Die Berliner Schule der Ägyptologie im »Dritten Reich«
Begegnung mit Hermann Grapow






Begegnung mit Hermann Grapow
Assur & Aggada
Morris Jastrow jr. wurde am 13. August 1861 im damals russischen Warschau als Sohn des preußischen Rabbiners Marcus Jastrow geboren, der für sein Wörterbuch „A Dictionary of the Targumim“ von 1903 sehr bekannt ist. Dessen Sympathien für die polnische Unabhängigkeit führten zur Ausweisung der Familie nach Deutschland, von wo sie 1866 nach Philadelphia auswanderte. Morris setzte seine in den USA begonnenen Studien in Breslau (Jüdisch-Theologisches Seminar) sowie in Leipzig, Straßburg und Paris fort. Nach der Promotion 1884 in Leipzig kehrte er nach Philadelphia zurück, wo er Dozent für „Semitic Studies“ wurde. Ab 1888 wirkte er an der Universitätsbibliothek sowie in zahllosen gelehrten Gesellschaften. Er publizierte auch zu gesellschaftspolitischen Themen: dem Babel-Bibel-Streit, zur Bagdadbahn oder zum Zionismus. Sein plötzlicher Tod am 22. Juni 1921 beendete seine überaus produktive und weit vernetzte Tätigkeit abrupt.
Die Konfession deutscher Orientalisten rückt zunehmend in den Fokus fachgeschichtlicher Forschung. Dabei bietet das Spannungsfeld von Orientalismus und Antisemitismus nicht nur Ansatzpunkte bei Gelehrtenbiografien jüdischer Wissenschaftler. Die besonderen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen des „kulturkämpferischen“ Zweiten Deutschen Kaiserreichs lenken den Blick auch auf Konflikte zwischen den christlichen Konfessionen. Der Orientalistik kommt durch ihren Forschungsgegenstand dabei eine Schlüsselrolle zu. Die Ägyptologie in Deutschland hat sich, anders als ihre Nachbardisziplin der Assyriologie, nicht in den „Babel-Bibel-Streit“ verwickeln lassen. Weitgehend staatlich finanziert, mussten deutsche Ägyptologen, anders als ihre angelsächsischen Kollegen, auch nicht „biblische“ Themen aufgreifen, um private Förderer zu gewinnen. Dennoch hatte die Konfession unmittelbaren Einfluss auf Karrieren und Wissenschaftspolitik. Die vorliegende Studie geht diesem Einfluss anhand ausgesuchter Fallbeispiele auf den Grund.
Einführung in die Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie. Die Einführung zur Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie is
Der Ägyptologe hinter den Josephsromanen
Biographie des Ägyptologen Wilhelm Leeser Spiegelberg (1870?1930) aus Hannover. Als Wissenschaftler lehrte er in Straßburg, Heidelberg und Göttingen, und war zudem auch kurzzeitig Erzieher eines preußischen Prinzen. Er beschäftigte sich mit den Randbereichen der Ägyptologie, wie der Spätzeit und dem Demotischen. Zudem war er an dem Verhältnis zwischen dem alten Ägypten und dem Alten Testament interessiert. So gelang ihm beispielsweise der erste Nachweis für die Schreibung des Landes "Israel" in Hieroglyphen. Auch unterstütze er Thomas Mann bei der 'Josephs'-Romane. Von jüdischer Herkunft wurde er Opfer rassistischer Hetze
Arbeit im Turm zu Babel
Nathaniel Julius Reich (1876–1943) entstammte einer Familie von Rabbinern. Sein Vater, Wilhelm (1852–1929), war Zionist und publizierte über jüdisches Leben im Nahen Osten. Der Sohn lernte frühzeitig orientalische Sprachen. Die traditionelle Erziehung sollte durch ein Hochschulstudium an den Universitäten Wien und Berlin vervollkommnet werden. Dabei entwickelte Reich die Vision einer „Geschichte des Judentums im Alten Orient, Nordafrika, Griechenland und Rom“ – ein Vorhaben, welches er jedoch nie realisieren sollte. Mit wachsender Ungeduld verfolgte der Vater die immer wieder verlängerten Studien, jetzt auch in Straßburg und Oxford. Bald stellte er die finanzielle Unterstützung des Sohnes ein. Dessen Konflikte mit seinen deutschen Kollegen und der Verlust seiner Dozentur an der Universität Prag, nach Ende des Ersten Weltkrieges, schienen seine Laufbahn zu beenden. Durch die Übersiedlung in die USA schaffte Reich einen Neuanfang am Dropsie College in Philadelphia. Er bemühte sich um die Erstellung eines demotischen Wörterbuches und gab die Fachzeitschrift „Mizraim“ heraus.
Adolf Erman (1854–1937) war der Spross einer französisch-schweizerischen Refugié-Familie, dessen Großvater Paul in die Familie Itzig einheiratete. Als Nachfolger Richard Lepsius’ auf dem Lehrstuhl für Ägyptologie an der Berliner Universität hatte Erman zeitweilig die Leitung über das Ägyptische Museum, die Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde und das Ägyptische Wörterbuchvorhaben an der Berliner Akademie inne. Zusätzlich war er an der Gründung und Aufsicht über das Deutsche Institut für Ägyptische Altertumskunde in Kairo und der Deutschen Orientgesellschaft beteiligt. Der durch ihn bewirkte Paradigmenwechsel hat die deutsche Ägyptologie nachhaltig geprägt. Kurz vor seinem Tode erfuhr er durch die rassistische Gesetzgebung der Nationalsozialisten eine tiefe Demütigung durch seinen Ausschluss aus der Fakultät.
In der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Ägyptologie rücken die Schicksale deutscher Ägyptologen während des Dritten Reiches zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Forschungen. Die Quellenlage entzieht sich der einfachen Dichotomie zwischen 'gut' und 'böse'. Vielmehr ist es notwendig, die intellektuelle, politische und wissenschaftliche Biographie der Fachvertreter im Dritten Reich zu rekonstruieren, um Apologie und Hagiographie zu vermeiden. Historiker sollten sich dabei nicht als Strafrichter, sondern als Untersuchungsrichter verstehen. Hermann Grapow, bekannt als Mitherausgeber des 'Wörterbuchs der Ägyptischen Sprache', hat bedeutende Beiträge zur Ägyptologie geleistet, ist jedoch auch mit der politischen Belastung der Disziplin in der NS-Zeit verbunden. Dieser Band trägt zur aktuellen Forschung zur Geschichte der Ägyptologie bei und öffnet den interdisziplinären Diskurs innerhalb der Wissenschafts- und Institutionengeschichte, insbesondere hinsichtlich der Berliner Akademie der Wissenschaften.
Heinrich Schäfers Tagebuch einer Nubienreise zum zweiten Nilkatarakt im Jahre 1900
Im Rahmen der Archivrecherchen zur Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo wurde ein 134 Manuskriptseiten umfassendes Reisetagebuch des deutschen Ägyptologen Heinrich Schäfer aus dem Jahr 1900 entdeckt. Es dokumentiert eine Reise nach Unternubien, die er gemeinsam mit Ludwig Borchardt, Curt von Gruenau, Hermann Thiersch und Georg Steindorff unternahm. Das Tagebuch beschreibt eine abenteuerliche Reise in den Sudan, der erst kurz zuvor vom Mahdi-Aufstand betroffen war. Es bietet einen Überblick über die Archäologie und Kulturgeschichte des Gebiets zwischen dem ersten und zweiten Nilkatarakt, das heute im Nasser-Stausee versunken ist. Schäfers Aufzeichnungen vermitteln Eindrücke von den antiken Hinterlassenschaften Ägyptens und deren Erhaltungszustand um 1900 sowie lebendige Schilderungen der Kultur und Lebensweise der modernen Nubier. Der Band enthält nicht nur Schäfers Bleistiftskizzen, sondern auch reichhaltiges zeitgenössisches Bildmaterial aus verschiedenen Archiven, darunter das Ägyptische Museum in Leipzig und das Schweizerische Institut für Ägyptische Bauforschung in Kairo. Zusammen mit den damals neu eingeführten illustrierten Ansichtskarten entsteht ein reich bebilderter Band zur Forschungsgeschichte der Ägyptologie, Sudanarchäologie und der Kulturgeschichte Nubiens.