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Horst Rückert

    Vom Folterzentrum der Militärdiktatur zum Ferienort
    Das Blendwerk
    • Das Blendwerk

      • 254pages
      • 9 heures de lecture
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      Über 40 Jahre lang bot die „Colonia Dignidad“, die „Kolonie Würde“, im Süden Chiles ein Musterbild deutscher Tüchtigkeit, Ordnung und Musikalität. Etwa 300 fleißige und fromme Auswanderer verkauften seit Anfang der 60er Jahre für viele Millionen Dollar Wurst und Kuchen, pflegten im eigenen Krankenhaus ihre armen chilenischen Nachbarn und sangen vor prominenten Besuchern in Dirndl und Lederhose Volkslieder und Bach-Choräle. Hinter der sorgsam gepflegten Kulisse vergewaltigte Paul Schäfer, Gründer und Führer der Gemeinde, ungezählte Jungen, ließ auch den kleinsten Zweifel an seiner Allmacht brutal bestrafen. Während der Diktatur von Augusto Pinochet stellte er das hermetisch abgeschottete Siedlungsgelände dem chilenischen Geheimdienst für Folter und Mord an politischen Gefangenen zur Verfügung. Vor den Ermittlern des demokratischen Chile floh Schäfer nach Argentinien, wo er 2005 verhaftet wurde und 2010 im Gefängnis starb. Seine ganz auf ihn eingeschworene Glaubensgemeinschaft löste sich aber keineswegs auf. Als „Villa Baviera“ existiert sie immer noch. Aus dem einstigen Folterlager ist ein Ferienort geworden. Ist dieses „Bayerische Dorf“ heute nichts weiter als eine von vielen Tourismusattraktionen Lateinamerikas? Hat es sich von seiner verbrecherischen Vergangenheit gelöst? Oder lebt der Geist der „Colonia Dignidad“ in der bajuwarisch herausgeputzten Idylle fort? Seit 2006 hat sich Horst Rückert intensiv mit der Geschichte des „Blendwerks“ der „Colonia Dignidad“ beschäftigt und akribisch recherchiert. Dieses Buch bietet erstmals einen umfassenden Überblick.

      Das Blendwerk
    • Als Paul Schäfer, der Gründer und Führer der deutschen „Colonia Dignidad“ in Chile, am 10. März 2005 in Argentinien verhaftet wurde, brach die Geschich-te seiner Gemeinde und der Verbrechen, die in ihr verübt wurden, in einem internationalen Skandal auf. Ein Jahr später wurde er zu 20 Jahren Haft wegen Kindsmissbrauchs und Kindesentführung verurteilt. Schäfer verschwand im Krankenhaus des Hochsicherheitsgefängnisses in Santiago und aus der öffentli-chen Wahrnehmung. Die „Colonia Dignidad“ bestand als „Villa Baviera“ wei-ter, sie ist heute eine Touristenattraktion, ein Eventlokal und eine Produktions-stätte deutscher Wurst- und Käsedelikatessen. Ihre böse Fama fand im Februar 2016 ein spätes Echo in einem mit Emma Watson und Daniel Brühl prominent besetzten Kinofilm gleichen Namens.2 Im Gefolge der kurzen öffentlichen Aufmerksamkeit erschienen nach 2005 erschütternde Berichte von ehemaligen Bewohnern der Siedlung, die über ein Leben mit endloser Zwangsarbeit, sexueller Unterdrückung und grausamen Stra-fen berichteten.3 Mehrere Dokumentarfilme wurden gedreht.4 Ursula Fröhling verband die Nacherzählung der Lebensgeschichten von Ida Ritz, Gudrun Wag-ner und Wolfgang Müller mit der faktenreichen Darstellung der Entstehung von Schäfers Gemeinde im Nachkriegsdeutschland.

      Vom Folterzentrum der Militärdiktatur zum Ferienort