Die DDR-Heimerziehung ist – trotz zahlreicher Veröffentlichungen in jüngster Zeit – ein noch immer kontrovers diskutiertes Feld. Zu wenig weiß man bisher über die konkreten Lebensbedingungen in den Einrichtungen der Jugendhilfe und zu widersprüchlich ist die nachträgliche Bewertung des Heimaufenthaltes seitens der Betroffenen. °°Die Arbeitssituation von Kindern und Jugendlichen in DDR-Jugendhilfeeinrichtungen war Gegenstand einer von der Ostbeauftragten der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie, deren Ergebnisse hier präsentiert werden. Die Autoren werfen einen differenzierten Blick auf ein komplexes System, das von Arbeitserziehung, Strafarbeit, Berufsausbildung bis hin zu Arbeit unter Zwang reichte, und stellen die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen von Arbeitseinsätzen in der DDR-Heimerziehung dar. Ein besonderer Fokus liegt auf den Auswirkungen der Arbeitsformen auf die weitere Biografie der Betroffenen und deren heutiger Bewertung der Erlebnisse. Abschließend geht es um die Frage, ob Arbeitsbedingungen und -tätigkeiten in den Heimen der DDR eine°°Form von „Zwangsarbeit“ darstellten.°°
Anke Dreier Horning Livres





Streckenläufer
„Erziehung zur und durch Arbeit“ in den Jugendwerkhöfen der ehemaligen Nordbezirke der DDR
Von der Arbeit in Jugendwerkhöfen berichten Betroffene in der Beratung bei der Landesbeauftragten und für den Fonds Heimerziehung seit vielen Jahren und sehr eindrücklich. Zu diesen erschütternden Zeitzeugenberichten gehört auch das titelgebende Beispiel des Streckenläufers, der als Lotse für ein Agrarflugzeug mutmaßlich mit Pflanzenschutzmitteln kontaminiert wird. Diese Arbeit wurde und wird von den meisten der ehemaligen Insassen als wesentlich und prägend in ihrer Unrechtserfahrung als Zwangsarbeit, Ausbeutung und Disziplinierungsinstrument wahrgenommen und benannt. Bisher wissen wir aber zu wenig darüber, was mit dem Konzept der Arbeitserziehung beabsichtigt war, wie die rechtlichen Grundlagen aussahen, ob die uns bekannten, zumeist sehr negativen Erfahrungen der Betroffenen zu verallgemeinern sind. Handelt es sich bei der Idee einer Erziehung zur und durch Arbeit im Jugendwerkhof lediglich um eine Verschleierung der Repressionsabsicht? Scheiterte das Konzept an den Zwängen der Mangelökonomie und der ideologischen Verblendung? War es das Unvermögen und Versagen der Beteiligten? Diese Fragen sollen in einer differenzierten Betrachtung von Anspruch und Wirklichkeit mit Blick auf die regionalen Besonderheiten der ehemaligen Nordbezirke Neubrandenburg, Rostock und Schwerin geklärt werden.
Diese Studie ist durch einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg zur Aufarbeitung der Jugendhilfe im Stadtbezirk initiiert worden. Der Bezirk Lichtenberg in Berlin war bis Oktober 1949 Sitz der sowjetischen Militäradministration und bis 1989 Sitz des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.°°°°Die Autoren beschäftigen sich mit der Heimerziehung des Bezirkes von 1945 bis 1989. Dabei geht es nicht allein um die Kinderheime und deren Erziehungspraxis, sondern auch um die Tätigkeit der Jugendfürsorger und Jugendhelfer im Vorfeld der Heimeinweisungen. Es wird dabei anhand exemplarischer Fälle die Arbeitsweise der DDR-Jugendhilfe und deren pädagogische Grundhaltung nachvollzogen.°°
Pädagogisches Niemandsland.
Die Durchgangseinrichtungen der ehemaligen Nordbezirke der DDR von 1949 bis 1989.
Diese Publikation ist eine Bestandsaufnahme von Erziehungskonzepten und realen Lebenswirklichkeiten in den Heimen der DDR von 1949 bis 1990. Die Darstellung ist als Einführung in diese Thematik für diejenigen gedacht, die mit der Aufarbeitung des Schicksals der Heimkinder der ehemaligen DDR befasst sind. Viele Mitarbeiter privater und öffentlicher Institutionen werden in den kommenden Jahren mit dem Thema im Rahmen ihrer Tätigkeit konfrontiert sein. Die „Einführung. Heimerziehung der DDR“ soll die alltägliche Arbeit der bundesweiten Beratungsstellen, der Rehabilitierungskammern der Landgerichte, der universitären Ausbildung, der Versorgungsämter und Kliniken der Psychiatrie und Psychotherapie erleichtern. Die Publikation ist eine kompakte und übersichtliche Handreichung, die alle bisherigen Grundkenntnisse auf dem Gebiet verständlich zusammenfasst.