Kati ist zufrieden. Und Kati lässt sich nicht gerne reinreden in ihre Zufriedenheit. Schließlich ist sie jetzt von zu Hause ausgezogen, da kann doch das Leben nur besser werden. Außerdem ist Kati ein ganz normaler Mensch. Sie hat Sex, eine nervige Mitbewohnerin und eine beste Freundin. Und wer hätte gedacht, dass es so einfach ist, den Mann fürs Leben zu finden! Doch bald wird Davids Nähe zur unerträglichen Bedrohung, sein Verständnis zum Eingriff in eine heile Welt. Kati kann nicht zulassen, dass jemand ihre leidvolle Vergangenheit durchschaut. Und muss obendrein mit ansehen, wie David sich kurzerhand an ihre beste Freundin heranmacht. Kati wehrt sich, mit Sarkasmus, Zynismus, Pathos, aggressivem Witz – was ist nur aus dem Musterkind geworden? –, aber unter diesem glatten Sieg in Worten brodelt es: Zurückgedrängtes meldet sich wieder, Todesphantasien steigen auf, und die Einsamkeit, oh Gott. Melanie Arns’ zweiter Roman schließt in Ton, Schonungslosigkeit und Setting an ihr vielbeachtetes Debüt 'Heul doch!' an. Die Figuren bekommen keine Chance. Sie müssen sich selber helfen.
Melanie Arns Livres


Heul doch! – aber das ist leichter gesagt als getan. Und überhaupt, wer sagt denn, daß das hilft? Wer sagt denn, daß da hinterher irgendwas besser ist? Heul doch – bei der Familie? Der Mutter, der Großmutter? Dem Vater? Wie die schon miteinander umgehn, fast so schlimm wie mit mir. Nein, so auch wieder nicht, mit mir war's schlimmer. Heul doch: damit die sehn, wie's mir geht? Wen interessiert denn das? Wen geht das überhaupt etwas an? Mein Bruder ist tot, das könnte die zum Beispiel etwas angehn. Wollen sie aber nicht wissen, ist wie in der Schule. Obwohl, da ist wenigstens mein Türke. Heul doch? Davon werd ich auch nicht schöner. Ein Mädchen in meinem Alter. Schaut mich eh keiner an. Erst recht nicht, wenn ich zurückschau. Die wollen doch alle nur, was sie im Kopf haben, nicht was sie sehn. Kann ich noch so frech antworten: die einzige, die mir zuhört, bin ich anscheinend selbst. Heul doch, heul doch. Ja, ich hätte allen Grund, frag sie, frag alle, frag meinen Vater. Die Antwort kriegst du dann von mir. Und du wirst sehen: es ist eine schlimme Geschichte, die in dieser Geschichte steckt.