Die Debatte um Arbeitslosigkeit und Beschäftigungspolitik hat, nicht zuletzt durch die 'Kein-Recht-auf-Faulheit'-Parolen, neue Wendungen genommen. Immer häufiger wird unterstellt: Wer es jetzt noch nicht geschafft hat, einen Arbeitsplatz zu erlangen, ist einfach nicht bereit oder aufgrund individueller Einschränkungen nicht in der Lage. Dass der Arbeitsmarkt sich strukturell verfestigt hat und ein Drittel der Erwerbsbevölkerung zunehmend marginalisiert oder gar langfristig ausgegrenzt wird, wird dabei unterschlagen. Zudem darf die Vorverlagerung der Arbeitsmarktinstrumente in die Betriebe nicht auf Kosten der Langzeitarbeitslosen erfolgen. Statt scheinbar beruhigenden Nachrichten über steigende Beschäftigung aufzusitzen oder sich in die Ohnmacht der vorgeblichen Sparzwänge zu stürzen, ist politisches Handeln und erhöhter Mitteleinsatz gefordert.
Klaus Kittler Livres


Stellen die Arbeitslosen eine soziale Bewegung dar oder macht Ausgrenzung durch Arbeitslosigkeit eher ohnmächtig? Massenarbeitslosigkeit gilt unumstritten als eines der drängendsten sozialen Probleme der Gegenwart. Weniger eindeutig zu beantworten ist die Frage, ob aus den Aktionen der Arbeitslosen eine 'Arbeitslosenbewegung' als ein Teil der neuen sozialen Bewegungen entstehen kann. Zwar sind die Arbeitslosenprojekte von Februar bis September 1998 immer wieder, jeweils am Tag der Veröffentlichung der neuesten Arbeitsmarktdaten, 'auf die Straße gegangen', um auf ihre Lebenssituation aufmerksam zu machen, doch nach einer Phase überrraschend großer Resonanz wichen auch diese Aktionen bald mühsamer Alltagsarbeit. Als Vorbild wurde des öfteren die französische Arbeitslosenbewegung beschworen, auch diese aber hat der französische Soziologe Pierre Bourdieu als eine eigentlich 'unmögliche' Bewegung charakterisiert. Gleichwohl ist weiter zu fragen, ob und wie gegen zunehmende Polarisierung, gegen die Ausgrenzung eines immer größer werdenden Teils der Bevölkerung (von Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohnung) vorgegangen werden kann. Allgemeiner: Ist soziale Bewegung überhaupt noch ein politischer Machtfaktor? Zu diesen Themen kamen 1999 in Loccum PraktikerInnen der sozialen Arbeit, Wissenschaftler und VertreterInnen aus der Politik sowie Betroffene zusammen. Die Auswertung ihrer Diskussion wird mit diesem Buch vorgelegt.