde nicht für immer fremd bleibt, vielleicht sogar ein selbstverständliches Zuhause wird. Ich wundere mich Ich wundere mich wieso heute alle Menschen lächeln sie lächeln in der Innenstadt sie lächeln an der Hauptwache sie lächeln beim Eisessen sie lächeln auf der Rolltreppe sie lächeln in der S-Bahn sie lächeln an der Haltestelle dann fällt mir aber auf dass nicht sie es sind, die lächeln ich bins, die lächelt sie antworten nur.
'An der fiktiven Haltestelle sitze ich hier fliegt kein Vogel vorbei dennoch schirme ich die Augen ab und blicke hoch hinauf. Meine Träume machen Grimassen nachts ich ziele mit dem Fotoapparat darauf löse den Abzug und drücke einmal, zweimal, dreimal wie sehen Sie die Dinge?' Ein Mensch, ein Kind, eine Dichterin hat sich ihre eigene Haltestelle erschaffen. Eine einsame Insel im Nirgendwo, weit weg von der Banalität, doch mitten im Leben, geschützt und umgeben von Poesie, während das Leben in Großstädten und auf Autobahnen weiter pulsiert. Eine Haltestelle aus Gedichten über das Warten, das Träumen und das Sein. Warten auf das Passende. Einen Menschen, eine Arbeit, eine Gelegenheit. Wer kommt und holt mich ab? Ein Zug, eine Straßenbahn, ein Omnibus, eine Fähre? Ach, wäre es die Liebe selbst. 'Im Epizentrum stehen zwei Menschen eng umschlungen'. Schnell, laut, bunt, die Welt um sie herum von Hektik durchdröhnt. 'Wir können nicht zusammen sein.', sagt der eine, 'öffnen wir das Fenster', schlägt der andere vor, 'öffnen wir die Tür', fügt er erwartungsvoll dazu, doch 'die Möglichkeit des Lächelns zerbröckelt in ihren Händen'. Die Herzen rasen. 'Uhren messen nicht nur die Zeit', die Gefühle werden von Eile begleitet. 'Es ist nicht leicht als Mensch zu leben, nicht leicht.'. Nach dem erfolgreichen Debütbuch 'Rose und Nachtigall' – drei Auflagen innerhalb eines Jahres – liegt der neue Lyrikband von Safiye Can vor. 'Safiye Can, die junge Tscherkessin, die in Offenbach geboren wurde, wird zu den großen Dichterinnen unseres Jahrhunderts gezählt werden', schreibt Michael Starcke. Mit ihrer farbenprächtigen Dichtkunst holt 'das sprachlose Kind als Dichterin' (FAZ) den Leser an einer erträumten Haltestelle ab, um ihn auf eine poetische Reise mitzunehmen, von Offenbach am Main bis nach Istanbul am Bosporus. 'Einfach so, verstehn Sie das? Wohin sollte ich die Möwen tun?'