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Horst Pfingsten

    Dobrudscha
    Gagausien
    • Nach Comrat, der Hauptstadt der Autonomen Region Gagausien, war es von Leipzig aus nicht weit. Fünf Kilometer zu Fuß nach Basarabeasca, dann eine Rutiera über Cioc-Maidan nach Comrat – etwa dreißig Kilometer auf der Straße. Doch ich wollte erst das sanft ausmuldende Tal unterhalb des Häuschens von Lilly und Waldemar durchwandern und die gegenüberliegende Höhe erklimmen. Von dort hatte Waldemar versprochen, würde sich der schönste Ausblick über Tal und Dorf bieten. Tatsächlich schienen die Fotos aus früheren Zeiten, die das Dorf Leipzig zeigten, von diesem Ort aus aufgenommen worden zu sein. Auf diesen Bildern war die alte evangelische Kirche als Mittelpunkt des Dorfes zu erkennen, umgeben von ackernden Bessarabiern oder verträumt Dreinblickenden am Talhang. Die Gesamtzahl der Gagausen weltweit wird auf 230.000 bis 250.000 geschätzt, wobei die meisten, über 200.000, in Bessarabien leben. Diese historische Region liegt heute in den politischen Grenzen der Republik Moldau und der Ukraine. In der Republik Moldau gibt es etwa 17.000 Gagausen, die meisten davon in der Autonomen Region Gagausien, einem Staat im Staate.

      Gagausien
    • Es geht ein Ruck durch die Schlange – das Brot ist angekommen. Die Menschen vor mir pressen kräftig nach vorne, und schnell bin ich am Ende des Regals ankommen, von wo aus ich dann mein Ziel schon im Blick habe. Zwei große Pappkartons stehen auf dem Boden; offenbar gibt es zwei Sorten Brot. In diesen Kartons, fast schon kopfüber hineinsinkend, wühlen einige schwarz gekleidete alte Frauen mit viel Gezänk. Noch ist die Zahl der vorhandenen Brote groß, und so haben die Alten die Qual der Wahl. Denn offenbar ist die Qualität der einzelnen Brote sehr unterschiedlich; nur so kann ich mir erklären, dass die alten Damen jedes einzelne Brot in die Hände nehmen und durchprüfen: Da wird auf den Laib geklopft und der Sound geprüft. Vor allem aber wird von ihnen die Konsistenz, der Ausbackgrad des Brotes begutachtet. Das lässt sich offenbar ganz leicht feststellen, so meine Beobachtung, indem man den Daumen in den Laib drückt: Bricht er leicht ein? Klebt Teig am Daumennagel? Ist der Brotlaib biegsam und elastisch? Da ich in der Käuferschlange ganz hinten stehe, muss ich letztlich mit einem Brot Vorlieb nehmen, welches alle diese Prüfungen nicht bestanden hat. Man erkennt das an den vielen Daumenlöchern. Später, beim Genuss des Brotes, muss ich jedoch feststellen: Es schmeckt köstlich, ist knusprig und von optimaler Konsistenz. Das einzige, was mich etwas stört, sind die vielen Daumendruckprüflöcher in der Kruste.

      Dobrudscha