Das MfS-Handbuch „Anatomie der Staatssicherheit“ besteht aus einzelnen Teillieferungen, die sich mit der Struktur und Arbeitsweise des MfS am Beispiel einzelner Diensteinheiten und bestimmter Schwerpunktthemen befassen. Die sogenannte Linie VII des MfS stand an der Schnittstelle zwischen dem Ministerium des Innern und dem Ministerium für Staatssicherheit. Sie überwachte und instruierte das Ministerium des Innern sowie seine nachgeordneten Bereiche und organisierte zugleich die Kooperation zwischen beiden Organen. Erst im Jahre 1959 wurde die Abteilung VII in der Zentrale der Staatssicherheit zur Hauptabteilung aufgewertet. Ihre 'Blütephase' erlebte die Diensteinheit in der ersten Hälfte der siebziger Jahre, als die innerdeutsche Entspannung und insbesondere der grenzüberschreitende Reiseverkehr neue 'Gefahren' für die innere Sicherheit der DDR heraufbeschworen.
Tobias Wunschik Livres





„Hitlers Kinder“ nannte Jillian Becker 1977 die linksterroristische Baader-Meinhof-Gruppe. Anlass war eine dramatische Flugzeugentführung, bei der zwei deutsche und fünf palästinensische Terroristen eine aus Tel Aviv kommende Passagiermaschine in Entebbe entführten. Die Täter forderten die Freilassung von 40 Gesinnungsgenossen aus israelischer Haft und trennten die jüdischen Passagiere von den anderen, bedrohten sie mit dem Leben. Ein Israeli zeigte eine Nummer, die ihn als ehemaligen Insassen eines deutschen Konzentrationslagers auswies, und stellte die Frage, wie so etwas im Nachkriegsdeutschland möglich sei. Wilfried Böse, einer der Täter, war irritiert und erklärte, dass sie als Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe eine marxistische Weltrevolution anstrebten. Für die israelischen Geiseln war dieser Unterschied kaum erkennbar. Becker argumentiert, dass sowohl die Nationalsozialisten der dreißiger Jahre als auch die Terroristen der siebziger Jahre Gewalt und Terror einsetzten, um ihren Willen durchzusetzen. Beide Gruppen teilten eine anti-liberale, antidemokratische Haltung und demonstrierten einen elitären Führungsanspruch.
Wer aus der DDR fliehen wollte und dabei gestellt wurde, fand sich meist im Gefängnis wieder. Doch wer zählte noch zu den politischen Gefangenen in der DDR? Deren Weg wird hier von der Festnahme und Verurteilung bis zur Haft in den Strafvollzugsanstalten nachgezeichnet. Dort erwarteten die politischen Gefangenen Bevormundung, harte Arbeit und strenge Strafen selbst bei geringen Anlässen. Neben den Haftbedingungen thematisiert Tobias Wunschik u. a. auch die Rolle der Aufseher, der Gefängnispfarrer und der Staatssicherhei sowie die Veränderungen im Gefängniswesen der DDR. Das Themenheft verdeutlicht, was „politischer Strafvollzug“ in der DDR bedeutete.
Honeckers Zuchthaus
Brandenburg-Görden und der politische Strafvollzug der DDR 1949–1989
Mit bis zu 3500 Gefangenen zählte Brandenburg-Görden zu den größten Haftanstalten der DDR. Diese Studie untersucht das Funktionieren des Strafvollzugs unter den politischen Vorgaben der SED. Ironischerweise diente das Gefängnis, in dem Erich Honecker vor 1945 einsaß, in der DDR dazu, politische Gegner zu inhaftieren. Anhand neu ausgewerteter Akten werden alle Aspekte des Strafvollzugs beleuchtet: die Gefangenen, Haftbedingungen, das Gefängnispersonal und die Staatssicherheit, die verdeckt agierte, indem sie Häftlinge und deren Bewacher als Spitzel anwarb, sogar den Gefängnispsychologen instrumentalisierten. Die Haftwirklichkeit war geprägt von kleinlichen Regeln und der Benachteiligung politischer Gefangener. Eine harte Disziplinarpraxis und willkürliche Handlungen von schlecht ausgebildeten, ideologisch indoktrinierten Aufsehern verschärften die Situation. Fraternisierungstendenzen wurden rigoros bekämpft. Die Häftlinge mussten in unterschiedlichen Betrieben hart arbeiten und wurden zusätzlich durch das korrupte Verhalten des autokratischen Leiters Fritz Ackermann ausgebeutet, der sich illegale Eigenheime bauen ließ. Obwohl westliche Delegationen und die Praxis des Häftlingsfreikaufs unter Honecker die Haftbedingungen etwas linderten, bleibt die Frage, ob der Westen für die politischen Gefangenen in der DDR nicht mehr hätte erreichen können.
Viele westliche Firmen ließen in der DDR produzieren, wobei 250 ostdeutsche Betriebe neben „freien“ Arbeitern auch Häftlinge, darunter politische Gefangene, beschäftigten. Diese Häftlinge verdienten kaum etwas, während die Westkonzerne und SED-Firmen als Zwischenhändler den Profit einstrichen. Produkte wie Möbel, Strumpfhosen, Schreibmaschinen, Fotokameras, Werkzeugkästen und Motorradteile stammten teilweise aus Haftanstalten wie Halle, Hoheneck, Bautzen oder Brandenburg. Das Versandhaus Neckermann bezog Fernseher, der Stahlkonzern Mannesmann Eisenwaren und die Drogeriekette Schlecker Haushaltskerzen, die von Gefangenen gefertigt wurden. Die Konzernleitung von Quelle wusste, dass Häftlingsarbeiterinnen die Bettwäsche genäht hatten. Diese preisgünstigen Waren wurden sowohl nach Westeuropa als auch in den Nahen Osten verkauft. Trotz der schlechten Arbeitsbedingungen in der DDR ignorierten Industrie und Handel die niedrigen Produktionskosten. Die Bundesregierung wollte in den 80er Jahren zwar die Importe aus der DDR drosseln, jedoch nur zum Schutz der heimischen Wirtschaft, obwohl bekannt war, dass Gefangene diese Waren produzierten. Politische Häftlinge mussten oft unter gefährlichen Bedingungen mit Kriminellen arbeiten und erhielten dafür weniger Lohn. Tobias Wunschik belegt mit neuen Aktenfunden die Ausbeutung der Gefangenen und die Firmen, die davon profitierten, und beschreibt das Geschäft mit den Waren aus den DDR-Haftansta